Test - Red Solstice 2: Survivors : XCOM auf dem Mars
- PC
Strategiespiele vom Schlag eines XCOM umgarnen ihre Fangemeinde mit nervenzerfetzenden Schlachten und taktischen Konstellationen, die das Hirn zum Rauchen bringen. Die eher statische Natur des Stellungsspiels macht die Angelegenheit jedoch wenig dynamisch. Darum zieht Red Solstice 2 die Sache von der anderen Seite auf.
Immer wieder muss ich an Gears of War denken, während ich meinen fingernagelgroßen Sci-Fi-Soldaten in Vogelperspektive über die Oberfläche des Mars dirigiere. Der blumig „Vollstrecker“ genannte Protagonist ist ein Schrank von einem Ballerfritzen, der sich behäbig bewegt und das Wort Wendigkeit nur aus dem Wörterbuch kennt, aber stark austeilt, wenn es darauf ankommt. Maschinengewehr und Super-Flinte hat er immer dabei, für den Fall, dass ihm Feinde auf den Pelz rücken.
Aufgrund seiner eingeschränkten Beweglichkeit muss ich strategisch vorgehen. Wann kommt welche Waffe zum Einsatz? Wo bietet die Umgebung den besten Deckungsschutz? Wann ist es sinnvoll, Minen als erste Hürde zu legen? Gutes Futter für strategische Schlachtenplanung, wenn auch mit einem gewaltigen Unterschied zu den genreüblich statischen Kollegen: in Red Solstice 2 muss der Berg zum Propheten watscheln. Trotz Gegnerwellen, die immer wieder auf den Helden einprasseln, kann er nicht einfach an einer Stelle verweilen. Ich schubse ihn von Schauplatz zu Schauplatz und arbeite das lokale Gegneraufkommen ab – ähnlich wie bei Gears of War, nur aus der Vogelperspektive. Knallige Explosionen und aufpeitschende Musik inklusive.
Beklemmende Schlachten gegen Mutanten
Wenn ich Marsoberfläche sage, dann kann das allerdings falsche Erwartungen wecken. Rostrotes Felsenterrain steht selten auf dem Programm, denn in der Zukunftsvision von Red Solstice 2 wurde der Mars längst besiedelt. Breite Asphaltstraßen bilden Täler zwischen hochtechnisierten Gebäudeblöcken, die von blassem Laternenlicht bestrahlt werden; stumpfe Metallplattformen überziehen die Oberfläche des Planeten mit einer künstlichen Haut, auf der monströse Industrieanlagen sitzen. Schaut doch mal ein wenig roter Fels aus der menschgemachten Infrastruktur heraus, dann steht darauf mit höher Wahrscheinlichkeit ein explosives Fass, ein Heilungspack oder eine Kiste mit Munitionsnachschub.
Mag es noch so seltsam klingen, dem trockenen, unwirtlichen und kühlen Mars eine Art Idylle zuzugestehen; das was Siedler aus ihm geformt haben, ist in all seiner artifiziellen Kälte noch bizarrer und befremdlicher. Wenn es nach der Vision des kroatischen Studios Ironward geht, hat die Menschheit jedenfalls nicht das Geringste aus ihren Fehlern gelernt und verunstaltet den Mars ebenso gnadenlos wie einst die Erde.
Diese alte Heimat existiert noch, aber für die Bewohner des Mars ist sie nur eine blasse, unerreichbare Erinnerung. Der Kampf ums Überleben hat jegliche Priorität verschoben, denn ein Virus verwandelte schon vor einiger Zeit den Großteil der Menschen in entstellte Mutanten, die blind alles angreifen, was sich bewegt.
Wenn ein Elite-Soldat im Spezial-Kampfanzug in dieser Umgebung den Namen Vollstrecker trägt, dann sagt das einiges aus. Trotzdem geht es in Red Solstice 2 nicht primär um das Ausradieren von Mutanten. Sie stehen dem Helden im Verlauf der Geschichte (angeblich) lediglich im Weg. Vielfältige Aufträge und Nebenmissionen entfalten behutsam die Verflechtungen zwischen der Ausbeutung des Mars durch gierige, rücksichtslose Konzerne, dem Virus und den letzten Hoffnungen, die den Überlebenden noch bleiben. Missionen, die bis zu acht online interagierende Spieler im Verbund angehen dürfen.
