Test - Ghost Trick: Phantom Detective : Test: Ein Geist auf der Suche nach dem eigenen Mörder
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Ghost Trick: Phantom Detective erschien ursprünglich bereits 2010 für den Nintendo DS. Eine gnadenlos innovative Rätselmechanik und eine genial konstruierte Mystery-Thriller-Geschichte, die gleich mehrere schockierende und doch stets vollkommen logische Mindfuck-Wendungen vollzieht, sorgten dafür, dass es bis heute meiner Meinung nach zu den besten Spielen zählt, die je für diese Plattform entwickelt wurden. Nun wird der Klassiker in kompetent restaurierter Überarbeitung für PC, Playstation und Switch neu aufgelegt.
„Hallo, mein Name ist Ray. Wundere dich nicht, dass ich eine Schreibtischlampe bin. Wer du bist? Und wo? Natürlich, du kannst dich nicht erinnern. Das ist auch kein Wunder, denn du bist tot und nun ein Geist. Dein Körper liegt da, der Typ mit der Sonnenbrille und der krassen Frisur. Du bist gerade erschossen worden.“ Das ist der irrwitzige Anfang von Ghost Trick: Phantom Detective von den Machern der Ace-Attorney-Reihe bei Capcom. Ursprünglich erschien das Spiel bereits 2010 für den Nintendo DS und wurde nun für PC, Playstation und Switch neu herausgebracht.
In dem ungewöhnlichen Adventure spielt ihr einen zeitreisenden Geist auf der Suche nach dem eigenen Mörder und begegnet dabei unter anderem einem tanzenden Kommissar im weißen Anzug, einem Schrottplatzvorsteher mit einer Taube auf dem Kopf und einem Zwergspitz namens Rakete. So bekloppt das klingen mag, so ungewöhnlich und im wahrsten Sinne geistreich fallen die Rätsel des Spiels aus, und die Geschichte schlägt so dermaßen viele überraschende und doch vollkommen logische Haken, dass man während der ungefähr 12 Stunden Spielzeit vor Spannung kaum zu Atem kommt.
Ihr spielt Sissel, der unversehens ohne jede Erinnerung auf einem Schrottplatz zu sich kommt. Vor sich: seine eigene Leiche. Er selbst wurde offenbar ermordet, ist dadurch zu einem Geist geworden und hat nun eine Nacht lang bis zum Morgengrauen Zeit, um das Rätsel um seinen Tod zu lösen: Von wem wurde er getötet? Und warum? Und sowieso: Wer sind wir überhaupt?
Viel mehr kann ich über die Geschichte von Ghost Trick leider nicht verraten, auch wenn ich innerlich geradezu platze, euch wenigstens ein paar Andeutungen auf die krassen Wendungen zu machen, mit denen das Spiel seine Handlung immer wieder in unvorhergesehene Richtungen lenkt und regelmäßig mit völlig überraschenden Enthüllungen schockiert, die am Ende tatsächlich alle Sinn ergeben - obwohl es zwischenzeitlich immer mal den Anschein hat, die Entwickler hätten selber in der Fülle an Handlungsfäden und logischen Verwirrungen den Überblick verloren.
Geist-reiche Spielmechaniken
Der spielerische Kniff an Ghost Trick besteht darin, dass ihr nicht wie in einem typischen Adventure die Gegend frei erkunden und mit Objekten interagieren könnt. Das ist als Geist nur höchst eingeschränkt möglich. Sissel kann lediglich von bestimmten Gegenständen Besitz ergreifen und sich derartig von einem zum anderen bewegen, indem seine Seele gewissermaßen zu ihnen überspringt. Da ihm für die einzelnen Sprünge nur eine begrenzte Reichweite zur Verfügung steht, besteht ein Großteil des Spiels darin, einen Weg durch den aktuellen Schauplatz zu finden beziehungsweise sich diesen erst zu schaffen.
