Test - Might & Magic: Clash of Heroes - Definitive Edition : Test: Besser als Candy Crush! Das geniale Taktikspiel gibt's jetzt für Switch und PS4
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Es ist schon ein Zufall: Gerade eben erst erschien mit Ghost Trick (Test) das meiner Meinung nach beste Spiel für den Nintendo DS 13 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung für aktuelle Plattformen, da folgt ihm das meiner Meinung nach zweitbeste Spiel auf dem Fuße. Might & Magic: Clash of Heroes wurde ursprünglich 2009 veröffentlicht und im Laufe der Jahre immer mal wieder für weitere Plattformen umgesetzt. 2011 etwa für PC, Xbox 360 und PS3, 2013 dann für Handys und nun kommt es in der sogenannten Definitive Edition für PS4, Switch und PC.
Heroes of Might & Magic trifft Candy Crush
Wer einmal auf ein Spiel der „Heroes of Might & Magic“-Reihe ge-troffen ist, ist ab sofort be-troffen: vom berüchtigten H0MM-Virus, der augenblicklich hörig macht – nicht-mehr-aufhörig nämlich. Gleiche Gefahrenstufe galt vor 14 Jahren auch für den DS-Ableger Clash of Heroes, der die süchtig machende Spielspaß-DNA der Heroes-Familie mit den hochgradig ansteckenden Kampfsystem-Genen von Match-3-Spielen wie Candy Crush zu einem verboten guten Zwitter kreuzt.
Wer an dieser Stelle schon wieder aufhören will zu lesen, weil er ein typisches Handyspiel erwartet, in dem quietschbunte Kirschen und Torten sortiert werden, bis der Highscore rappelt, dem rufe ich hinterher: Stopp, hiergeblieben! Denn Clash of Heroes ist mehr als das. Sehr viel mehr! Im Grunde ist es ein ausgewachsenes Taktik-Rollenspiel oder JRPG mit einem einzigartig kreativen Kampfsystem und kann am ehesten vielleicht mit Thronebreaker verglichen werden, dem Singleplayer-Trading-Card-Ableger im The-Witcher-Universum.
Clash of Heroes nimmt sich zahlreiche Merkmale von Heroes of Might & Magic und mischt sie mit Elementen von Match-3-Games und klassischen Japan-Rollenspielen zu einer nicht weniger genialen Mischung - ähnlich wie Puzzle Quest, das zufälligerweise kürzlich erst seinen (nicht so richtig gelungenen) dritten Teil erhielt und ursprünglich 2007 erschien, kurz vor Clash of Heroes also, und diesem daher wohl als Inspirationsvorlage gedient haben dürfte.
Ashan auf mein Haupt
Die Welt von Ashan ist einmal mehr in Aufruhr: Nach Jahren des Friedens kehren die Dämonen zurück und legen das Elfenreich beinahe vollständig in Schutt und Asche. Die großen Helden des Landes sind gefallen, und ihre Kinder werden in alle Winde verstreut, von wo aus sie in insgesamt fünf Kampagnen jeweils ihren Rachefeldzug planen. Doch hinter den Kulissen zieht eine Verschwörung ihre Strippen, die zu entwirren den gordischen Knoten wie eine Fingerübung wirken lassen.
Im Gegensatz zum nahen Heroes-Verwandten bewegt ihr euch in Might & Magic: Clash of Heroes nicht in Runden über die Abenteuerkarte. Städte müssen ebenfalls nicht erobert und keine Armeen des Feindes zurückgeschlagen werden. Der Strategieanteil ist bis aufs Nötigste heruntergeschraubt. Knifflige Kämpfe und die rollenspieltypische Jagd nach Erfahrungspunkten stehen stattdessen im Fokus. Wir unterhalten uns mit Quest-NPCs, leeren Schatztruhen, sammeln Ressourcen, stocken den Einheitenvorrat bei Händlern wieder auf und prügeln uns mit griesgrämigen Zeitgenossen.