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Was für ein vielversprechendes Setting! Beklemmend, düster, effektgeladen und bleiverseucht! Nur leider am Anfang nicht halb so spannend, wie Ironward es mir bei Spielbeginn verkauft. Der Grund dafür hat einen einfachen Namen: Leerlauf. Aus irgendeinem Grund nimmt Red Solstice 2 nur schleppend Fahrt auf, was gerade am Anfang tödlich ist, da das spärliche Tutorial, welches Steuerung und grundsätzliches Spielprinzip erklärt, mit wenigen handfesten Beispielen daherkommt.
Infolgedessen vergisst man einige Funktionen der Tastatursteuerung schnell: „Ääh, welcher Knopf aktiviert nochmal die Schussautomatik?“ Der Vollstrecker läuft gefühlte Ewigkeiten durch leere Flure, schießt in den ersten Missionen gelegentlich mal auf vereinzelte Mutanten und folgt derweil einem Pfeil, der ihn zum nächsten Schlüsselevent führt. Hier befreie ich weniger talentierte Soldaten aus einem Hinterhalt, da lotse ich sie zum nächsten Evakuierungspunkt. Dazwischen liegt viel Nichts, beziehungsweise unnötig lange Laufwege durch Umgebungen, die zwar technisch sehr ordentlich aussehen, aus der Vogelperspektive aber wenig Schauwert besitzen. Und mag die Unreal-Engine-Beleuchtung auf den dunklen Straßen technisch noch so sauber sein, es gibt zu wenig Erinnerungswürdiges zu sehen. Schöne Explosionen sind eben nicht alles.
Zum Glück ist Eintönigkeit kein Dauerzustand. Dank eines mobilen Hauptquartiers dirigiere ich den Vollstrecker kreuz und quer über die Weltkarte und finde schnell aufregendere Missionen. Vornehmlich an Orten, an denen das Vorkommen von Mutanten laut Analyse besonders hoch ist. Die Steigerung der Kampfintensität und des strategischen Anspruchs (Stellung beziehen, gegenseitige Deckung sichern, Munition horten, Upgrades einsetzen) zieht zwar nicht schnell an, aber sie ist präsent.
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Und doch werde ich in der Einzelspieler-Kampagne das Gefühl nicht los, dass irgendetwas fehlt. Viele Dinge weisen darauf hin, dass Red Solstice 2 als Multiplayer-Erlebnis erdacht wurde. Angefangen bei den Sprachsamples wie etwa der Bitte des Helden, ihm beim Nachladen Deckung zu verschaffen, was in einer Solo-Säuberung keinen Sinn ergibt (selbst wenn man ein paar NPCs aufliest, die mitballern), bis hin zu Örtlichkeiten, die eindeutig auf Massenschlachten hinweisen, die nicht stattfinden. Wer nach dieser Erkenntnis seinen Fokus auf Online-Koop-Schlachten verlagert, entwickelt kein schlechtes Gewissen. So erging es mir jedenfalls, weil selbst die generischen, wenig aufschlussreich gestalteten Menüs die Gelegenheit zur Durchspiel-Motivation verstreichen lassen. Ich musste dem Spiel jegliche Story-Entwicklung aus der Nase ziehen.
Der Haken der Kampagne liegt in ihrer mehr als nachlässigen Präsentation. Logs und Missionsdetails geben nur kleine Fetzen der Rahmenhandlung Preis und verlangen obendrein eine selbstständige Verfolgung der Ereignisse. Tut man das nicht, klappert man buchstäblich eine gesichtslose Mission nach der anderen ab.
Wo bitte geht’s zum Upgrade?
Dass zwischen den Aufträgen einiges an Management offensteht, ändert daran nichts. Wie und warum man Spezialisten zur Forschung einteilt und somit an jedem fixierten Ort der Karte von Ressourcen-Vorteilen beziehungsweise Upgrades profitiert, wird nämlich nicht ausreichend erklärt.
Ebenso wenig, wie und warum man sowohl in den militärischen Rängen aufsteigt oder die Kämpferklasse wechselt. Jedenfalls nicht im Laufe des Spiels. Einzig eine ausladend lange, in den Menüs vergrabene Spielanleitung gibt darüber Aufschluss. Anfänger laufen somit nicht nur Gefahr, diesen Teil der Menüs zu übersehen, sie stehen auch an Messers Schneide in der Spielmotivation, wenn sie mangels nötiger Upgrades ständig sterben.
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