Special - Ahmet-Kolumne - Indie : Ich hege Groll
Der Indie-Spiele-Hype geht einer Menge Leute auf den Senkel, aber irgendwie möchte es kein Spielejournalist zugeben. Da ich alt bin und nichts mehr zu verlieren habe, wage ich den ersten Schritt.
(Anm. d. Red.: Wie immer bei Gastbeiträgen gilt: Die Meinung des Autors muss nicht zwangsläufig mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.)
„So einfach, so brillant. So menschlich. Gone Home beginnt, wo andere Spiele nur entlang streifen…“, schreibt 4Players im Test. Dem begeisterten Redakteur ist das Indie-Spiel-Erlebnis erstaunliche 91 % wert. (Anm. d. Red.: Auch bei Gameswelt schnitt Gone Home mit 9/10 im Test sehr gut ab.) Ihr kennt das Spiel nicht? Hier die Zusammenfassung: Man spaziert in der Ego-Perspektive durch ein leeres Haus, liest herumliegende Zettel, löst eine Handvoll viel zu leichter Rätsel und wundert sich, warum kein Mensch zu Hause ist. Wurden die Bewohner von Aliens entführt? Hat ein Serienmörder zugeschlagen? Sind sie vielleicht beim Public Viewing? Nach knapp zwei Stunden langweiliger Hausdurchsuchung ist das Spiel vorbei und ihr kennt die Antwort: Es ist niemand zu Hause, weil eure Schwester gay ist.
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Im Endeffekt klickt man sich durch ein Einfamilienhaus und hofft, dass etwas passiert. Es passiert aber nichts. Ihr findet keine anderen Personen, Monster oder Aliens. Stattdessen studiert man Zettel und Tagebucheinträge, die dem Spieler vermitteln möchten, dass die Fassade der heilen Familie bröckelt. Der Vater ist offenbar ein gescheiterter Autor, die jüngste Tochter liebt ein anderes Mädchen und fühlt sich unverstanden. Was locker in einen kurzen Bravo-Leserbrief ans Dr.-Sommer-Team gepasst hätte, wurde zu einem extrem kurzen 20-Euro-Spiel verwurstet.
Würde Electronic Arts diese Summe für ein Download-Spiel mit zwei Stunden Spielzeit verlangen, dann gäbe es einen Shitstorm, der das gesamte Internet zum Erliegen brächte. Weil aber ein Indie-Entwickler hinter Gone Home steckt, der zudem „das heikle Thema“ Homosexualität anspricht, überschlagen sich die Menschen mit Lob. Viele wagen es sogar, Gone Home als Meilenstein des interaktiven Geschichtenerzählens zu bezeichnen. Von einer emotionalen Achterbahnfahrt ist die Rede und von mutigen Entwicklern, die sich nicht davor scheuen, ein heißes Eisen anzufassen. So ein innovatives Produkt sei nur in der Indie-Szene möglich, behauptet ein Kollege, den ich ausgiebig würgen möchte.
Ist ein Spiel automatisch total super, weil es die gleichgeschlechtliche Liebe thematisiert? Ist ein Entwickler total mutig, weil er Schwule oder Lesben in seine Spiele packt? Offenbar schon. In der Filmbranche gibt es ja ein ähnliches Phänomen. Da steigen die Chancen auf einen Oscar automatisch, wenn Schauspieler schwule Charaktere verkörpern: Zum Beispiel Tom Hanks, Jared Leto oder William Hurt. Homosexualität als heißes Eisen zu bezeichnen oder einen Schauspieler für die Verkörperung eines Schwulen als mutigen Helden zu feiern, halte ich für passiv aggressive Homophobie.
Schwulsein ist nämlich etwas völlig Normales, macht einen Menschen nicht schlechter oder besser. Gays gehen einfach nur mit der eigenen Seite ins Bett, und das sollte kaum der Rede wert sein. Erst wenn das auch die vermeintlichen Gutmenschen akzeptieren und keinen großen Rummel mehr darum veranstalten, werden Schwule und Lesben ihre Ruhe haben. Zudem finde ich es komisch, dass Schwule in den Medien immer als Schwächlinge charakterisiert werden. Wer mit einem 20-cm-Objekt im Anus immer noch gut drauf ist, gehört für mich ganz klar in die Riege der Teufelskerle.
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