Sissels Geist ist nämlich in der Lage, mit bestimmten Gegenständen zu interagieren. Wie ein Poltergeist, der aus dem Jenseits an einer Kette rasselt, ein Fenster aufstößt oder eine Kerze zum Flackern bringt. Um an zunächst unerreichbare Orte zu gelangen, müsst ihr also etwa einen Flaggenmast ausfahren, um an ihm empor zu steigen, einen Regenschirm aufklappen, um euch von ihm über den Abgrund wehen zu lassen, oder ihr nehmt als Geist Besitz von einem Autoreifen, den ihr daraufhin auf die andere Seite der Straße kullern lasst.
Solch kleine Manipulationen stellen die einzigen Möglichkeiten dar, um mit der Welt der Lebenden in Kontakt zu treten, euch bemerkbar zu machen und das Geschehen zu beeinflussen. Um dem Polizisten bei seinen Ermittlungen zu helfen, müsst ihr zum Beispiel eine Schreibtischlampe schwenken und einschalten, um seine Aufmerksamkeit auf ein Beweisstück zu lenken, oder ihr rüttelt an einer Schüssel, damit eine Knabberei darin zu Boden fällt und das Hündchen anlockt, das daraufhin mit lautem Gebell für Ablenkung sorgt.
Es sind immer nur solche scheinbar unbedeutenden Kleinigkeiten, mit denen ihr Einfluss auf die Szenerie ausübt, die aber nach dem Prinzip des Schmetterling-Effekts große Veränderungen bewirken. Denn Ghost Trick erzählt im Verdeck seiner Geister-Krimi-Handlung vor allem auch eine clevere Zeitreise-Geschichte, in der ihr durch kleine Veränderungen der Vergangenheit die Zukunft manipuliert.
Als Geist ist Sissel nämlich in der Lage, vier Minuten in die Vergangenheit zu reisen ab dem Moment, in dem eine Person gestorben ist, um den Ablauf der Ereignisse zu verändern und ihren Tod ungeschehen zu machen (außer dem eigenen natürlich, sonst wäre die Geschichte schnell vorbei). Bereits im ersten Kapitel müssen wir auf diese Weise etwa verhindern, dass unser Mörder eine unschuldige Zeugin beseitigt.
Das Spiel zeigt euch dabei zunächst, wie sich die Szene ohne euer Zutun zugetragen hat, und gibt euch im Anschluss die Möglichkeit, darin einzugreifen und den Ablauf zu ändern. Schafft ihr es nicht rechtzeitig, den Tod der betreffenden Person zu vereiteln, spult ihr die Zeitschleife einfach auf Anfang und versucht es erneut, bis ihr Erfolg habt und die Geschichte unter anderen Vorzeichen fortfährt. Stark vereinfacht lässt sich Ghost Trick als eine Art Butterfly Effect am Murmeltiertag beschreiben.
Die Entwickler schaukeln diese höchst kreative Rätselmechanik zunehmend in Sphären, die angesichts der zahlreichen logischen Zusammenhänge, die es zu berücksichtigt gilt, regelmäßig Knoten ins Gehirn drehen. Anfangs genügt es noch, den Killer mit einer Fahrradklingel kurzzeitig abzulenken, damit das Opfer die Flucht ergreifen kann. Doch mit zunehmenden Spielverlauf erfahren die Ursache-Wirkung-Zusammenhänge immer mehr Komplexität, weil jede eurer Aktionen oftmals ganze Kettenreaktionen auslöst: Da müsst ihr im richtigen Moment eine Schranktür aufstoßen, um einen Ball auf die andere Seite des Raumes zu kicken, wo ihr ihn mit einer Schaufel in die Höhe hebt, was euch in die Nähe des Lichtschalters bringt, mit dem ihr den Killer blendet.
Spätestens in einer Szene in der Mitte des Spiels, in der es zu einem Busunfall in einem Restaurant kommt, zeigt sich dann die volle Genialität des Spielprinzips: Um das Unglück zu verhindern, unternehmt ihr eine geradezu irrwitzige Reise durch Raum und Zeit, bei der mehrere Realitätsebenen und Zeitlinien im Blick behalten werden müssen, dass einem regelrecht schwindelig wird.
