Test - Inner Chains : Der blanke Horror! In jeglicher Form ...
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Flieht, ihr Narren! Lasst euch nicht von der Schönheit täuschen, sonst rennt ihr in euer Verderben. Inner Chains von Telepaths Tree ist wie eine Blume, die mit ihrem Duft lockend Insekten in den sicheren Tod zwingt. Wir sehen die atemberaubende Grafik im Trailer und marschieren wie gebannt zum Kaufregal, physischer oder digitaler Natur. Der Horror, der im Gegenzug in euren Besitz übergeht, ist jedoch viel tiefer und bösartiger, als ihr hättet vermuten können.
Da seid ihr also. Ein namenloser Irgendwer auf einem todgeweihten Planeten im Nirgendwo. Gefangen in einer Welt, die unter den gleichen Missständen leidet wie in jeder anderen Zeit, in jeder anderen Dimension und auf jedem anderen Planeten, auf dessen Oberfläche wir jemals die Kontrolle eines uninteressanten Muss-wohl-Helden übernommen haben.
Hier ein Pilger, der zu der unglücklichen Erkenntnis gelangt, dass seine Kaste aus einem Haufen Kraftausdrücken besteht, die ich hier nicht schreiben darf. Also raus aus dem Prolog und rein in die schlauchartige Welt, wo natürlich alles und jeder unser Feind ist, dafür die Wahrscheinlichkeit zu überleben erstaunlich hoch wirkt und technische Baufehler Gottes dafür Sorge tragen, dass unvorbereitete Besucher dieses Szenarios entnervt ihren Hut salzen und sich einverleiben.
Der Mensch ist doch ein Augentier …
… schöne Dinge wünsch ich mir. Das Versprechen des Trailers, optischer Anspruch in seiner oberflächlichsten Form, wird ohne Wenn und Aber eingehalten. Die Welt, ihre Bewohner, vor allem die faszinierenden Symbiosen aus Maschinen und Pflanzen und quasi alles, was euer Auge ohne zweiten Blick erfasst, hält der anfänglich tief angesetzten Messlatte stand.
Dann beginnt der Horror, den Inner Chains schließlich versprochen hat. Erst schleichend, verstohlen im Schatten, wie die ersten Fehler in der Spielmechanik oder grausige Pixelhaufen im Detail. Nach wenigen Minuten bereits deutlicher und aufdringlicher, wenn offensichtlich wird, wie oft sich das Immergleiche im Kreis dreht und sich selbst in den Hintern beißt, wie wenig das Spiel eigentlich zu bieten hat.
Und schlussendlich wie mit dem Hammer auf den Kopf, wenn die Framerate sich im Keller ein Loch gräbt, das Spiel je nach Lust und Laune abstürzt und die ungenaue Steuerung die Toleranz für Indie-Titel auf ein Minimum zusammenstaucht. Keiner unserer Feinde stellt eine nennenswerte Gefahr dar. Gegrillt wird, was sich mit uns anlegt. Fordernd ist nicht nur anders, es ist das genaue Gegenteil.
Schrei nicht so, ich bin nicht taub
Ganz ähnlich verhält es sich in Sachen Horror. Den gibt es. Wie oben beschrieben in Form von technischen Problemzonen so groß wie der Äquator und in Gestalt des Grauens, noch immer nicht den Abspann erreicht zu haben. Abgesehen von der erfrischend grotesken Welt gibt es keinerlei Elemente, die zu irgendeinem Zeitpunkt als erschreckend deklariert werden könnten.
Die Soundeffekte setzen dem Ganzen sozusagen das schwarze Hütchen auf, wenn sie sich von Anfang bis Ende weigern, mit dem Rest des Spiels zu harmonieren. Anfängliche Hoffnung auf eine ebenso düstere Gesamtatmosphäre wie die, die uns die schaurige Welt und ihre Sehenswürdigkeiten versprechen, wird mit Wurzel und Stiel ausgerissen und auf den Kompost geworfen. Fressen für die Würmer.
Der künstlerische Stil, so löblich er auch sein mag, macht eben nicht alles aus. So bleibt nur noch ein einzelnes Versprechen von Inner Chains übrig, das wir noch nicht in der Luft zerfetzt haben. Ich spreche vom Adventure-Anteil.
Das Einzige, was diese Genrebezeichnung rechtfertigen würde, sind die mysteriösen Wandbilder, die in einer fremden Sprache verfasst wurden und deren Inhalt ihr erst im späteren Verlauf des Spiels entschlüsseln könnt. Um also den ganzen Umfang der Story von Inner Chains zu verstehen, ist ein zweiter Durchlauf unbedingt erforderlich, wenn auch nicht empfehlenswert. Das Gekritzel bezieht sich in erster Linie auf recht belanglose Informationen zur dortigen Religion ...
Inner Chains beißt nicht, reißt nicht, wütet nicht mit roher Gewalt, um zu töten. Das Ende kommt schleichend, gähnend langweilig und auf einlullende Weise verwirrend. Wie ein Gas, das sich langsam im Raum ausbreitet und so schläfrig macht, auf dass Bereiche im Gehirn in den Ruhemodus wechseln und der eisige Griff des Todes wie die wärmende Umarmung der Mutter scheint. Durch schwere Augenlider verschwimmt der Bildschirm und macht anderen Albträumen Platz.
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