Test - Gravity Rush 2 : Wo die Schwerkraft keine Bedeutung hat
- PS4
Open World mit wenigen Anlaufpunkten
Kats Talente sind dank eines (etwas zähen) Tutoriums schnell begriffen, doch ihre Handhabung erfordert Übung. Das gilt vor allem für das Schweben sowie das Erreichen entfernter Orte im Flug, denn Kat reagiert in der Luft nur auf Anweisungen des Bewegungssensors im DualShock-4-Controller. Das ließ sich in der Remaster-Fassung des Erstlings noch abschalten, beziehungsweise auf den Analogstick verlagern. In Gravity Rush 2 fehlt diese Option, wodurch saubere Landungen zu einer fummeligen Angelegenheit mutieren. Ihr werdet die zierliche Heldin des Öfteren unsanft auf den Boden katapultieren, weil ihr die gewünschte Flugrichtung nicht erreicht, ohne euch das Handgelenk auszukugeln oder den Controller aus der Hand zu nehmen.
Bedauerlich, denn ansonsten lässt die Steuerung kaum Wünsche offen: Springen, Kick-Kombos ausführen, fliegen und landen – all das vollzieht ihr ohne Umschweife auf Knopfdruck. Handlungsrahmen und Schauplatz kommen ebenso unkompliziert daher. In den meisten Fällen wird auf größere Animation verzichtet. Kleine Comicbilder treiben Gespräche und Handlung voran und ersparen dem Spieler übermäßig komplexe Zusammenhänge. Die Welt, in der ihr euch bewegt, bleibt übersichtlich und Missionen durch eindeutige Symbole stets erkennbar: Wo geht die Handlung weiter? Wo befinden sich Nebenmissionen? An welcher Stelle warten kleine Kampfturniere? Wenn es die eingeblendeten Symbole nicht zeigen, dann spätestens die Übersichtskarte.
Besonders viele Anlaufpunkte gibt es nicht, daher klingt der Term „Open World Adventure“ etwas großspurig. Selbst die Einstufung als Adventure geht nur in begrenztem Maße durch, weil es innerhalb der Missionen abseits kleinerer Feinheiten stets um dasselbe geht und keine gravierenden Meilensteine abzugrasen sind. Kat findet zwar ab und an einen Talisman, der ihre Kräfte verstärkt, aber für ein waschechtes Action Adventure fehlt es Gravity Rush schlicht an einem Handlungsbogen, der Kats Talente einbezieht. Sammelt ihr fleißig Edelsteine, so könnt ihr neue Angriffskombos und Bewegungsabfolgen für die Schwerelosigkeit freischalten, aber das ändert nichts am Spielablauf.
Gravity Rush 2 hinterlässt anfangs eher den Eindruck eines Brawlers, der um ein paar Adventure-Elemente und die Geschmacksnote des Fliegens bereichert wurde. Das tut dem Spaß keinen Abbruch, solange ihr Freude am Grinden und am Niederstrecken zunehmend größer werdender Monster habt. Je weiter ihr in der Handlung voranschreitet, desto öfter wird die Erforschung des Areals zu einem maßgeblichen Teil des Spielerlebnisses. Vor allem, wenn ihr bemerkt, wie buchstäblich dreidimensional die Welt von Jirga Para Lhao ausgelegt ist. Oben? Unten? Seitwärts? Spielt keine Rolle! Lasst ihr eurem Forscherdrang freien Lauf, sind wahrlich keine Grenzen gesetzt.
Bezaubernder Stil
Nicht zuletzt der verwendete Grafikstil belohnt für ausuferndes Erkunden, denn die fantasievolle, wenn auch manchmal etwas kitschige Visualisierung fesselt euch in regelmäßigen Abständen an den Bildschirm. In belebten Stadtgassen voller Backsteinhäuser wuseln unzählige Bewohner umher und gehen ihren Geschäften nach, Vögel schrecken auf, wenn man ihnen zu nahe kommt und selbst kleine Bauten wie etwa Verkaufsstände schäumen vor filigranen Details über – und lassen sich trotzdem durch ein paar Trittkombos in ihre Bestandteile zerlegen.
Dazwischen blitzen Lichtstrahlen zwischen Wolkenschichten auf, die eine sagenhafte Topographie schwebender Inseln verbergen oder gar bizarre Oberflächen mit märchenhaften Gräsern und Wäldern beheimaten. Überall wirken Pastellfarben, lassen die Umgebung unwirklich und malerisch erscheinen, ohne ihr die Glaubhaftigkeit zu nehmen.
Die Spielfiguren bedienen derweil einen Cel-Shading-Stil, der überwiegend Anime-Komponenten verwendet, aber zugleich europäische Einflüsse zeigt. Farbgebung und Formen sind dadurch weit weniger detailreich als in der Umgebung, wirken aber nur in seltenen Fällen zu simpel oder stilbrechend. Genau genommen fällt dies nur in der Stadt gelegentlich auf, wenn der Bildschirm eher von glatten Farbflächen als von definierten Texturen beherrscht wird.
Schade, dass die Menüs im Vergleich sehr mädchenhafte Farben für Verzierungen und Bedienelemente an den Tag legen. Eine unnötige Designentscheidung, die männliche Spieler vergraulen könnte, obwohl gerade sie Spaß daran haben dürften, Kat auf den wohlgeformten Hintern zu starren. Dafür weiß der Soundtrack umso besser zu begeistern: Stilistisch wildert er bei Tschaikowski und Prokofjew (Peter und der Wolf), um dem manchmal bizarren Spielablauf die richtige Stimmung zu verleihen. Gelegentlich werden auch karibische Stile oder leichte Disco-Bläser verwendet, was den Anime-Charme zusätzlich unterstreicht.
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