Ein Indie-Meisterwerk aus einer Zeit, als es noch keine Indiespiele gab
Dass eine Umsetzung von Ghost Trick für andere Plattformen so lange auf sich warten ließ, mag unter anderem auch daran liegen, dass das Spielkonzept seinerzeit speziell auf den Stylus, also den kleinen Plastikstift für die Touch-Steuerung des Nintendo DS, zugeschnitten war. Man bewegte den Geist flott und behände, indem man ihn schlicht von einem Gegenstand zum nächsten zog, als verbinde man mit dem Stift die Punkte in einem Malen-nach-Zahlen-Rätselbild. So elegant und einzigartig sich das damals anfühlte, so überrascht bin ich, wie problemlos sich diese innovative Steuerungsmethode auf die Analogsticks heutiger Controller übertragen ließ, ohne dass es sich umständlicher gestaltete oder dadurch dem Spiel etwas verloren ginge. Wüsste ich es nicht, ich hielte Ghost Trick für genau so gedacht, wie es sich heute darstellt.
Grafisch und akustisch freilich merkt man ihm mit seinen simplen 2D-Hintergründen, den Sprechblasen-Dialogen nach Art einer Visual Novel und dem fiepsigen Soundtrack seine Herkunft auf dem Nintendo DS unzweifelhaft an. Gleichwohl wurde das Spiel aber für das Remaster sorgfältig und kompetent an die höheren Auflösungen moderner Plattformen angepasst, was sich vor allem in den flüssigen Charakteranimationen niederschlägt, die nun wie direkt aus einem Zeichentrickfilm wirken und sich damit bestens in die modernen Ästhetiken aktueller Indie-Spiele wie Hades oder Spiritfarer einreihen.
Generell musste ich beim erneuten Durchspielen 13 Jahre später erstaunt feststellen: Wenn man es nicht wüsste, könnte man den Eindruck gewinnen, es mit einem brandaktuellen Indie-Spiel von heute zu tun zu haben. Ghost Trick ist auf bemerkenswerte Weise in seinen 13 Jahren seit seinem ursprünglichen Erscheinen spielerisch um keine einzige Sekunde gealtert, im Gegenteil ist womöglich erst aus heutiger Sicht so richtig zu beurteilen, wie weit es damals seiner Zeit im Grunde sogar voraus war.
2010 machte die Indie-Szene, wie wir sie heute kennen, gerade mal ihre ersten Gehversuche, als einfallsreiche Entwickler begannen, ihr kleines Produktionsbudget mit außergewöhnlichen Ideen und stilistischer Kühnheit aufzuwiegen. Super Meat Boy und Limbo erschienen beispielsweise im selben Jahr und waren doch trotz ihrer unbestreitbaren Stellung als Wegbereiter für den Indiemarkt in erster Linie nur modernisierte Wiederentdeckungen nostalgischer Spielkonzepte statt neuartiger Innovationstreiber.
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Zwar wurde Ghost Trick schon damals als sehr gutes Adventure mit fesselnder Geschichte und originellem Spielprinzip wahrgenommen, doch wurden der Markt und seine Rezeption seinerzeit noch stark von massentauglichen Blockbusterproduktionen dominiert, denen so sehr daran gelegen war, möglichst vielen Geschmäckern zu gefallen, dass ein derartig unangepasstes und einzigartiges Spiel qualitativ kaum angemessen darin verortet werden konnte - erst recht innerhalb des Adventure-Genres, das abseits des Point-n-Click überquellender Inventarinhalte keinerlei Alternativen kannte und seine Kritiker entsprechend nicht über das argumentative Rüstzeug verfügten, es im alles beherrschenden Diktat der Prozentwertungen adäquat skalieren, einordnen und beziffern zu können.
Womöglich lässt sich daher seine Klasse erst heute im derzeit geradezu aufblühenden Umfeld von kreativen Adventure-Erzählexperimenten wie The Case of the Golden Idol, Road 96, Heaven’s Vault, Before Your Eyes, Unpacking, The Forgotten City, Simulacra, Immortality oder auch Disco Elysium und Outer Wilds vollends erkennen und wertschätzen. Wer Spiele wie die eben genannten mag, der sollte Ghost Trick unbedingt gespielt haben.
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