Zudem übernehmt ihr nicht das Kommando über mehrere Armeen, sondern, wie in einem Rollenspiel eben, einen einzigen Helden. Bzw. derer fünf, denn in jeder Kampagne wechselt die Story ihre Perspektive aufs Geschehen: Helft ihr zu Beginn noch Elfe Anwen dabei, die Dämonen aus ihrem Wald zu vertreiben, blast ihr in der nächsten Mission als Ritter Godric zur Vergeltung an der Höllenbrut, während eure Schwester Fiona sich nach ihrem Ableben als Geist in der Unterwelt wiederfindet, von wo aus sie ihre Rückkehr ins Reich der Lebenden mit einer aus dem Boden gestampften Untotenarmee möglichst blutig zu gestalten gedenkt …
Die Geschichte von Clash of Heroes ist zwar DS-typisch reichlich unspektakulär durch – bisweilen kindisch getextete – Sprechblasen präsentiert, mit ihren zahlreichen Personen und Wendungen arg verworren und bedingt originell, erfüllt aber ihre Funktion, den Spieler stets unterhalten durchs Abenteuer zu ziehen.
Auch der Grafikstil folgt der eingeschlagenen JRPG-Richtung geschwätzig epischer Machart: Angesichts des Manga-Aussehens der Helden mit ihren großen Köpfen, grellbunten Haaren und kindlich androgynen Gesichtszügen überrascht es geradezu zu erfahren, dass der Entwickler des Originals, Capybara Games, im kanadischen Toronto ansässig ist. Nach zahlreichen, wenig bekannten Handyspielen und Lizenzumsetzungen zu Disney-Filmen kennt man ihn heute übrigens vor allem für das Indie-Roguelike Below (2018).
Abseits des gewöhnungsbedürftigen Looks kann die Grafik ganz allgemein ihre Herkunft auf dem Nintendo DS nicht verschleiern. Wenngleich sie für die Portierung an hohe Auflösungen durchaus ambitioniert angepasst wurde und den Hintergründen mit ihrem verwaschenen handgezeichneten Zeichentrick-Look noch sowas wie Charme attestiert werden kann, fallen vor allem die Kämpfe, also das eigentliche Herzstück des Spiels, mit ihren kantig animierten, detailarmen Spielfiguren auffallend schmucklos aus. Fast schon wie ein Stilbruch wirkt dazu im Vergleich der über alle Maßen bombastische (aber auch vorzügliche) Soundtrack, der weitgehend aus dem aufwändiger produzierten Heroes V übernommen wurde und mit aller Wucht und vollem symphonischen Orchestereinsatz auf die inszenatorische Pauke haut, die das Spiel mit seiner zurückhaltenden Grafik verfehlt.
Bei Might & Magic: Clash of Heroes handelt es sich sichtlich um ein Spiel, das für die kleinen Bildschirme von Handhelds entworfen wurde und daher vor allem auf der Switch, auf der es nun erstmals verfügbar ist, und womöglich auch dem Steamdeck empfehlenswert. Auf der PS4 (bzw. PS5) muss man schon ein glühender Verfechter der Einstellung sein, die die inneren über die äußeren Werte stellt. Wobei: Erstens sind jene inneren Werte im Falle von Clash of Heroes über jeden Zweifel erhaben. Und zweitens sehen die meisten JRPGs von heute auch nicht viel besser aus, wenn man mal ehrlich ist.
Geniales Kampfsystem
Dann betrachten wir doch einfach mal diese inneren Werte und finden dort im Zentrum das Kampfsystem: Dieses bildet den eigentlichen Geniestreich von Might & Magic: Clash of Heroes: Von damaligen Match-3-Spielen wie Bejeweled und Puzzle Quest inspiriert (der heutige Platzhirsch Candy Crush Saga erschien erst 2012 und damit drei Jahre nach Clash of Heroes) und durch die Rollenspiel-Facetten von Might & Magic bereichert, erweist es sich eher als trickreiche Kniffelei denn strategisches Schlachten. Wir erinnern uns: In Puzzle Quest wurden Kämpfe über ein Match-3-Minispiel ausgetragen, bei dem verschiedene Symbole in Reih und Glied geknobelt werden mussten, um dem Gegner die Leviten zu lesen.
