Test - RoboCop: Rogue City : Test: Kaum zu glauben, dass Rambo vom selben Studio stammt
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Mit RoboCop brachte Paul Verhoeven 1987 einen Film in die Kinos, dessen tiefere Ebene vielen Zuschauern aufgrund der Debatte um seine drastische Gewaltdarstellung entgangen blieb. Hinter all den plastischen Effekten und dem Kunstblut verbarg sich eine gehörige Portion Kritik. An der Konsumgesellschaft, an den sozialen Umständen, an der Medienlandschaft und nicht zuletzt an der politischen Landschaft der damaligen Zeit. Die Videospiel-Adaption RoboCop: Rogue City scheint bei der Brutalität erwartungsgemäß in eine ähnliche Kerbe zu schlagen. Stellt sich also noch die Frage: Wie gut transferieren sich die restlichen Elemente in die heutige Zeit?
Manche Dinge ändern sich nie. Beispielsweise wächst noch immer kein Gras, wo Officer Alex James Murphy hinschießt. Wenn er seine treue Auto-9-Pistole auspackt und bösen Buben blaue Bohnen um die Ohren feuert, bleibt kein Stein auf dem anderen und kein Tropfen Blut im Körper. Verschreckten euch schon die Filme aufgrund der Gewaltdarstellung, dann wird Rogue City auch nicht euer liebstes Spiel werden. Da rettet auch die teils regelrecht clevere Gesellschaftskritik und die ständig durchschimmernde Warnung vor der Privatisierung und Globalisierung nichts mehr.
Halb Shooter, halb Rollenspiel
Einen nicht unerheblichen Teil von RoboCop: Rogue City verbringt ihr wenig überraschend damit, bleihaltige Gerechtigkeit zu verteilen. Häufig mit der ikonischen Auto-9-Pistole, die über unbegrenzte Munition verfügt und dennoch jede Menge Schaden verursacht. Von erledigten Kriminellen sammelt ihr zudem effektivere Schießprügel wie Schrotflinten, Maschinenpistolen und Sturmgewehre auf. Wenn euch das nicht reicht, dann schnappt euch Monitore, Propangastanks oder Stühle und schleudert sie auf die Gegner.
Als letzten Ausweg packt RoboCop ganz einfach die Gegner direkt am Hals und donnert sie durch die Gegend. Recht viel mehr geschieht in den Kämpfen nicht, noch nicht einmal ducken kann sich euer Held. Mit seinem Scannerblick hebt er Gegner in der Umgebung für bessere Sichtbarkeit noch hervor. Das war’s dann aber auch schon zu diesem Thema.
Das Pixelblut fließt natürlich in Massen, schönerweise zerballert ihr die Umgebungen auch anständig in ihre Einzelteile. Das Büro eines Fernsehsenders erkennt wohl nicht einmal mehr der Gründer der Einrichtung, nachdem RoboCop fertig mit ihr ist. So entstehen bei aller Simplizität durchaus unterhaltsame Gefechte, zumal das Waffenhandling schön direkt ausfällt und jeder abgefeuerte Schuss mit einer Wucht daherkommt, die sich vor Genre-Größen wie Doom oder Call of Duty nicht verstecken braucht, im Gegenteil.
Auch wenn RoboCop: Rogue City eure grauen Zellen über weite Strecken in den wohlverdienten Urlaub schickt, so liegt hier die große Stärke des Spiels. Wie bei den Originalfilmen soll die Gewalt nicht einfach nur niedere Triebe befriedigen, vielmehr versinnbildlicht sie die Darstellung einer von Verbrechen gezeichneten Welt, in der nur die Starken überleben. Gewalt erzeugt Gegengewalt, und Officer Alex Murphy, so der bürgerliche Name von RoboCop vor seinem Umbau, verkörpert dieses Mantra mit jeder Kugel.
Den Entwicklerinnen und Entwicklern von Teyon vorzuwerfen, sie inszenierten die Brutalität zum reinen Selbstzweck, wäre also nicht nur haltlos, sondern auch schlicht falsch. Regisseur Verhoeven gab die extrem grafische Darstellung der Exekution von Murphy im ersten Film von 1987 als Mittel an, um die Zuschauer Mitleid und Verständnis mit dem unfreiwilligen Helden fühlen zu lassen. Dieser Umstand ist in Rogue City natürlich hinfällig, aufgrund der Ego-Perspektive identifizieren wir uns unweigerlich mit ihm. Der direkte Blick auf die Welt erlaubt Teyon aber auch, den roten Pixelsaft hektoliterweise fließen zu lassen. Ich spiele eine unaufhaltsame Gerechtigkeitsmaschine, die den Abschaum von Detroit in Einzelteile zerschießt. Wenn Köpfe platzen und Körperteile fliegen, dann ist das nicht schön, aber glaubhaft.
