Test - Sinner: Sacrifice for Redemption : Dark-Souls-Klon aus China: einfach nur billig?
- PC
- PS4
- One
Zum Ruf von Produkten „Made in China“ gehört das Klischee, sie ahmten lediglich nach, was es schon gibt, nur eben in billig – sowohl beim Preis, als auch in der Qualität. Mit Sinner: Sacrifice for Redemption erscheint nun ein Hardcore-Action-Rollenspiel, dem das „inspired by Dark Souls“ in dicken Lettern auf dem Etikett geschrieben steht. Aber will man wirklich ein Dark Souls light in billig spielen?
Sinner: Sacrifice for Redemeption verhält sich zu Dark Souls wie Tütensuppe zu einem richtigen Eintopf. Es ist auf ein paar Grundkomponenten kondensiert, und wenn man es aufkocht, soll daraus etwas werden, das entfernt an das Vorbild erinnert. Dafür kostet es weniger und ist schneller zu konsumieren.
Acht Bosse, sonst nichts: reicht das?
Sinner: Sacrifice for Redemption reduziert das Rezept von Dark Souls auf seine Aromastoffe: die Bosskämpfe, und lässt damit alles weg, was eine Suppe eigentlich erst zur Suppe macht: vor allem das Wasser, also alles Außenrum, das ein Rollenspiel erst zum Rollenspiel macht: die Spielwelt, die Charaktere, den Loot. Sinner ist ein reiner „Boss Battler“. Es gibt keine „normalen“ Gegner, keine offene Spielwelt, keine einsammelbaren Waffen und Gegenstände, nicht einmal richtige Charakterwerte, lediglich sieben Bosse (plus einen Endboss) in sieben Arenen und die nervenaufreibenden Schlachten gegen sie. Warum auch nicht? Bei Titan Souls hat das auch prima funktioniert.
Als einsamer Held müsst ihr euch den Inkarnationen der sieben Todsünden stellen, um die Welt zurück ins Gleichgewicht zu bringen. Wie in Demon's Souls bereist ihr dazu die verschiedenen Arenen von einer Art Nexus aus durch Portalsteine und könnt von Anfang an jeden der sieben Bosse in beliebiger Reihenfolge herausfordern. Ein Buffet voller Bosse quasi, es ist angerichtet, also ran an die Schlachtplatte!
Sinner ist in jedem seiner Bits und Bytes anzumerken, dass die Entwickler offenbar Dark und Demon's Souls ganz dufte finden und sich vermutlich gedacht haben: „Sowas wollen wir auch unbedingt machen.“ Und wenn nicht schon genau sowas, dann immerhin irgendsowas Ähnliches, das dem Original zwar nicht nahekommt, aber immerhin seinen Geist einfängt und im Idealfall trotzdem irgendwie Spaß macht. Ein bisschen wie Fan-Fiction oder Cosplay, mit der die Anhänger einer Subkultur ihre Liebe zum Vorbild ausdrücken und gleichzeitig am Objekt ihrer Leidenschaft teilhaben können.
Jedem einzelnen der Bosse von Sinner: Sacrifice for Redemption ist überdeutlich anzusehen, wo sich die Entwickler geistig gerade befanden, als sie ihn sich ausgedacht haben. Am auffälligsten ist das beim „Turmritter“, der seinem Vorbild aus Demon's Souls gleicht wie ein Original seinem Durchschlag durch Pauspapier: die strahlende Rüstung, der mächtige Schild, das Trampeln mit den Füßen.
Auch die anderen Bosse lassen sich fast vollständig dadurch beschreiben, indem man einfach ihre offenkundigen Inspirationsquellen aus den From-Software-Spielen aufzählt: Der dickleibige Troll erinnert frappierend an den Vorreiter-Dämon aus Demon's Souls, macht dessen unverkennbaren Hüpfer in die Luft, indem er kurz mit den Flügelchen schlägt, und schwingt seine riesigen Schlachtermesser in exakt den gleichen Mustern wie der Richter aus demselben Spiel, gleicht diesem sogar bis hin zu der empfindlichen Stelle am Bauch.
Ein teuflischer Koloss steht in einem Lavasee, genau wie der Lavastrom-Dämon in Dark Souls oder der Alte Eisenkönig in Dark Souls 2, schlägt mit seinen Güterzug-großen Fäusten nach dem Spieler und ist nur zu verletzen, wenn man seine Fäuste trifft, während sie gerade auf dem Plateau vor ihm ruhen. Der eitle König versteckt sich zwischen seinen Wachen wie der Diakon in Dark Souls 3 und verschanzt sich regelmäßig hinter einem Schutzwall seiner Gefolgsleute wie die Phalanx in Demon's Souls. Die flinke Prinzessin mit ihren Dolchen hat sogar bis ins kleinste Detail das exakt gleiche Bewegungsmuster wie Maria, Fürstin des Uhrturms, aus Bloodborne, weshalb es mir allein aufgrund dieser Vorkenntnis gelang, sie im ersten Versuch zu besiegen. Nur ihr fieser Pfeilhagel unterscheidet sie von ihrem Vorbild, doch das kannte ich glücklicherweise von Götterfresser Aldrich aus Dark Souls 3, von dem Sinner ihn geklaut hat ...
