Test - Heavy Rain : Neulich ein gutes Buch gelesen?
- PS3
Ein durch und durch cineastisches Erlebnis wird dem Spieler vorgesetzt, das spielerisch wenig, bezüglich der Handlung aber umso mehr zu bieten hat. Die Geschichte ist zum Glück gelungen. Manchmal jedoch fallen einige Schauplatzwechsel abrupt aus, denn nicht immer ist sofort klar, weshalb eure Spielfigur jetzt ausgerechnet dort auftaucht oder gerade dieser oder jener Figur auf den Zahn fühlt. Das erschließt sich einem zuweilen erst in den hervorragend geschriebenen Dialogen.
Möglicherweise ist diese Abruptheit eine Folge der Entscheidungsfreiheiten und der daraus resultierenden unterschiedlichen Abläufe einzelner Szenen. Diese müssen jedoch immer wieder auf die richtige „Schiene" zurückgeführt werden, damit die Geschichte im Sinne der Autoren weitergehen kann. Das gelingt manchmal besser, manchmal etwas holprig. Nicht zuletzt dank der sehr spannenden Handlung und der ausgezeichnet gestalteten Figuren nehmt ihr den Entwicklern dieses Manko aber bestimmt nicht übel.
Gesichter mit Seele
Die Filmfans bei Quantic Dream mögen für ihren Thriller wahrscheinlich keinen Oscar einheimsen, eine Auszeichnung für die Darstellung der Figuren haben sie aber mit Sicherheit verdient. Es ist unglaublich, wie realistisch die Charaktere ihre Gefühle mithilfe der Gesichtsmimik darstellen können. Auch wenn es nicht immer auffällt, trägt dies enorm dazu bei, dass die Charaktere sehr menschlich wirken. Jede der Hauptfiguren in Heavy Rain scheint eine Seele zu haben, man fühlt richtig mit ihnen mit und vergisst völlig, dass es sich hierbei nur um ein paar Polygone mit darübergezogener Fototextur handelt. Wer hinter den Vorhang schauen will, kann dies mittels Making-of-Videos tun, die als Boni nach und nach freigeschaltet werden.
Die Umgebungsdarstellung dagegen schwankt qualitativ stark: Einige Schauplätze sehen überaus realistisch aus und kommen mit atemberaubend vielen Details daher. Andere wirken leer und langweilig. Dazu sind viele Dinge etwas eckig dargestellt. Auch vereinzeltes Tearing, Kantenflimmern sowie Kollisionsfehler sind nicht zu übersehen. Richtig gelungen sind hingegen die exzellente, stimmige Beleuchtung und die glaubwürdige Regendarstellung. Wie leistungsfähig die Grafik-Engine sein kann, zeigt sich vor allem in beeindruckenden Massenszenen, etwa im Einkaufszentrum oder im Bahnhof.
Ebenfalls sehr gelungen ist der Sound: Die Musikuntermalung fällt vielschichtig aus und reicht von melancholischem Klaviergeklimper bis hin zu hollywoodreifen Orchester-Arrangements. Die deutsche Sprachausgabe überzeugt, manche Dialoge klingen allerdings etwas steril. Außerdem stimmte die Lautstärkeabmischung in unserer Testversion häufig nicht. Wer mag, kann in den Optionen übrigens die englische Sprachausgabe anwählen.
Leider haben es die Entwickler zuweilen mit der cineastischen Perspektivenführung übertrieben. So kommt es schon mal vor, dass ihr die Übersicht verliert und in eine falsche Richtung spaziert oder dass ein eingeblendetes Icon nicht erkennbar ist. Dezent missglückt ist überdies die Bewegungssteuerung: Ihr müsst den linken Analog-Stick in eine Richtung drücken und dann mit der R2-Taste Gas geben. Das wirkt sehr ungewohnt. Da sich die Figuren des Weiteren sehr behäbig bewegen, bleibt ihr hin und wieder an Ecken hängen oder macht einen Schritt in die falsche Richtung.
Das Adventure ist jedoch nicht wirklich schwierig - die wählbaren Schwierigkeitsgrade wirken sich bloß auf die Quick-Time-Events aus. So verzeiht man Heavy Rain den einen oder anderen Fauxpas, was Steuerung und Kameraführung angeht. Kein Fehltritt ist der Umfang: Zum Durchspielen benötigt ihr acht bis zehn Stunden, danach locken vor allem die Entscheidungsmöglichkeiten und damit (kleinere) Handlungsvariationen zu einer erneuten Jagd auf den Origami-Killer.
Kommentarezum Artikel