Damit ihr auch gegen gepanzerte Gegner und sogar die berühmten ED-209-Roboter eine Chance habt, bietet Rogue City überraschend viele Rollenspielelemente. Zum einen sei da der Skilltree genannt, in dem ihr verdiente Fähigkeitspunkte in Attribute wie Panzerung, Waffenschaden und Scanbereich aufwertet. Bestimmte Knoten schalten Spezialfähigkeiten frei, ein schneller Dash bringt euch beispielsweise aus der Gefahrenzone und die Möglichkeit, an Sicherungskästen Leben zu regenerieren, spart euch Medipacks für kritischere Situationen.
Durch neue Platinen wertet ihr zudem eure Auto-9 auf. Neben offensichtlichen Verbesserungen wie mehr Schaden und schnellere Nachladezeit gibt es auch kuriose „Upgrades“. Beispielsweise erhöht sich durch einen freigeschalteten Knoten die dargestellte Gewalt. Wenn ihr bei dem kleinen Platinen-Puzzle aber nicht aufpasst, erhaltet ihr auch empfindliche Strafen. Die Schaltkreise schleifen den Strom je nach den von euch verbauten Chips in unterschiedliche Richtungen. Sonderlich kompliziert fallen die Rollenspielelemente von Rogue City nicht aus, sie bringen aber eine kleinste Prise von Taktik in die sonst so stumpfe Ballerei.
Irgendwo geschieht gerade ein Verbrechen!
Auch wenn die Ballereien mir in all ihrer Stumpfheit durchaus Freude bereiteten, sie laufen natürlich Gefahr irgendwann zu langweilen. Hier beweisen die Entwicklerinnen und Entwickler von Teyon aber erstaunlich viel Fingerspitzengefühl und brechen Action mit regulärer Polizeiarbeit und vielen Dialogen auf. Denke ich an den komplett vermurksten Rambo-Railshooter zurück, kann ich kaum glauben, dass RoboCop: Rogue City vom selben Studio stammt.
Zwischen den Missionen besucht ihr immer wieder das Revier der Detroiter Polizei. Hier unterhaltet ihr euch nicht nur mit euren Kollegen und lasst euch von Seargent Reed zur mechanischen Sau machen, ihr helft auch bei diversen Problemchen mit. Am Schießstand testet ihr die vermeintlich defekte Waffe eines Officers, schleppt einen Betrunkenen in die Arrestzelle oder stellt euch an den Empfang und nehmt Beschwerden und Anzeigen entgegen.
Hier offenbart sich auch immer wieder der bisweilen bekloppte und regelrecht alberne Humor. Ein Bürger beschwert sich über seine Nachbarn, denen es nicht passt, dass der gute Mann mit seinem Hund Gassi geht. Allerdings offenbart sich im Gespräch, dass der vierbeinige Freund auf den Namen „Fire“ hört, was unweigerlich zu fehlgeleiteten Feuerwehreinsätzen sorgt. Nach dem Verlust eines Beamten trifft RoboCop an anderer Stelle auf einen weinenden Kollegen. Nun dürft ihr euch entscheiden: Baut ihr ihn emotional auf oder haut ihm ein unerbittliches „Im Dienst wird nicht geweint“ um die Ohren.
Dieser trockene, bisweilen regelrecht zynische Humor mag auf Anhieb nicht zum rauen Ansatz des Spiels passen, der brutalen Welt scheinbar entgegenwirken. Wie aber bei der Filmvorlage auch macht genau dieser Gegensatz die Identität des Spiels aus. Wo auf der einen Seite tonnenweise Kugeln fliegen und Waffengewalt der einzige Ausweg zu sein scheint, verteilt ihr an anderer Stelle Strafzettel und rettet die Katze einer alten Frau aus dem Keller. Rogue City lebt von diesen vermeintlichen Widersprüchen und schafft so eine überraschend glaubhafte Welt.
Detroit, du bist so wundervoll hässlich
Auch auf grafischer Seite setzt euch RoboCop: Rogue City überraschende Gegensätze vor. Die ergänzen sich aber bei weitem nicht so gut wie Gewalt und Humor. So zeigt sich an vielen Stellen, dass Teyon kein Studio mit AAA-Budget ist, trotz der durchaus großen Marke im Rücken. Speziell die Gesichter der Figuren erschrecken oftmals durch nicht-existente Mimik und hölzerne Gesprächsanimationen. Mit ihren stocksteifen Bewegungen wirken die menschlichen Kollegen mitunter gar roboterhafter als der RoboCop selbst. Über die unfreiwillig komischen Ragdoll-Effekte will ich mich noch nicht einmal beschweren, denn die passen wiederum in kurioser Symbiose zu den albernen Slapstick-Sprüchen und One-Linern.
