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Special - Horror-Special: Die Welt des H.P. Lovecraft : Wahnsinn und Tentakel

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Man muss beileibe kein Horror-Fan sein, um den Namen H.P. Lovecraft schon einmal gehört zu haben. Jedes Jahr erscheinen Dutzende Filme, Serien, Bücher und natürlich auch Videospiele, die entweder direkt auf dem Werk des Schriftstellers beruhen oder sich zumindest davon inspirieren ließen. Allein bei Steam finden sich momentan über 400 Spiele, die mit “Lovecraft” getaggt sind. Dennoch sind vermutlich nur die Wenigsten mit seinem Werk vertraut und assoziieren mit dem Namen meist vor allem Monster mit tentakelartigen Auswüchsen. Daher gehen wir einmal der Frage nach: Wer war H.P. Lovecraft überhaupt? Was genau steckt hinter seinem Cthulhu-Universum? Und wie lassen sich die unterschiedlichen Spiele diesem zuordnen?

The Sinking City, 2019

Heutzutage gilt Howard Phillips Lovecraft zwar als einer der einflussreichsten Fantastik-Autoren der Gegenwart, er selbst hat davon allerdings nichts mehr mitbekommen. Zu Lebzeiten veröffentlichte er nur ein einziges Buch, die Novelle “Schatten über Innsmouth”. Der Großteil seines Werks besteht aus Gedichten und Kurzgeschichten, die hauptsächlich in Magazinen für Trivialliteratur veröffentlicht wurden und ihm weder Ruhm noch sonderlich viel Geld einbrachten.

Wie so viele seiner Geschichten spielt “Schatten über Innsmouth” in einer fiktiven Version von Lovecrafts Heimat Neuengland. Darin besucht ein junger Mann die Stadt Innsmouth und findet heraus, dass die Bewohner in engem Kontakt zu uralten, amphibischen Meeresbewohnern, den “tiefen Wesen”, stehen. Der kulturelle Austausch ist sogar so innig, dass sich die Bewohner von Innsmouth regelmäßig mit den Wesen paaren und Kinder zeugen, die fischähnliche Merkmale aufweisen. Doch die Nachforschungen des Protagonisten erregen den Unmut der Anwohner, und er entkommt ihnen nur knapp, bevor sie ihn in ihre glibschigen Finger bekommen.

H.P. Lovecraft, 1915

Durch intertextuelle Verknüpfungen wie Charaktere, Orte und Wesen, die in vielen seiner Texte auftauchen, erschuf Lovecraft ein übergreifendes, literarisches Universum und das sogar 80 Jahre bevor Marvel mit dem MCU um die Ecke kam. Personen aus der einen seiner Geschichten werden in einer anderen erwähnt und als Handlungsorte fungieren immer wieder die gleichen drei fiktiven Städte Innsmouth, Dunwich und Arkham. Und selbst die Bösewichte treten in unterschiedlichsten seiner Geschichten auf.

Ph’nglui mglw’nafh Cthulhu R’lyeh wgah’nagl fhtagn. (Der Cthulhu-Mythos)

Denn der Grund für fast alle Übel, die von Lovecrafts Welt Besitz ergreifen, sind die großen Alten, nahezu allmächtige Außerirdische, die von einigen Menschen sogar als Götter angebetet werden. Wahrscheinlich haben die meisten von euch schon mal von Cthulhu, Yog-Sothoth oder Shub-Niggurath (auch bekannt als “Die Schwarze Ziege der Wälder mit den tausend Jungen”) gehört. Körperlich erinnern die Aliens entfernt an Amphibien, allerdings mit einigen verdrehten Besonderheiten.

Worshippers of Cthulhu, 2024

Cthulhu zum Beispiel ähnelt in Gestalt einem Menschen mit schuppiger Haut (also im Sinne von Drachen und nicht wie in der Shampoo-Werbung), riesigen Fledermausflügeln und einem Bart aus zahlreichen Tentakeln. Wer in Baldur’s Gate 3 mit den Illithiden die Klinge gekreuzt hat, der weiß, wovon ich spreche. Allerdings ist Cthulhu mehrere hundert Meter groß, was die Verwechslung mit einem Menschen (oder Illithiden) eher unwahrscheinlich macht.

