Test - Nintendo NES Classic Mini : Als Nintendo noch König war
Dass nur 30 Spiele im Speicher schlummern, ist noch bedauerlicher, wenn man das Potenzial der Maschine erkennt, denn das Nintendo Classic Mini gleicht intern in vielerlei Hinsicht einem Raspberry Pi. Ein android- und linuxkompatibler Quad-Core-Prozessor kümmert sich um die Emulation und 2 Gigabyte Arbeitsspeicher dienen als Kurzzeitgedächtnis. Das erscheint grotesk, wenn man die kleine Flash-Festplatte mit ihren 512 MB Speicher dagegenhält. Viermal mehr flüchtiger als fester Speicher? Man könnte spekulieren, dass Nintendo schlicht keine kleineren Komponenten zum erschwinglichen Preis gefunden hat.
512 MB Flash-Speicher sind trotzdem mehr als genug, um alle NES-Spiele, die jemals erschienen sind, auf einmal festzuhalten. Inklusive Emulator, Auswahlmenü, vier optionaler Speicherstände je Spiel und der witzigen Demoanimationen, die automatisch abgespielt werden, wenn man den Controller eine Weile ruhen lässt, wurden wahrscheinlich nicht einmal 100 Megabyte verbraten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis findige Bastler versuchen werden, den Rest mit Abbildern weiterer NES-Klassiker zu füllen. Illegal, wohlgemerkt, aber wer soll das schon prüfen? Die kleine Konsole verfügt weder über einen Internet-Anschluss noch über sonstige Verbindungen zur Außenwelt, wenn man vom HDMI-Port, von der USB-Stromversorgung und den zwei Joypad-Buchsen absieht.
Apropos Joypad: Es wird nur ein Controller mitgeliefert. Er fühlt sich genauso an wie das Original und ist vermutlich baugleich – mit Ausnahme des Anschlusses, der dem der Wii-Controller entspricht. Darum kann man das NES-Controller-Remake auch problemlos mit der Virtual Console der Wii U verwenden, sofern man ihn an eine Wii-Remote klemmt. Einzig das mit 60 cm sehr kurz geratene Kabel nervt, was im Endeffekt aber nicht weiter schlimm ist, weil man für jeden Spielwechsel (oder das Anlegen eines neuen Spielstands) den Reset-Knopf an der Konsole betätigen muss. Wollt ihr nicht ständig von der Couch aufstehen, so müsst ihr das Gerät sowieso in unmittelbarer Nähe platzieren. Da empfiehlt sich ein besonders langes HDMI-Kabel.
Ausgabeverzögerung: Das Kryptonit der 8-Bit-Spiele
Alternativ könntet ihr den Anschluss an einen PC-Monitor erwägen. Dann hättet ihr die Kiste sowieso direkt vor der Nase und ein Problem weniger. Was euch an einem HD-Fernseher nämlich mit absoluter Sicherheit auf den Zeiger gehen wird, ist die unvermeidbare Ausgabeverzögerung. Selbst bei aktiviertem Spielemodus ist die Latenz zwischen Joypad-Kommando und Darstellung auf dem Bildschirm bei manchen Spielen zu groß. Siehe die Laser-Barrieren im Flash-Man-Level von Mega Man 2 oder die letzten drei Gegner im Boxspiel Punchout!!. Typisch für Spiele aus dieser Ära, werden manchmal Reflexe verlangt, die in den Millisekundenbereich gehen.
Wenn euer Fernseher selbst im Spielemodus der Bildausgabe noch 50 Millisekunden hinterherrechnet, müsst ihr wahrlich die Reflexe eines Ninja haben, um die Verzögerung zu kompensieren. An einem PC-Monitor, der in der Regel erheblich geringere Latenzen aufweist, löst sich das Problem in Wohlgefallen auf. Allerdings müsst ihr dann den Sound über eine zweite Quelle einschleifen oder einen PC-Monitor mit eingebauten Lautsprechern verwenden. Musik und Sound-Effekte kommen ausschließlich über das HDMI-Signal.
Anderweitig gibt es keine Probleme in Sachen Grafik. Im Gegenteil, bezüglich Farbpalette und Spielgeschwindigkeit handelt es sich sogar um die authentischste Emulation weit und breit. Dagegen wirkt die Virtual Console auf Wii und Wii U geradezu schlampig – Sprite-Flackern und andere typische Schwächen inklusive. Einzig beabsichtigtes Bildflackern, wie bei der Auswahl eines Gegners in Mega Man 2 zu sehen, wird von der Konsole nachträglich unterdrückt. Warum? Keine Ahnung. Vielleicht um Spielern, die unter fotosensitiver Epilepsie leiden, den Spielgenuss zu ermöglichen.
Das Nintendo Classic Mini lässt euch sogar die Wahl zwischen drei Darstellungsmodi: Der erste Modus gibt das Bild im originalgetreuen Pixelverhältnis wieder, also genau so wie es die Konsole intern berechnet. Sie nutzt allerdings eine Auflösung von 256 x 224 Pixeln beziehungsweise in der 720p-Skalierung 768 x 672. Das wirkt in der Breite gestaucht weil das Bildverhältnis nicht auf das eines Röhrenfernsehers aufschließt.
Wählt ihr den 4:3-Modus, wird das Bild auf die Breite einer alten Glotze gestreckt, was den Nachteil einer unregelmäßigen Pixelwiederholung mitbringt. Das fällt durchaus auf, wenn man genau hinschaut, ist aber kein Weltuntergang. Abhilfe schafft Option drei: eine CRT-Simulation, die schwarze Lücken zwischen die skalierten Pixel zeichnet, leichtes Flimmern simuliert und somit den Eindruck eines unscharfen alten Fernsehers perfektioniert. Nicht jedermanns Geschmack, aber eine klasse Lösung mit Retroflair.
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