Bei den Umgebungen überraschte mich Rogue City aber regelrecht. Speziell bei Nacht sieht Old Detroit aus wie im Film. Die Stadt ist dreckig und von Neonlichtern überzogen, an jeder Ecke lassen sich Verbrechen beobachten. Das versiffte Ambiente spiegelt sich in Pfützen wider und Einschusslöcher zeugen von vergangenen Straftaten und Gefechten. Gestört wird diese schicke Optik allerdings von immer wieder auftretenden Einbrüchen der Bildrate und auch Glitches stehen an der Tagesordnung. Besonders fies fielen mir aber störende Bildfragmente beim Wechsel zwischen zwei Szenen auf.
Doch nicht nur die Straßen der Stadt fallen glaubhaft und schick aus, auch Schauplätze wie eine alte Arcade-Halle oder ein heruntergekommenes Stundenhotel untermauern die Trostlosigkeit. Der Mega-Konzern OCP mag sich selbst als Retter der neuen Welt inszenieren, letztlich leiden aber vor allem die sozial Schwachen unter den großkapitalistischen Vorgängen und Werten des Unternehmens.
In Sachen Sound präsentiert sich die Musik zwischen sanften Klavierklängen, klassischem Rock und Synthesizer-Beats genau in Linie zu den Filmen. Den Original-Soundtrack verbaute Teyon nicht, fängt dessen Stimmung aber wundervoll ein. Auch die Sprecher fallen größtenteils glaubhaft und gelungen aus, allen voran RoboCop selbst. Diesem leiht nämlich sogar der Original-Sprecher Peter Weller seine Stimme.
Ein gewöhnlicher Polizeibeamter?
Die Filme zeichneten seinerzeit einen bewussten Gegenentwurf zu den utopischen oder heldenhaft romantisierenden Zukunftsvisionen des damaligen Hollywood-Kinos. RoboCop stattdessen weist gesellschaftskritische bis regelrecht satirisch überhöhte zynische Züge auf. Die Privatisierung ganzer Industrie- und Handelszweige durch das Unternehmen Omni Consumer Products (OCP) steht ebenso auf der Abschussliste wie die im Fernsehen inszenierte Scheinwelt.
Das zwischen dem zweiten und dritten Film angesiedelte Rogue City weist all diese Themenkomplexe auf, und durch meine Rolle als Teil der Welt erlebte ich sie noch direkter als im Film. Vor allem die hasserfüllte Abneigung gegenüber RoboCop durch die Bevölkerung am eigenen Leib zu erfahren, verleiht dem Spiel eine zusätzliche Intensität, wie sie ein Film in dieser Eindrücklichkeit nicht vermitteln kann. Gegen seinen Willen wurde er nach seinem gewaltsamen Tod zum Cyborg umgemodelt, dessen freier Wille mehr Illusion als Realität ist. Trotz all der futuristischen Technik vertrauen die Menschen ihrem Beschützer nicht – obwohl seine oberste Direktive lautet, das Gesetz und seine Bürger zu schützen.
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Im Rahmen der Story von Rogue City greift eine Verbrechenswelle in Old Detroit um sich. Die Punk-Gang Torch Heads überfällt Fernsehsender und handelt ungeniert mit der Droge Nuke. Bei euren Ermittlungen trefft ihr auf allerhand bekannte Gesichter wie Lewis und Reed, aber auch neue Charaktere. Diese präsentieren sich oftmals als Verbündete, doch Vorsicht sollte stets gewahrt werden. Denn Korruption steht in der Stadt an der Tagesordnung und ihr wisst nie, wem ihr letztlich trauen dürft. Als wären all diese Probleme noch nicht genug, leidet RoboCop unter Fehlfunktionen, die schmerzhafte Erinnerungen aus seinem Menschenhirn aufsteigen lassen.
Die wenigen Twists der Story fallen nicht sonderlich überraschend aus, nett erzählt wird die Geschichte aber allemal. Zumal ihr durch diverse Dialogoptionen den Ausgang von Nebenquests und der Story sogar beeinflusst. Beispielsweise stellte ich einen Dieb auf einem Hausdach. Je nach gewählter Antwort ließ er sich entweder bereitwillig festnehmen oder stürzte sich panisch mehrere Stockwerke nach unten. Das mag keinen riesigen Unterschied bewirken, eure Entscheidungen fühlen sich aber oftmals doch an, als hätten sie ein gewisses Gewicht.
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