Test - Anno 2205 : Der Anno-Flow
- PC
Das Telefon klingelt ungehört, an der Tür schellt der Postbote und die Wäsche in der Waschmaschine schimmelt seit drei Tagen vor sich hin – aber das ist uns egal. Wir müssen mehr Vitamindrinks für die Arktismitarbeiter produzieren und IntelliWear für die versnobten Manager in der gemäßigten Zone. Die typische Anno-Suchtspirale wird euch garantiert wieder voll erwischen. Was bei Civilization das Nur-noch-eine-Runde-Symptom ist, schlägt bei Anno als Nur-noch-diese-Produktionskette voll durch.
Die Entwickler von Blue Byte Mainz (Related Designs) krempeln mit Anno 2205 ihre Spielserie komplett um. Liebgewonnene Features wie Handelsrouten von Insel zu Insel und freche KI-Konkurrenten, die euch Inselbauplätze vor der Nase wegschnappen, sind passé. Waren und Handel sind im Gegensatz zu den alten Anno-Teilen noch abstrakter worden. Früher gab es zwar die “inselweiten Warenlager”, aber wir konnten Wein und Weizen wenigstens immer als kleine Icon-Plättchen in den Laderäumen unserer Handelskoggen verstauen.
Schlechte Zeiten für Piraten
Auf von uns persönlich angelegten Handelsrouten schipperten unsere Schiffe sichtbar durch die Inselwelt, wo sie mit etwas Pech und schlechter Planung Opfer eines Piratenschiffs wurden. In Anno 2205 sind die Handelsrouten auf der Strategiekarte zu finden und werden durch orangefarbene Linien repräsentiert. Mit einem Schieber stellen wir ein, welche Menge an Cyber-Implantaten oder Superlegierungen zwischen der Mondbasis und dem Arktislager hin- und hergeschoben werden.
Kampagne und Endlosspiel verschmolz Blue Byte zu einer Einheit, bei der sich eure Städte nicht mehr separat speichern lassen - es gibt nur noch einen einzigen Spielstand für euren Fortschritt, den Anno automatisch in der Cloud anlegt. Sogar die Kampfeinsätze haben die Entwickler ausgelagert. Fiese Umweltkatastrophen wie ein Tornado oder ein Vulkanausbruch wurden gänzlich gestrichen.
Eine Welt aus Marshmallows
Unseren Städten kann kein Unheil geschehen – weder Korsaren noch Tsunamis stören unseren friedlichen Bau- und Optimierungsflow. Die Spannung in Anno 2205 findet man nun eher in den Stromgeneratoren. Brechen für die Anno-Fans damit harte Zeiten an? Mitnichten, denn die 2205er-Ausgabe entschädigt dafür mit einer noch nie da gewesenen Spieltiefe, was den Tüftelfaktor angeht. Eine positive Bilanz zu erwirtschaften erweist sich als deutlich anspruchsvoller als in den Vorgängern. Das weckt den Ehrgeiz, so effizient wie möglich zu wirtschaften, und so konfiguriert ihr eure Gebäude mit den neuen Wartungsmodulen zu Energiesparwundern oder auf schlanke Logistik hin um.
Dummerweise kosten die erwähnten Wartungsmodule Spezialressourcen wie Iridium oder Magnetit, die ihr nicht einfach so in euren Fabriken herstellen könnt – stattdessen müsst ihr sie euch durch Stufenaufstiege, Nebenmissionen und Kampfeinsätze verdienen. Das erinnert unvorteilhaft an die Premiumwährungen aus Ubisofts zahlreichen Versuchen, viele Spielreihen als Free-to-play-online-Version zu etablieren.
Module, die die Welt bewegen
Noch wichtiger als die Wartungsmodule sind die Erweiterungsmodule, die für jedes Produktionsgebäude erhältlich sind. Rechnerisch ist es nämlich in Anno 2205 immer günstiger, zum Beispiel einen zusätzlichen Molybdänbohrkopf ans Bergwerk oder ein weiteres Konservendosenfließband an die Fischfabrik anzudocken, als jedes Mal ein separates Gebäude hochzuziehen. Manche Modulkombinationen sind jedoch eher sinnlos. Arbeitskraft- und Logistikmodule sind völlig egal, da ihr immer über ausreichend Mitarbeiter oder Frachtlager verfügt. Viel wichtiger: bei teuren Stromproduktionsgebäuden den Finanzrechner anzudocken, um die Kosten zu reduzieren oder durch Akkumulatoren Energie zu sparen.
Kommentarezum Artikel