Anders, als es dem Klischee von riesigen Tentakel-Viechern entspricht, sind die großen Alten aber weder gut noch böse und haben für gewöhnlich auch nicht bewusst vor, die Menschheit zu vernichten. In Lovecrafts Gedankenwelt sind die Menschen als winziger Teil eines unendlich großen Universums absolut unbedeutend, und diese Philosophie des “Cosmicism” durchzieht auch seine Geschichten.

Der unbeschreibliche Schrecken

Die “Götter” interessieren sich nämlich eigentlich kein bisschen für die Menschheit. Cthulhu schläft friedlich auf dem Grund des Meeresbodens und sollte er jemals erwachen, dann ist die Zerstörung der Welt eher Kollateralschaden. Als würde man morgens aus dem Bett steigen und dabei aus Versehen auf eine Ameise treten. Für gewöhnlich sind es eher die Menschen, die für Probleme sorgen.

Einer dieser Menschen war zum Beispiel Abdul Alhazred. In der fiktiven Welt des Cthulhu-Mythos schrieb der arabische Lyriker im Jahre 700 v. Chr. unter dem Einfluss von Yog-Sothoth und Cthulhu ein Manuskript mit verbotenem Wissen über Flüche, Dämonen, Beschwörungsformeln und Zauber und wurde darüber wahnsinnig. Das bloße Lesen dieses Buches soll bereits katastrophale Folgen für den Leser und seine Umgebung haben. Die Idee des Necronomicons hatte derart starken Einfluss auf die gesamte moderne Popkultur, dass es heutzutage in unzähligen Filmen, Spielen und Büchern Erwähnung findet (ganz besonders etwa in den Evil-Dead-Filmen) und viele gar nicht mehr wissen, wo sie eigentlich ihren Ursprung nahm.

The Sinking City 2, 2025

Lovecrafts Fokus im Umgang mit diesen außerirdischen und übernatürlichen Entitäten liegt jedoch nicht auf den absonderlichen Äußerlichkeiten von Tentakelgöttern, Fischwesen oder Telefonbüchern mit Gottkomplex, sondern eher bei den Auswirkungen auf den Geist der Menschen, wenn sie mit ihnen konfrontiert werden. Denn in Lovecrafts Vorstellung ist der menschliche Verstand nicht in der Lage, die Erscheinung oder gar die überwältigende Macht der Großen Alten zu begreifen, was ihn im schlimmsten Fall dem Wahnsinn verfallen lässt. Ein Schicksal, das viele Charaktere in Lovecrafts Geschichten ereilt.

Für den Horror nach Lovecraft braucht es keine Kettensägen, Gespenster oder Jump-Scares. Der sogenannte “Eldritch Horror” setzt viel mehr auf die Mysterien des Unvorstellbaren, die man rational nicht erklären kann, die Angst vor dem Unbekannten und die Ohnmacht gegenüber den übermächtigen Wesen, für die man selber nicht mehr ist als eine Fliege an der Wand. Tatsächlich spielen die großen Alten selbst eher selten eine wichtige Rolle. Selbst der berühmte Cthulhu taucht nur in einer Handvoll Geschichten auf.

One World, One Love(craft)

Ein wesentlich häufigeres Thema im Kontext von Lovecraft und seinen Texten sind leider offen gelebter Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Liest man die zahlreichen Briefe, die aus seinem Schriftverkehr mit Freunden und Bekannten erhalten geblieben sind, stellt man schnell fest, dass Lovecraft zweifellos nicht nur Rassist war, sondern auch Antisemit und homophob. Noch lange vor den heute noch bekannten Gruselgeschichten verfasste er rassistische Gedichte.