Auch in Clash of Heroes muss so manches gereiht und gegliedert werden: Die beiden verfeindeten Armeen stehen einander auf der oberen und unteren Bildschirmhälfte gegenüber und lassen rundenweise ihre Truppen aufeinander los. Denn – und hier schlägt der Ableger endlich die Brücke zur Heroes-Serie – euer Held hat mehr als nur gute Absichten, sondern, wie vom Vorbild bekannt, zahlreiche schlagkräftige Einheiten im Gepäck, die ihr den Fieslingen im Kampf scharenweise entgegen werft.
Doch statt euren Rittern, Bogenschützen und Drachen direkte Angriffsbefehle zu erteilen, müsst ihr sie durch Verschieben und Auflösen in „Reihe schalten“, um eine Aktion auszulösen. Bringt ihr drei gleiche Einheiten in eine senkrechte Linie, so blasen diese zum Angriff; stehen sie waagerecht nebeneinander, vereinen sie sich zu einem für gegnerische Truppen nur schwer zu überwindenden Schutzwall.
Wie man es von Tetris, Candy Crush & Co. gewohnt ist: So simpel dieses Spielprinzip ausfallen mag, so suchterregend wirkt es. Vor allem weil die Entwickler es mit zahlreichen Ideen angereicht haben, die es weitaus komplexer, abwechslungsreicher und weniger abstrakt als die einschlägigen Artverwandten gestalten.
Besiegte oder „verbrauchte“ Einheiten verschwinden nämlich nicht einfach, sondern können jederzeit als Nachschub zurück aufs Schlachtfeld gerufen werden – mit Ausnahme der Supereinheiten, die bei Verlust für teuer Geld und Rohstoffe erneut rekrutiert werden müssen. Dadurch ergibt sich ein für Strategiespiele ungewöhnliches Ziel: Nicht das simple Beseitigen aller Einheiten ist Dreh- und Angelpunkt eurer taktischen Bemühungen, sondern das Durchbrechen ihrer Linien, um den gegnerischen Helden und seinen Gesundheitsbalken dahinter zu treffen. Erst wenn dieser besiegt ist, ist die Schlacht entschieden.
Das Besondere an Clash of Heroes sind daher die unterschiedlichen Einheiten aus dem „Might & Magic“-Universum, die euch im Kampf zur Verfügung stehen und mit individuellen Eigenschaften, Spezialattacken oder Zaubersprüchen ausgestattet sind: Während die elfischen Hirsche über gegnerische Schutzwälle einfach schulterzuckend drüberspringen, saugen die Vampire der Untoten-Fraktion die Lebensenergie aus besiegten Einheiten und heilen damit den eigenen Helden. Smaragddrachen hinterlassen ein ätzendes Säurebad auf dem Schlachtfeld, und Baumriesen schnüren gegnerische Einheiten mit ihren Wurzeln am Boden fest.
Mit siegreichen Kämpfen erhält nicht nur euer Held beim Levelaufstieg mehr Ausdauer und Angriffsboni, auch eure Truppen steigen in der Stufe auf, teilen in Folge härter aus und stecken mehr ein. Selbstverständlich verfügt jede der insgesamt fünf Fraktionen (jeweils eine pro Kampagne) über ihr eigenes illustres Kreaturenensemble, das sich überraschend nah an dem damals aktuellen fünften „Heroes of Might & Magic“-Teil orientiert: Die Untoten schicken Gift spritzende Zombies und Sensen schwingende Todesritter ins Feld, während die Dämonen lüstern peitschende Sukkubi und Feuer spuckende Teufel in ihren Reihen führen. Die Fraktionen der Elfen mit ihrem Waldtierpark aus Bären und Hirschen, die Menschen mit Rittern und Engeln und schließlich die Zauberer mit den Sagengestalten aus 1001 Nacht komplettieren die heroische Schlachtplatte.
