Special - Traumjobs und Kreativdrohnen : Rädchen im Getriebe
Denn um genau das geht es letztlich: ein Produkt. Ganz gleich, ob es sich um ein Magazin, eine Website oder ein Spiel handelt. Gegenstand aller Bemühung ist ein Produkt, das gemäß bestimmten Qualitätsstandards zum Termin X fertig sein soll. Zugegeben: Das klingt ziemlich leidenschaftlos. Innerhalb des kreativen Umfelds, in dem dieses Produkt entsteht, wird das immer wieder gerne vergessen.
Das ist verständlich, da Kreativität zu einem Großteil vom Herzen kommt. So ist es nur natürlich, wenn man sich mit dem Produkt ebenso wie mit der Arbeit identifiziert. Und das so stark, dass man beginnt, alle möglichen Dinge persönlich zu nehmen, wie zum Beispiel die Kritik an der eigenen Arbeit, den eigenen Ideen und so weiter. Noch heute vergesse ich das hin und wieder gerne.
Viele werfen das Handtuch
Doch inzwischen ist die Games-Branche um ein Vielfaches größer als während der 90er. Mit ihrem Wachstum sind Jobs beziehungsweise Ausbildungsplätze entstanden, von denen wir früher nicht mal hätten träumen können. So wimmelt es inzwischen von Hochschulen mit staatlichen oder nicht staatlichen Abschlüssen, die Studiengänge und Ausbildungen rund ums Spiel anbieten. Ebenso wie jedes Jahr aufs neue etliche Praktikanten, Azubis und Volontäre in die Redaktionen gespült werden, pilgern immer mehr Schulabgänger in die Branche, um ihr Glück als 3-D-Grafiker, Concept-Artist, Storyboard-Autor, Programmierer, Audioarchitekt, Producer und so weiter zu versuchen.
Auch Zocken ist harte Arbeit
Sie finden sich mit glänzenden Augen in einer Fakultät oder einem Entwicklungsstudio ein, weil sie in einer Branche arbeiten möchten, die sie vermutlich für die coolste und spaßigste der Welt halten. Nur um dann gehörig desillusioniert zu werden: Nicht wenige werfen bereits während früher Semester oder der ersten Monate im neuen Job das viel zitierte Handtuch, weil sie erkannt haben, dass in der ach so launigen Medienbranche sehr ernsthaft gearbeitet wird. Und weil neben dem einen spezifischen Talent, das zu ihrer Arbeit gehört, vor allem die Fähigkeit gebraucht wird, sich durchzubeißen und trotzdem weiterzumachen.
Blasiertheit ist deplatziert
Es bringt nichts, der beste Illustrator der Welt zu sein, wenn man es nicht schafft, die eigenen Arbeiten nach Vorgaben abzuliefern und sich entsprechende Kritik gefallen zu lassen. Darum war eine meiner ersten Lektionen im Job: Lerne, dein Ego auszuknipsen. Hört sich irgendwie nach einem religiösen Mantra an – aber ja, ein bisschen Demut hat in der Kreativbranche noch niemandem geschadet. Man darf ruhig stolz auf seine Fähigkeiten sein, aber Blasiertheit ist deplatziert.
Ja, ich weiß, wir leben im Zeitalter von "Downshifting", "Political Correctness" und gezielter Entschleunigung – und Atteste mit "Burnout" oder Kur-Rezepte wegen Überarbeitung werden heute genauso großzügig unters Volk geworfen wie beim Fasching die Bonbons. Keine Frage: Wer den betreffenden Job seit Jahrzehnten ausübt, der darf auch mal ein bisschen ausgebrannt sein.
Sonnenbrillen verbergen die Augenringe
Sich stilecht in eine Zwangsjacke verfrachten lassen und dabei richtig schön verrückt mit den Augen rollen. Und danach vielleicht mal für eine Weile was anderes machen – Kisten stapeln, Autos waschen. Auftragen – polieren. Doch abgesehen davon ist man gut beraten, wenn man übermäßige Empfindlichkeit und ausgeprägtes Mimosentum unter dem Kopfkissen lässt. Lieber upgraden als downshiften.
Aber den Verlockungen eines vermeintlichen Spiel- und Spaß-Shambhalas zu erliegen, das ist natürlich menschlich. Schließlich hört man immer wieder von den paradiesischen Zuständen, die in vielen Spielefirmen herrschen sollen: eigene Fitness-Center und Billard-Tische. Arcade-Automaten, dschungelartige Chillout-Gebiete. Köche, die dir deine Wunschgerichte an den Arbeitsplatz bringen. Sogar persönliche Massiersklaven gibt es, die einem die Knötchen aus den Schultern fummeln. Klarer Fall: Ein Job in der Games-Branche – das ist das wahre Leben!
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