Wie an diesen Beschreibungen zu sehen ist, sind die Bosse nicht identische Kopien ihrer Originale, sondern zumindest Patchworks aus mehreren Vorbildern des Soulsborne-Kosmos – eine Vorgehensweise, die trotz aller Häme bis hierhin grundsätzlich gar nicht mal verkehrt ist, schließlich wendet From Software selbst sie ebenfalls oft genug an. Yhorm, der letzte Riese, aus Dark Souls 3 beispielsweise war strenggenommen letztendlich auch nichts anderes als eine Mischung aus dem Alten Held und dem Sturmkönig aus Demon's Souls.
Trotz aller Plagiaterie, die man Sinner: Sacrifice for Redemption vorwerfen könnte, entwickelt es nichtsdestotrotz oder gerade deswegen eine Qualität, die sich zwar noch nicht mit „kongenial“ beschreiben lässt, aber auch weit entfernt von einem Totalausfall ist. Zwar ist Sinner in jedem Detail weit von der Perfektion entfernt, mit der From Software die Messlatte vermutlich noch auf lange Zeit, selbst für größere Produktionen wie Nioh und The Surge, in unerreichbare Höhen legte, doch leistet sich die China-Kopie in den entscheidenden Disziplinen wie Steuerung und Spielmechanik keine groben Schnitzer, die es der erwarteten Lächerlichkeit preisgeben würden.
Wahrscheinlich hätte Entwickler Darkstar sogar noch stärker auf seine eigenen Ideen vertrauen sollen, denn den mit Abstand besten Boss fand ich eine Eigenkreation, die keinem Vorbild aus den Soulsborne-Spielen nachfolgte: eine eiserne Geister-Lady, die dem Spieler mit Degen und fliegenden Dolchen zusetzt, und sich in ihre dunkle Schwester aus Blitz und Donner verwandelt, immer wenn sie ihren Gespensterkopf abnimmt. So packend und originell, dass es selbst From Software vermutlich kaum besser gekonnt hätte.
Sinner ist ein Anti-Rollenspiel: gut oder schlecht?
Da Sinner ausschließlich aus Bosskämpfen besteht, ist der Schwierigkeitsgrad entsprechend hoch. Für jeden einzelnen braucht man viel Übung und muss seine Vorgehensweise ausführlich studieren, um eine Chance zu haben. Etwa sechs Stunden Spielzeit sollte man daher schon einplanen, je nach Skill auch mehr. Denn Sinner wird mit zunehmendem Spielverlauf immer schwerer – und das obwohl alle Bosse von Anfang an freigeschaltet und in etwa ähnlich schwierig sind. Wie das?
Der Clou ist nämlich: Um einen Boss herauszufordern, müsst ihr ein Opfer darbringen. Für die giftige Vogelhexe müsst ihr beispielsweise auf ein Stück eures Gesundheitsbalken verzichten, für den König der Faulheit etwas Ausdauer und für die Eisprinzessin auf ein paar eurer Gegenstände wie Wurfmesser und Brandbomben.
Sinner: Sacrifice of Redemption wird derartig zu einer Art „Anti-Rollenspiel“: Im Gegensatz zu jedem anderen Spiel des Genres werdet ihr mit der Zeit nicht besser, sondern schlechter und die Kämpfe dadurch schwerer. Aus diesem Grund muss man sich genau überlegen, in welcher Reihenfolge man die Bosse angeht: Wer beispielsweise seinen Schild sowieso nur selten verwendet, erfährt nur wenig Nachteile, wenn dieser nach dem Kampf gegen den Feuerteufel an Stabilität einbüßt, und sollte diese Herausforderung daher den anderen vorziehen. Die zwei Heiltränke, die man im Kampf gegen den Eistroll verliert, tun da schon deutlich mehr weh, weswegen man diesen eher ans Ende schieben sollte.
Man kann sich zwar die geopferten Fähigkeiten wiederbesorgen, wenn man merkt, dass man ohne sie chancenlos ist, muss dann aber den zugehörigen Bosskampf irgendwann auch nochmal bestehen – dann aber logischerweise unter härteren Voraussetzungen. Gegen Ende des Spiels kann dies ziemlich frustrierend werden, da die kumulierten Handicaps zum mehrfachen Bekämpfen einzelner Bosse geradezu zwingen. Auf diese Weise artet die im Grunde ganz pfiffige Spielidee zu enervierend gestreckter Spielzeit aus ...
Kommentarezum Artikel