Test - Luigi's Mansion 3 : Herrlich alberner Spaß!
- NSw
Echte Helden laufen nicht einfach jeder Gefahr entgegen. Wahrer Mut zeigt sich, wenn Weicheier ihre Furcht überwinden und trotz aller Ängste das Richtige tun. Luigi ist so ein Held. Bisweilen mag man sich über seine Slapstick-Einlagen und sein völlig überzeichnetes, von Schrecken erfülltes Gesicht scheckiglachen. Doch mit jeder Minute, die er es länger in Sarah Schrecks Geisterhotel aushält, steigt auch der Respekt für sein Durchhaltevermögen. Luigi‘s Mansion 3 ist ein herrlicher Mix aus sanftem Grusel, Humor, Action und Rätselspaß, der den Latzhosenstar endlich auf Augenhöhe mit seinem Bruder bringt.
Was für ein herrlich alberner Spaß! Wenn Luigi bibbernd eine Tür öffnet oder mit völlig entsetztem Gesicht an einem Fenstersims entlangbalanciert, stehen herzhafte Lachanfälle an. Die kindgerechte und stark überzeichnete Gruselstimmung in Luigi’s Mansion 3 kommt wunderbar zur Geltung, wenn man sieht, wie sich der Protagonist beinahe in die Hosen macht. Luigi fürchtet sich stellvertretend für den Spieler und gewinnt dadurch an Sympathie.
Der Held des Spiels transportiert seine Emotionen über die üblichen Videospielgrenzen hinaus, was nur funktioniert, weil die Präsentation noch eine Schippe mehr drauflegt, als man gewohnt ist. Gerade in den Zwischensequenzen von Luigi’s Mansion 3 meint man, einen modernen Animationsfilm vor sich zu haben. Und doch ist nichts vorgerendert. Es werden keine Video-Dateien abgespielt. Hier stellen die Programmierer und Designer wahrlich die Muskeln der Switch zur Schau. Zwar nur bei 30 Bilden pro Sekunde, aber das stört angesichts der gebotenen Qualität keine Sau.
Das schönste Spiel, das Nintendos Switch zu bieten hat
Es sind manchmal sogar nur Kleinigkeiten, die den Unterschied machen. Perfekte Rundungen auf seinem Gesicht, das mit feiner Nadel gestickte „L“ auf seiner Kappe, die Texturen seiner Kleidung, die griffigen Stoff vorgaukeln. Der Grad an Liebe zum Detail, der hier aufgefahren wird, ist reiner Wahnsinn angesichts der Kapazitäten des Switch-Grafikchips. Dabei spart das Spiel wahrlich nicht mit schierer Masse. Grandiose Lichteffekte und viele Transparenzen unterschiedlichster Art erfüllen die Szenerie. Und selbst wenn nicht begeistert die Umgebung immer noch durch ihren Hang zum Chaos.
Wenn Luigi ein Zimmer des Hotels mithilfe seines „Schreckweg-FL-U“-Saugers nach Gold absucht, fliegen buchstäblich die Fetzen. Was auch immer auf den Schränken und Regalen steht, es zittert und wackelt, wenn es nicht gar umfällt und in seinem Saugrohr verschwindet. Steht irgendwas Größeres im Weg, genügt eine abgeschossene Saugglocke samt angebundenem Seil, um das Utensil durch die Gegend zu schleudern und mit einem großen Knall auf dem Fußboden zerschellen zu lassen. Krach! Peng! Schepper! Es rummst an jeder Ecke.
Viel deutlicher und massiger als beim Vorgänger auf dem 3DS leidet das Mobiliar der Hotelsuiten unter Luigis Saugwahn, wodurch ständig Unmengen an Geldscheinen, Münzen, Goldbarren und Perlen zum Vorschein kommen, während der Klempner Kissen, Vorhänge, die Inhalte kompletter Regale und selbst Kleintiere wie Ratten und Fledermäuse einsaugt.
Das sieht nicht nur schön aus, es ist auch eine ungemein befriedigende Angelegenheit, die stark an die Zerstörungsorgien der Lego-Spiele erinnert. Es ist wie beim Aufpoppen von Blasenfolie. Man kann nicht damit aufhören, bis die letzte Blase durch ist. Alles muss aufgesaugt und bewegt werden, bis zum letzten Zipfel.
Diese Beschäftigung ist so befriedigend und zugleich für die finanzielle Versorgung so nötig, dass sie mehr als die Hälfte der Spielzeit beansprucht. Was aber nicht wie Zeitverschwendung oder künstliche Streckung wirkt, weil sie mit der Lösung vieler Rätsel Hand in Hand geht. Luigi sucht hier und da nach versteckten Schlüsseln oder muss Mechanismen in Gang setzen, die ihm den Zugang zu neuen Gebieten ebnen, wenn sie nicht sogar wertvolle Sammelobjekte wie etwa Juwelen oder fiese kleine Buu-Huu-Geister offenbaren.
Das beginnt bei Wasserventilen im Keller und endet bei ganz speziellen Einrichtungen, die jedes Stockwerk exklusiv beheimatet, denn das Hotel besteht nicht nur aus Gästezimmern. Es beherbergt ein Filmstudio, eine Pyramide samt Wüste, einen Konzertsaal, eine Disko und sogar einen mehrstöckigen, völlig überwucherten Öko-Komplex, in dem diverse Pflanzen wild vor sich hinwachsen. Obwohl sich Luigis Fertigkeiten im Laufe des Spiels nur geringfügig ändern, garantieren die thematisch gestalteten Etagen ein breites abwechslungsreiches Spektrum an kleinen Puzzles und Rätseln.
