Test - Watch Dogs: Legion : Eine abge-hack-te Angelegenheit
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Im London einer nahen Zukunft kämpft die Hackertruppe DedSec erneut für Frieden und Freiheit. Zudem muss sie ihren Namen reinwaschen, denn ihnen wurden Bombenattentate in die Schuhe geschoben, die sie eigentlich verhindern wollten. Im Anschluss daran wird die Gruppe vom omnipräsenten Sicherheitsdienst Albion beinahe ausgelöscht.
Aber aufgeben ist nicht drin, schließlich wird DedSec mehr denn je gebraucht. Die Stadt an der Themse wird von vorne bis hinten überwacht: Nachrichten- und Kampfdrohnen kontrollieren das Geschehen aus der Luft und auf den Straßen sorgen die knallharten Militärs von Albion dafür, dass niemand aus der Reihe tanzt – nicht mal ein bisschen. Der gläserne Mensch ist schon lange Realität, denn im Netz und auf den Smartphones ist jedes noch so schmutzige Geheimnis nur eine Fingerbewegung entfernt.
Für eure personell ausgedünnte DedSec-Truppe hat das aber große Vorteile. Denn ihr macht euch die Daten zunutze, um neue Leute zu rekrutieren. Viele Menschen stehen der totalen Überwachung kritisch oder gar feindselig gegenüber. Über einen kurzen Handyscan erhaltet ihr erste Infos über Beruf, Privatleben und besondere Fähigkeiten jeder Person. Die Bandbreite ist enorm: Abgesehen von einigen Story-Figuren könnt ihr jeden Menschen ins Team holen, dem ihr begegnet. Das klappt allerdings nicht rein digital, sondern erfordert etwas körperlichen Einsatz in Form einer Rekrutierungsmission.
Agentenwahl
Mit jedem potenziellen DedSec-Agenten ist nämlich eine kleine Geschichte verbunden. Manchmal müsst ihr bestimmte Daten von einem Server löschen, um das Strafregister der Person etwas ansehnlicher zu machen. An anderer Stelle wird eine Freundin oder ein Verwandter von Albion-Leuten festgehalten, also müsst ihr sie oder ihn befreien. Diese Missionen sind angenehm kurzweilig und belohnen euch mit teils sehr skurrilen Figuren.
Da wäre der Magier, der Gegner im Handumdrehen hypnotisieren oder gegeneinander aufhetzen kann. Der grobschlächtige Untergrundkämpfer kümmert sich dagegen lieber mit kräftigen Fausthieben um seine Gegner und steckt dabei ordentlich ein. Besonders unauffällig ist die Großmutter, allerdings machen ihre müden Knochen selbst kleinste Klettereinlagen zum gefährlichen Abenteuer. Ein versierter Profikiller schaltet Feinde mit der Drahtschlinge aus und greift im Notfall zum Sturmgewehr. Weniger kampferprobt, dafür technisch versiert ist die Bauarbeiterin: Sie ruft eine Frachtdrohne herbei, auf der sie sogar fliegen kann. Selbst ein Imker lässt sich rekrutieren, der aggressive Bienen auf die Feinde hetzt.
Die Möglichkeiten, die sich durch die jeweiligen Agenten ergeben, reichen von einfach nur witzig bis echt hilfreich. Einige verfügen nur über ein schnelles Auto, andere können auf größere Entfernung hacken oder im Kampf Verstärkung rufen. Mindestens ebenso vielfältig sind Aussehen und Kleidung eurer Rekruten. Neue Garderobe kauft ihr in verschiedenen Geschäften mit erspielter ETO-Währung – vom edlen Zwirn bis zum übergroßen Jogginganzug ist alles geboten.