Obwohl Xenophobie damals noch als “salonfähiger” galt, war sie keinesfalls normal oder allgemein akzeptiert. Schon zu Lebzeiten musste sich Lovecraft deshalb regelmäßig für seine extremen Ansichten rechtfertigen. Ein “Das war damals halt so!” ist also weder eine Entschuldigung, noch eine Grundlage für eine kritische Auseinandersetzung.

Call of Cthulhu, 2018

Gerade an “Schatten über Innsmouth” lässt sich gut darlegen, wie die Ansichten des Autors nahezu unbemerkt in einen Text einfließen können. Die stolze und starke Bevölkerung von Innsmouth vermischt sich mit einem fremden Volk, und die Nachkommen dieser Vereinigung sind hässlich, degeneriert und minderwertig. Dadurch droht sogar die Auslöschung oder der Austausch der ursprünglichen Bevölkerung. Motive, die sich bis heute in rassistischen und xenophoben Kreisen wiederfinden.

Natürlich ist nicht jeder Text und jedes Spiel, welches sich auf Lovecrafts Arbeit stützt, automatisch rassistisch. Denn “lovecraftian” ist weder ein Synonym für homophob noch für fremdenfeindlich, solange Autoren sich der Hintergründe bewusst sind und sich darum bemühen, xenophobe Stereotypen nicht aus Versehen unkommentiert weiterzuverbreiten. Die Macher des Adventures The Sinking City etwa, das im Cthulhu-Universum spielt, stellten daher ihrem Spiel eine Warnung voran und schaffen es derartig gar durch die unverfälschte Darstellung problematischer Umstände, diese im historischen Kontext der damaligen Zeit zu demaskieren.

Lovecraft-esk

Aber wenn Cthulhu nur ein paar Mal bei Lovecraft auftaucht und dieser sowieso hauptsächlich Kurzgeschichten veröffentlicht hat, die zu seinen Lebzeiten nur wenig Beachtung fanden, wieso ist der Mythos gerade heute in der Popkultur so präsent? Die kurze Antwort darauf: Fanfiction!

Lovecrafts noch recht rudimentäres Universum wurde in den kommenden Jahren von anderen Autoren dankbar aufgenommen und durch zahlreiche Geschichten erweitert. Wesen, die Lovecraft selbst nur namentlich kurz erwähnt hat, bekamen so auf einmal reichhaltige Hintergrundgeschichten. Neue Götter wurden erfunden in dem Versuch, aus Lovecrafts überschaubarer Anzahl an Großen Alten ein vollständiges Pantheon zu bilden.

Alone in the Dark, 2022

Da das allerdings ursprünglich nie sein Plan war, sind viele solcher Ergänzungen entweder widersprüchlich oder mussten so stark hingebogen werden, dass die Originalwerke kaum mehr in das Raster passen. So wurde der Cthulhu-Mythos zu einem der größten literarischen Universen, sogar mit Beiträgen von berühmten Autoren wie Andrzey Sapkowski (Witcher-Reihe) und Wolfgang Hohlbein (Der Greif, Märchenmond).

Aber eben nicht nur Schriftsteller, sondern auch zahllose Videospiel-Entwickler bedienen sich regelmäßig und immer inflationärer an der reichhaltigen Lovecraft-Lore. Traditionell finden sich in dieser langen Liste vor allem Spiele aus narrativ motivierten Genres wie Adventures (Call of Cthulhu), Action-Adventures (Alone in the Dark) und Visual Novels (The Innsmouth Case), mittlerweile enthält sie aber auch Einträge aus den Sparten JRPGs, Weltraumsimulationen, Shooter und sogar das ein oder andere MOBA.

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Stellt sich also die Frage, was all diese Spiele aus den verschiedensten Genres gemeinsam haben. Wie werden Lovecrafts Themen und sein Stil in Videospielen umgesetzt? Und wie gehen Studios mit dem moralischen Ballast von H.P. Lovecraft um? Das alles klären wir im nächsten Teil unserer kleinen Horror-Reihe.

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