Test - Nintendo Switch Hardware-Test : Hardware, Controller, Akku, Interface – der große Rundumtest
- NSw
Spielspaß vor Technik
Die große Frage, ob die Switch eher Handheld-Liebhaber anspricht oder Konsoleros, die zu Hause spielen, lässt sich nicht pauschal beantworten. Aber wir neigen zur Handheld-Philosophie. Immerhin steckt im Gehäuse Technik, die für mobile Geräte entworfen wurde. Allem voran der zentrale Tegra-X-Chip von nVidia, der sowohl Basisoperationen ausführt als auch die Grafik berechnet.
Es geht zwar um eine Spezialanfertigung des ersten Tegra-X-Modells, das womöglich ein paar zusätzlich Kniffe, schmalere Leiterbahnen (16 Nanometer) und einen höheren Arbeitstakt auf dem Kasten hat, aber eben nicht um einen Tegra 2 auf Basis der Pascal-Technologie. Damit verpuffen alle Hoffnungen, die Switch könnte technisch halbwegs mit den bereits vier Jahre alten Konkurrenten Xbox One und PlayStation 4 mithalten.
Technikaffine Grafikfetischisten werden somit keine Freudentänze aufführen, wenn sie die Switch als Heimkonsole betrachten. Andererseits stellt Nintendo hier den stärksten und in Sachen Bedienung flexibelsten Handheld aller Zeiten vor. Und mal ehrlich: Dass die eierlegende Wollmilchsau in allen Disziplinen vorne mitspielt, war allein anhand des Preises von 330 Euro bereits ausgeschlossen.
Kein Grund, den Kopf hängen zu lassen. Ihr solltet das Glas lieber als halb voll statt als halb leer betrachten, denn anstelle einer kompromisslos auf Leistung getrimmten, großen Kiste, die im Betrieb heiß wird und einen lauten Lüfter anwirft (siehe PlayStation 4 Pro), liefert Nintendo eine kleine, leise, sehr schmale Maschine, die ungemein viel Kraft auf kleinster Fläche generiert. Ihre genauen Maße inklusive Joy-Cons liegen bei 23,5 cm Breite, 10 cm Höhe und 1,4 cm Tiefe (ohne herausstehende Analog-Sticks, die belegen nämlich noch einmal etwa 1 cm Tiefe). Mitsamt den 400 g Gewicht zwar kein Gerät, das blitzschnell in der Hosentasche verschwindet wie einst der Ur-Game-Boy, aber locker klein und leicht genug für jede Studententasche.
Wir wissen durch diverse Aussagen seitens des Managements aus Kyoto, dass die Switch stärker ist als eine Wii U. Selbst bei konservativer Rechnung in Anbetracht der ersten Tegra-X-Generation bringt die Switch im Heimkonsolenmodus die zweieinhalbfache Leistung einer Xbox 360 auf die Waage, was locker genügen sollte, um schöne Spiele auf die Mattscheibe zu zaubern.
Dockt ihr das Gerät ab und nutzt es unterwegs, verringert sich der Arbeitstakt der internen Chips um mehr als die Hälfte, was aber immer noch einer Xbox 360 für unterwegs gleichkommt – mit mehr Arbeitsspeicher, einem Touchscreen und schnelleren Datenträgern, versteht sich. Einsparungen im Handheld-Modus haben obendrein zweierlei Vorteil beziehungsweise Begleiterscheinungen, denn die Switch benötigt für die Darstellung auf dem eingebauten Screen nicht ganz so viel Power, weil sie alle Grafikberechnungen auf 720p oder gar darunter legen kann.
Auf dem Bildschirm, der mit seiner 6,2-Zoll-Diagonale groß genug ist, um ordentlich zu spielen, aber nicht zwingend alle Grafikdetails auf den ersten Blick offenbart, kann viel gemogelt und gespart werden, ohne dass es gleich auffällt. In diesem Licht betrachtet, ist die Switch ein kleines Wunderwerk der Effizienz.
Trotzdem liegt die Zukunft der Switch noch im Ungewissen. Es ist unwahrscheinlich, dass sie stark genug ist, um von Rockstar Games für das nächste GTA berücksichtigt zu werden, und auch andere Dritthersteller werden nicht ihr gesamtes Portfolio umsetzen. Sollten die wenigen Portierungen und Spezialanfertigungen, die vermutlich anstehen, geringe Absätze generieren, könnte es der Switch ähnlich ergehen wie der Wii U. Wer das Angebot der typischen Third-Partys voll ausreizen möchte, trifft mit Nintendos Hybrid-Konsole wahrscheinlich die schlechteste Wahl.
Als Zweitkonsole ist sie deutlich attraktiver, allein schon wegen Nintendos einzigartigen Inhouse-Angebots. Zudem ist technische Differenz nicht immer ein Hindernis. Distinktive Technik kann eine Chance sein, siehe das Beispiel Classic Game Boy. Dessen Schwarz-Weiß-Screen zwang Lizenznehmer der Neunzigerjahre zum Umdenken, zum Neuentwerfen und Abwandeln. Dadurch konnten Game-Boy-Spieler auf eine schier unendliche Anzahl Unikate zurückgreifen. Heute würde man wohl von Exklusivtiteln sprechen. Sollte Nintendo mit der Switch eine eigene Nische finden, wie vor elf Jahren mit der Wii, besteht kein Grund zur Trübsal.
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