Wen ihr zu DedSec holt und wann ihr es tut, steht euch bis auf wenige Ausnahmen völlig frei. Interessante Personen speichert ihr einfach ab, um die Rekrutierung später durchzuführen. Ihr könnt eine kleine Armee versammeln oder euer Glück mit ganz wenigen Leuten versuchen. Denn sämtliche Missionen sind mit jeder Figur lösbar, lediglich die verfügbaren Möglichkeiten werden beeinflusst. Mit gesammelten Technikpunkten schaltet ihr eine Reihe hilfreicher Extras frei, die jedem Agenten zur Verfügung stehen. Dazu gehören nicht-tödliche Waffen, eine Tarnvorrichtung, verschiedene Drohnen-Hacks und der Spider-Bot.
Diese kleine Roboter-Spinne kommt häufig zum Einsatz, wenn ihr unerkannt in ein Gebäude eindringen und beispielsweise eine elektronisch verschlossene Tür öffnen sollt. Also steuert ihr den krabbelnden Helfer durch Lüftungsschächte und vorbei an Kameras, hackt euch in einen PC und öffnet zuvor verschlossene Pforten. An einigen Stellen weicht die Spinne einer gekaperten Drohne, mit der ihr unter anderem Fotos von Bauplänen oder anderen wichtigen Dingen schießt.
Die Storymissionen drehen sich um die Aufklärung des Komplotts und den mysteriösen Hacker Zero Day, der für die Attentate verantwortlich scheint. Eine ganze Weile dümpelt die Geschichte vor sich hin, erst in den letzten Stunden kommt alles in Fahrt und endet mit einem spannenden Finale. Spielerisch ähneln sich die Aufträge: Meist sollt ihr irgendwelche Daten mopsen, jemanden abhören oder etwas sabotieren – viel Abwechslung erwartet euch nicht. Auch die Aktionen mit Spider-Bot und Flugdrohne wiederholen sich.
Hinsichtlich der Nebenmissionen wurde London ordentlich bestückt: Ihr nehmt Aufgaben von mehreren Auftraggebern an und erlebt dabei eigene Geschichten. Eine weitere Aktivität ist die Befreiung der acht Stadtbezirke, die ebenfalls in Form mehrerer kurzer Aufträge abläuft. Außerdem könnt ihr kleine Lieferungen ausfahren, zusätzliche Technikpunkte zur Aufwertung eurer Geräte finden sowie Audio- und Textdateien mit Hintergrundinfos einsammeln.
Künstliche Dummheit
Grundsätzlich lassen sich zig Dinge in der Stadt hacken, um sie zu kontrollieren oder zu manipulieren. Jagt euch Albion durch die Straßen, hebt ihr im Vorbeifahren massive Straßensperren aus dem Boden. Außerdem könnt ihr Autos fernsteuern, Handys stören, Schlösser knacken und harmlose Stromleitungen zu explosiven Fallen umfunktionieren. Ein Druck auf L1 beziehungsweise LB zeigt euch an, was ihr in der Umgebung gerade anstellen könnt – das funktioniert so simpel und schnell wie bei den Vorgängern. In Verbindung mit den besonderen Fähigkeiten eurer Agenten bieten sich grundsätzlich mehrere Möglichkeiten, die Missionen anzugehen.
Doch statt das mannigfaltige Repertoire tatsächlich spielerisch einzufordern, macht es euch Watch Dogs: Legion selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad überwiegend viel zu leicht. Das liegt zum einen daran, dass bereits eure Standard-Gadgets enorm mächtig sind. Tarnung, lautlose Waffen und Drohnen-Hacks machen selbst die Infiltration schwer bewachter Bereiche ganz leicht. Setzt ihr dazu noch die vorhandenen Spezialfertigkeiten einiger Charaktere ein, verkommen viele Einsätze zum Spaziergang.
Zum anderen stellen sich eure Gegner derart dämlich an, dass es manchmal wehtut. Löst ihr einen Alarm aus oder ballert mehrere Leute lautstark über den Haufen, passiert wenig bis nichts. Nur seltene Elitetruppen gehen aggressiver vor und setzen Schnellfeuerwaffen sowie Sprengstoffe ein, die euch zusetzen. Damit es dazu kommt, müsst ihr jedoch ein ordentliches Chaos anrichten.
