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Test - Thimbleweed Park : Er hat's noch immer drauf: Neues Adventure vom Monkey-Island-Erfinder

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Mit Maniac Mansion erfand Ron Gilbert einst das Genre des Point-n-Click-Adventures, mit Monkey Island setzte er ihm ein Denkmal, auf dessen Sockel es bis heute ruht. Ohne Gilberts Piratenklassiker wäre das Genre heute vermutlich so tot, wie es ihm zur Jahrtausendwende schon diagnostiziert wurde. Während Adventure-Entwickler von Daedalic, über King Art bis hin zu Telltale nicht müde werden, dem Vorbild zu huldigen, das ihnen doch nur Blaupause ist, wurde es um Gilbert selbst still. Dann kam Kickstarter.

Kickstarter in die Vergangenheit

Thimbleweed Park ist die bis in den grobkörnigsten Pixel hinein nostalgische Rückkehr zu den Anfängen des Point-n-Click-Genres – und gleichzeitig doch so viel mehr. Es ist der Beweis, dass der Meister, der das Genre geprägt hat wie kein anderer, es Jahrzehnte später immer noch draufhat. Und ebenso der Beweis dafür, dass das Genre seitdem im Grunde nur auf der Stelle tritt und lediglich die Muster kopiert, die einst in 8-Bit-Klötzchengrafik gezeichnet wurden.

Alles beginnt mit einem Mordfall, der die beiden FBI-Agenten Ray und Reyes ins sonst so verschlafene Städtchen Thimbleweed Park in der amerikanischen Provinz beordert. Die Frage nach dem Whodunnit ist aber lediglich McGuffin für ein viel komplexeres Netz aus Rätseln und Geheimnissen, die die Einwohner von Thimbleweed wie ehedem diejenigen von Twin Peaks umwehen.

Was hat es mit dem Brand in der Fabrik des „Kissenkönigs“ Chuck auf sich? Kann es ein Zufall sein, dass sein mysteriöser Tod vor wenigen Tagen ausgerechnet in die Zeit des Mordes fällt? Wie passen die komplizierten familiären Verstrickungen und Intrigen der mächtigsten Familie im Ort in das Gesamtbild? Was hat es mit dem geisterhaften Spuk und den ominösen Signalen auf sich, die regelmäßig beobachtet werden? Wurde der unausstehliche Clown tatsächlich von einer Zigeunerhexe verflucht? Und sowieso: Hängt man das Klopapier nun am besten mit dem Papier nach vorne oder nach hinten auf die Rolle?

Dass Ron Gilbert ein Meister darin ist, rote Heringe – also falsche erzählerische Fährten – auszulegen, ist spätestens seit einem Insider-Gag in Monkey Island bekannt. In Thimbleweed Park perfektioniert er diese Vorgehensweise. Die Lust daran und die Neugier darauf, das Wollknäuel aus kunstvoll ineinander verschlungenen Handlungsfäden zu entwirren und die vielen Puzzlestücke der Handlung zu einem in sich stimmigen Bild zusammenzusetzen, fasziniert von der ersten Sekunde und ist dennoch lediglich ein Vorwand.

Kettensäge in der Mikrowelle

Denn mehr noch als eine spannende Mystery-Krimi-Geschichte ist Thimbleweed Park zuvorderst eine Hommage an die 80er Jahre, an die Anfänge des Computerzeitalters und die Spiele, die sie hervorgebracht haben. An die ersten klobigen Handys, Text-Adventures, Computer mit grünen Monitoren und Modems, die beim Einwählen quietschten und rauschten, als drehe man eine Grille durch einen Fleischwolf. An eine Zeit, als Nerd zu sein noch als uncool und „Herr der Ringe“ als unverfilmbar galt. An Röhrenfernseher, VHS-Videokassetten und all die Technik, die wir rückblickend belächeln, aber nur, weil sie die ersten Schritte darstellten auf einem Weg, der uns heute Gegenwart ist.

Es ist aber vor allem auch die Hommage von Ron Gilbert an eine Zeit, die er wie kaum ein anderer mitgeprägt hat, aus der er aber - im Gegensatz zu manchem seiner damaligen Weggefährten - nicht als Big Player seiner eigenen millionenschweren Company hervorgegangen ist. Vermutlich nicht nur als Fan-Service, sondern auch aus Wehmut an die eigenen Good-ol'-times, ruft Thimbleweed Park unentwegt die Geister der Vergangenheit an: Das Anwesen gleicht der Gouverneursvilla von Monkey Island, die Bibliothek derjenigen aus Maniac Mansion, und der Kettensäge fehlt natürlich das Benzin. Und was ist mit dem Hamster? Sitzt in der Mikrowelle.

Adventure-Spaß mit Thimbleweed Park - ONEonONE #84
Ron Gilbert ist einer der Urväter des klassischen Point & Click Adventure-Genres. Wir schauen uns sein neustes Werk Thimbleweed Park in dieser ONEonONE-Ausgabe an.

Auch wenn das ständig zuzwinkernde High-Five in Richtung der Fans auf Dauer ein wenig nervt, bleibt es doch stets charmant und drängt sich nicht annähernd so auf wie zuletzt noch in dem Anspielungs-Stahlgewitter von Randal's Monday. Auch der gerade modische Retro-Stil im 8-Bit-Look nutzt sich zwar mit der Zeit etwas ab, doch ist er ausnahmsweise weit mehr als nur eine billige Methode, um ein Spiel mit kleinem Budget zu entwickeln.

Vielmehr führt er vor Augen, dass technische Grenzen nicht gleichzusetzen sind mit Einschränkungen. Stattdessen definieren sie immer auch einen künstlerischen Stil, der sich jenseits des Strebens nach größtmöglichem Realismus entfaltet. Darum gibt es auch heute immer noch Filme, die in schwarz-weiß gedreht werden, und Menschen, die Bilder malen, um ihre Sicht auf die Welt mitzuteilen, statt sie in Unmengen an Fotos festzuhalten. Der Art-Style von Thimbleweed Park ist so gesehen der Gegenentwurf zur aktuellen Generation Selfie.

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