Geisterjagd auf 17 Etagen
Chaos anzurichten ist freilich nicht Luigis Hauptanliegen. Er sucht nach den verlorenen Knöpfen des zentralen Aufzugs, denn in den oberen Etagen des Hotels wurden Mario, Prinzessin Peach sowie drei Toads in magische Geistergemälde gesperrt. Zum Glück beherrscht sein „Schreckweg FL-U“-Sauger einige Tricks, mit denen er den Zauber außer Kraft setzen kann.
Mit der Düsterlampe kann er beispielsweise unsichtbare Gegenstände aufdecken und magische Gemälde knacken. Der blendend helle Stroboblitz erschreckt hingegen feindliche Geister so stark, dass sie kurz einfrieren, was ihm ermöglicht, sie an ihren Zipfeln einzusaugen und gegen ihren Willen quer durch die Gegend zu schleudern.
Diese Geister sind vielfältiger und nicht zuletzt stärker als in den letzten beiden Episoden von Luigi‘s Mansion. Darum ist es nun zwingend nötig, die Unholde zu Boden zu schmettern, bis sie keine Kraft mehr haben, um sich gegen Luigis Sauger zu wehren. Das Wie ist diesmal entscheidend, gerade was die Länge einer Schlacht angeht. Mehrere Geister gleichzeitig ansaugen? Kein Problem, fünf oder sechs bekommt man immer wieder mal auf einmal ins Rohr. Angesaugte Geister auf andere Unholde schmettern? Funktioniert prima und kostet sie viele Lebenspunkte.
Nur sind die Geister diesmal nicht nur stärker, sondern auch schlauer als zuvor. Manche schützen sich gegen den lähmenden Stroboblitz, sei es mit Sonnenbrillen oder durch Schilde, Pfannen und was es sonst noch so gibt. Nur mit der richtigen Strategie entreißt man ihnen die schützenden Utensilien. Das gilt nicht nur für die Boss-Geister einer Etage. Wenn ganze Horden von Widersachern auf einmal ankommen, muss man schnell entscheiden, welcher Geistertyp Priorität hat und wie man ihm am besten beikommt.
Fluigi, das fleißige Helferlein
Wobei die Umgebung manchmal zusätzlich eine Rolle spielt. Siehe etwa der Konzertsaal, in dem ein Geisterensemble beim zweiten Durchforsten eine Ballett-Choreografie aufführt (im rosa Tütü, was zum Totlachen ist!). Aber der Einfluss der Umgebung beschränkt sich nicht auf die Geisterjagd. Versperrte Türen, herabsinkende Stacheldecken, wachsende Sandfluten, verstopfte Wasserleitungen und viele weitere Hindernisse erfordern die Anwesenheit eines Begleiters namens Fluigi. Diesen periodisch benötigten Sidekick steuert man entweder im Wechsel mit Luigi oder überlässt ihn einem zweiten Spieler, der ihn dauerhaft dirigiert.
Fluigi besteht aus grüner Glibbermasse, dadurch kann er sich durch Gitterstäbe oder Abflussrohre pressen und Gegenden erreichen, die Luigi verwehrt bleiben. Agieren beide zusammen, können sie besonders schwere Möbel bewegen und dicke Türen öffnen. Allerdings hat auch Fluigi seine Grenzen. Er ist nicht sehr widerstandsfähig und verträgt kein Wasser. Nur eine kleine Berührung mit dem kühlen Nass genügt, um ihn sofort schmelzen zu lassen, sodass er wieder in Luigis Rückentank zurückkehren muss.
All diese Aktionsmöglichkeiten füllen die Spielzeit auf grandiose Weise, stellen aber auch vor so manche Kopfnuss. Es ist durchaus erstaunlich, dass ein Spiel mit derart kinderfreundlichem Slapstickhumor an mancher Stelle Puzzles auffährt, die einen zwingen, stark um die Ecke zu denken. Und der ein oder andere Boss ist ebenfalls nicht von schlechten Eltern.
Der allgemeine Schwierigkeitsgrad ist zwar moderat – nicht zuletzt dank der unterstützenden Boni, die man mit dem gefundenen Gold aus dem Labor-Shop erwirbt – aber stellenweise doch überraschend steil. Moralische Unterstützung und einige Tipps erhält man immerhin vom Erfinder des Schreckwerg FL-U, Professor I. Gidd (sprecht das mal laut aus). Trotzdem stechen einige Szenen stark heraus und können für kurzzeitigen Frust sorgen. Nichts, was der tolle Charme des Spiels nicht übertünchen könnte.
Übrigens: Wer nach der umfangreichen Kampagne noch immer nicht genug hat, kann sich alleine oder mit bis zu vier Freunden (lokal oder online) den Herausforderungen des Wirrwarrturms stellen. In diesem Spielmodus muss man einen zufällig generierten Turm von fünf bis zehn Stockwerken unter Zeitdruck von Geistern befreien. Noch mehr Multiplayer-Spaß gibt’s im Polterpark, bei dem man (nur lokal) mit zwei bis acht Spielern antritt, um herauszufinden, wer der geschickteste Geisterjäger ist.
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