Wollt ihr die Lage lieber beruhigen, reicht es in den meisten Fällen aus, ein Stück wegzulaufen und sich hinter einer Mauer oder Kiste zu verstecken – wenige Sekunden später stellen eure Häscher die Suche ein. Selbst wenn ihr eindeutig sichtbar jemanden abknallt und euch anschließend keinen Zentimeter bewegt, bleibt ihr manchmal unbehelligt. Mehrfach versteckten wir uns erfolgreich mitten im Feindgebiet, weil Wachen es nicht schafften, eine Leiter hochzuklettern oder um eine Ecke zu gehen.
Es geht aber auch genau umgekehrt: So betraten wir als Bauarbeiterin einen feindlichen Rohbau. Zwischen den ganzen Kollegen sollten wir mit Helm und Sicherheitsweste eigentlich nicht auffallen – darauf weist das Spiel sogar hin. Leider passierte das exakte Gegenteil, denn bereits auf 20 Meter Entfernung wurde die erste Patrouille misstrauisch. Auch an anderer Stelle gingen rasend schnell die Alarmglocken los, obwohl wir uns völlig unauffällig verhielten und Abstand wahrten.
Ihr müsst dem Kampf aber auch nicht entgehen, denn auch dabei hat die KI ihre Prrobleme. Während der Schießereien strecken Feinde immer wieder brav den Kopf hervor und warten auf die Kugel. Anrückende Gegner laufen frontal auf euch zu und sind damit ebenso dankbare Ziele. Besonders bescheuert ist jedoch der Nahkampf: Greift ihr einen bewaffneten Feind mit den Fäusten an, steckt der absurderweise Pistole oder Gewehr weg und schlägt zurück, statt zu feuern. Die anschließende Keilerei entscheidet ihr dank eines sehr großzügigen Timings beim Ausweichen recht sicher für euch.
Erwischt es euren Agenten doch mal, sind dafür gerade zu Beginn die schwer bewaffneten Kampfdrohnen verantwortlich. Habt ihr Permadeath aktiviert, ist der Charakter unwiederbringlich weg. Auf Wunsch könnt ihr diese Option im Spiel abschalten, aber danach nicht mehr nutzen. Bei unserem Test störte das gelegentliche Ableben kein Stück, weil uns mehr als genug Agenten mit ähnlichen Fertigkeiten zur Verfügung standen. Sobald ihr besagte Drohnen stören oder übernehmen könnt, droht sowieso kaum noch Gefahr.
Schicke Stadt, mäßige Technik
Bei der grafischen Inszenierung zeigt sich das futuristische London von einer guten und einer eher schlechten Seite. Gelungen ist der generelle Aufbau der Stadt, denn viele Straßenzüge, bekannte Orte und Sehenswürdigkeiten wurden glaubwürdig nachgebildet. Ikonische Gebäude wie Tower oder Buckingham Palace stehen am rechten Fleck und sehen schick aus. So abwechslungsreich wie die Metropole geben sich auch die vielen Menschen darin. Die Gesichter und Outfits unterscheiden sich deutlich voneinander und hauchen dem Treiben in der Stadt die richtige Portion Leben ein.
Zahlreiche kurze Gespräche zwischen Einwohnern sowie teils witzige Reaktionen auf euer Treiben tragen ebenfalls zur Atmosphäre bei. Dabei gefallen besonders die verschiedenen Stimmen und Akzente der englischen Synchronisation. Eine deutsche Sprachausgabe stand zum Testzeitpunkt noch nicht zur Verfügung.
Weniger gut ist dagegen die Technik hinter Watch Dogs: Legion. Auf der Xbox One X erlebten wir teils deutlichen Bildaufbau, Pop-ups, unscharfe Texturen, Kantenflimmern, Ruckler bei Kamerabewegungen und fehlerhafte Animationen. Spielt ihr in 4K-Auflösung und mit HDR-Unterstützung, bleiben die Probleme zwar bestehen, trotzdem verbessert beides den Bildeindruck deutlich. Gerade Reflexionen, Kontrast und Lichtstimmung sind gelungen.
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