Special - Wir brauchen mehr kurze Spiele – Kommentar : Zeit > Drama und Logik
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Joel und Ellie haben einen heftigen Streit. Bevor das Gespräch jedoch eskaliert, wird das Charakterpaar von gefährlichen Clickern attackiert. Als Joel die Situation mit einer heftigen körperlichen Auseinandersetzungen klärt, bemerkt er, dass von Ellie jede Spur fehlt. Er ist aufgebracht, besorgt, wütend und ängstlich. Er muss nicht lange nachdenken; er sattelt ein Pferd und begibt sich auf die Suche nach dem Mädchen. Die Stimmung ist stark angespannt.
Joel entdeckt im Matsch Spuren eines Pferdes, auf dem Ellie geritten sein muss. Der sichtlich ängstliche Mann folgt der Fährte, so schnell es nur geht, und weicht dabei jedem Hindernis so aus, als würde es um sein Leben gehen. Die Spur ist noch frisch, das Mädchen kann nicht weit sein. Plötzlich wird Joel von einer zwielichtigen Bande hinterrücks angegriffen. Er muss vom Pferd steigen und jeden einzelnen Söldner ausschalten, ehe er seine Suche fortsetzen kann. Warum diese intensive Situation von gesichtslosen Gegnern gestört wird? Weil wir uns in einem Videospiel befinden.
Ich liebe The Last of Us. Kein Spiel der vergangenen Konsolengeneration hatte eine Handlung, die mich so sehr einnehmen konnte wie die des Titels von Naughty Dog. Ich möchte sogar sagen, dass das Action-Adventure einer der wichtigsten und narrativ mutigsten Titel ist, die ich jemals gespielt habe. Und dennoch, The Last of Us und ich haben ein Problem. Ein Problem, das in der Videospiellandschaft eher ungewöhnlich ist und für sehr viele Spielerinnen und Spieler zunächst bizarr wirkt: The Last of Us hat eine zu lange Spielzeit.
Ist das nicht ein Widerspruch? Kann man von etwas Gutem überhaupt genug bekommen? Tatsächlich geht das, vor allem wenn der positive Aspekt überstrapaziert wird und die Gesamterfahrung darunter leidet. Die oben beschriebene Situation ist hierfür der perfekte Präzedenzfall. Wir haben als Spieler unzählige Stunden mit Ellie verbracht und mit ihr diverse schreckliche Situationen überstanden. Als das Mädchen anschließend verschwand, war nicht nur Joel die Angst anzusehen, sondern auch uns Spielern. Wir waren extrem angespannt und haben uns bereits Horrorszenarien ausgemalt, noch bevor wir den Ernst der Lage richtig einordnen konnten.
Stellt euch diese Situation als Entwickler vor. Wie würdet ihr euch den Fortgang dieser Szene wünschen? Ich hätte versucht, die Spannung aufrechtzuerhalten, und jede noch so kleine Störung vermieden, die euch aus eurem intensiven Zustand reißen könnte. The Last of Us hat gerade in diesem Moment einen stümperhaften Fehler gemacht. Statt euch bis zum Ende der Situation einen inneren Kampf ausfechten zu lassen, hat das Spiel die Suche mit einer Welle von Gegnern unterbrochen. Dieser Fehler ist auf mehren Ebenen gravierend.
Zeit auf Kosten der Dramaturgie und Logik
Zum einen ist diese Unterbrechung nicht logisch. Warum konnte Ellie ungehindert an der Gegnerwelle vorbeireiten? Die Spur war frisch und führte direkt in das Lager der Gegner. Das Mädchen hätte gesehen werden müssen. Stattdessen wurde nur Joel und damit der Spieler mit der Meute konfrontiert. Darüber hinaus hat der Feindkontakt die zuvor angespannte Situation dramaturgisch auf den Nullpunkt gebracht. Der Angstzustand geriet in den Hintergrund, stattdessen mussten wir unsere Aufmerksamkeit den Gegnern schenken.
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