Kreative Ideen und knackige Kämpfe
Das auf Dauer (Spielzeit immerhin 30-40 Stunden) unter Eintönigkeitsverdacht stehende Kampf-Einerlei wird glücklicherweise immer wieder durch feine Ideen aufgelockert: So müsst ihr in manchen Schlachten nicht einfach nur die gegnerische Armee hinfort pusten, sondern euch beispielsweise zu den Hebeln einer Zugbrücke durchschlagen, um diese herunterzulassen, die Bogenschützen von den Zinnen einer Burg schießen oder in einer Art Rätselspiel (ebenfalls ähnlich wie im schon erwähnten Thronebreaker von CD Projekt) eure Truppen so geschickt rangieren, dass sie den Kampf in nur einer einzigen Runde gewinnen.
Besonderes Knobelgeschick erfordern denn auch die gegen Ende immer schwerer werdenden Bosskämpfe, die gleichsam die einzige Schwäche des ansonsten genialen Kampfsystems offenlegen: So hängt der Ausgang insbesondere der härteren Auseinandersetzungen bisweilen stark vom Zufall ab, je nachdem wie die Einheiten zu Beginn auf das Schlachtfeld gewürfelt werden. Wiederum ein Vorteil dieses unsteten Balancing: Ein zunächst aussichtslos erscheinender Kampf ist unter Umständen schon beim nächsten Versuch mit etwas Glück aus der hohlen Hand zu bewältigen.
Schlussendlich ist noch der Multiplayer-Modus erwähnenswert, in dem ihr euch wahlweise online oder im Hotseat mit anderen Spielern messen und sogar wie in einem Tennisdoppel 2-gegen-2 antreten könnt. In Ermangelung von Spielern vor Release konnten wir den aber noch nicht testen.
Definitive Edition – was heißt das?
Dass ein derart altes Spiel nahezu unverändert neu aufgelegt wird, mag für sich bereits ein Kuriosum darstellen, noch dazu dass es nicht beim ehemaligen Publisher und Lizenzeigentümer Ubisoft, sondern von den Indiespiel-Spezialisten bei Dotemu (Turtles: Shredder’s Revenge, Streets of Rage 4, Windjammers) erscheint. Der Beiname Definitive Edition lässt aber darauf hoffen, damit eine ganz besondere Version zu erwerben. Was hat es also damit auf sich?
Nun, tatsächlich nicht viel. Laut Entwicklern wurde die Grafik leicht aufgehübscht und das Balancing im Multiplayer verbessert. Außerdem ist der DLC „I Am the Boss“ enthalten, der aber nicht mehr beinhaltet als ein paar zusätzliche Helden-Charaktere für den Mehrspieler-Modus.
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Die hauptsächliche Daseinsberechtigung dieser Neuauflage dürfte daher neben seiner Verfügbarkeit auf PS4 (und damit auch PS5) vor allem die Switch-Version darstellen, für die das Spiel aufgrund seiner Handheld-Affinität am ehesten geeignet ist.
Dass aber auch alle anderen Spieler einen Blick riskieren dürfen, sofern sie sich mit der bescheidenen Aufmachung arrangieren können, zeigt nicht zuletzt folgender Umstand: Denn eigentlich wollte ich für diesen Test nur schnell ein paar Stündchen reinschauen, um die Erinnerung aufzufrischen, hatte ich das Spiel doch seinerzeit schon auf dem DS durchgespielt. Doch schon nach kurzer Zeit hatte mich Might & Magic: Clash of Heroes so dermaßen am Wickel, dass ich es nun erneut die kompletten 30 Stunden durchgesuchtet habe. Und wenn zum Release erstmal Spieler für den Multiplayer zu finden sind, werde ich auch dort mit Sicherheit noch etliche Runden drehen ...
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