Test - Forza Motorsport : Test: Ich liebe das neue Fahrgefühl, aber eine Sache nervt gewaltig
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Microsofts zweiter AAA-Titel für dieses Jahr steht nach über sechs Jahren Entwicklungszeit in den Startlöchern. Mit dem Neustart von Forza Motorsport, das von nun an nicht mehr alle zwei Jahre eine neue Iteration erfährt, sondern als dauerhafte Rennspiel-Plattform bestehen soll, möchten die Entwickler von Turn 10 viele Altlasten ablegen. Ob das glückte und ob Forza Motorsport eine Pflichtanschaffung für Petrolheads auf Xbox Series und PC geworden ist, lest ihr in unserem Test.
Es gibt Momente im neuen Forza Motorsport, in denen ich vor lauter Fahrspaß in einen Tunnelblick verfalle und völlig vergesse, wie viele Runden mir noch bevorstehen. Sind es sieben oder acht? Habe ich meine Reifen zu sehr beansprucht? Sollte ich mit einem Boxenstopp rechnen? Reicht der Sprit? Das ist mir in solchen Momenten alles egal. Ich sehe nur noch das Rennen als solches. Das Zischen über den körnigen Asphalt, den Balanceakt zwischen Kurvensicherheit und Geschwindigkeit, den Anspruch, aus jeder Kurve die letzten Millisekunden herauszuholen.
Ja, das neue Forza ist wirklich so gut. Seine Generalüberholung zahlte sich in den allermeisten Bereichen aus, auch wenn es durchaus ein paar kleine Macken gibt, die vermeidbar gewesen wären. Unterm Strich zählt der Spaß, und den liefert Forza Motorsport in Benzintank-Größe.
Leider gibt es aber auch diesen einen Aspekt im Spieldesign, bei dem ich mich frage, was für ein Zeug die Jungs bei Turn 10 geraucht haben müssen, um das guten Gewissens absegnen zu können. Diese eine Idee, die sich spätestens bei der dritten praktischen Begegnung als völliger Humbug, weil spielspaßreduzierend herausstellt. Wenn diese Idee tatsächlich über Jahre eine dauerhafte Regelung bleiben sollte, könnte sie viele Spieler vergraulen. Das wäre schade, schließlich steckt so viel Arbeit in diesem Rennspiel, die gewürdigt werden darf und sollte. Aber eines nach dem anderen.
Alles neu oder doch nicht?
Von Grund auf neugestaltet soll das neue Forza Motorsport laut Marketing sein, also mehr Reboot als Fortsetzung, was die fehlende Acht im Titel erklärt. Das Ziel: mehr Realismus, mehr Simulation, mehr Anspruch. Ohne viel vorwegzunehmen kann ich bestätigen, dass Turn 10 die sechs Jahre Entwicklungszeit keineswegs mit Däumchendrehen verplempert hat.
Gilt das für das gesamte Spiel mit all seinen Facetten? Gern würde ich das glauben, nur kommt das nicht einmal mit zugedrückten Hühneraugen hin. Siehe etwa der Fuhrpark. Eine begrenzte Anzahl auffällig grober 3D-Modelle beliebter Autos, die mitunter seit Jahrzehnten in Gebrauch sind, widersprechen dem vollmundigen Marketing-Sprech. Bei diesen Wagen wurden höchstens die Shader für den Lack verbessert.
Der Lack sieht jetzt toll aus, nur fallen falsche Formen wie etwa unproportionale Scheinwerfer, die denen des Echtwelt-Vorbilds nicht einmal entfernt ähnelt, leider viel stärker ins Gewicht. Ja, ich meine dich, Nissan Skyline.
Es betrifft zwar nur einen kleinen Teil des über 500 Wagen starken Fuhrparks, denn alle Fahrzeuge, die in den letzten Jahren modelliert wurden, sehen dank exakter Scans spitze aus, aber die unrühmlichen Ausnahmen legen offen, dass eben nicht alles von Grund auf neugestaltet wurde.
Dazu kommen ähnlich auffällige technische Indizien. Beispielsweise ein paar altbekannte Bugs, welche die PC-Version auf dieselbe Weise plagen wie schon bei Forza Motorsport 7. Siehe das gelegentlich ausbleibende Textur-Streaming, wenn man neben der Haupt-Grafikkarte noch einen Onboard-Grafikchip zugeschaltet hat. Passiert das, fährt man auf dünner Luft, weil Straßentexturen und Teile umstehender Bauten nicht angezeigt werden. Das macht einen Besuch im BIOS zur Pflicht, selbst wenn ihr eure Onboard-Grafikkarte für andere Zwecke benötigt. Au weia!
„Von Grund auf neu“ ist also etwas zu großspurig aufgetragen. Trotzdem wäre die Liste all jener neu gestalteten und generalüberholten Anteile zu groß für einen Artikel wie diesen. Es sind vor allem essenzielle Fundamente der Physik-Simulation, die nicht mehr mit ihren Gegenstücken aus den letzten Jahren vergleichbar sind.
Das neue Forza Motorsport fühlt sich dank einer kompletten Überarbeitung seiner spielerischen Komponenten ernsthafter, bodenständiger und realistischer an als je zuvor. Acht Kontaktstellen je Reifen, komplett neu modellierte Strecken auf Laserscan-Basis, ein auf Machine-Learning bauender Ansatz für KI-Fahrer und nicht zuletzt ein auf körperloses Fahren ausgerichtetes Regelsystem, das Kollisionen und regelwidriges Abkürzen bestraft, verleihen Turn 10s Simcade-Rennspiel mehr Tiefe. Man fühlt es, ja, man kann es beinahe schmecken.
Deutlich realistischer und dennoch ein Simcade-Rennspiel
Oh je, da steht es schon, das Wort Simcade. Selbst auf die Gefahr hin, die Hoffnung einiger Xbox-Gamer (um nicht zu sagen Fanboys) zu zerstören, bleibt dieses Wort für mich unvermeidbar. So wie Gran Turismo keine ernste Simulation kann, weil wichtige Elemente eines Rennwochenendes fehlen und der Fokus auf kurze Rennveranstaltungen sämtliche Ambitionen überschattet, realistisches Fahrverhalten zu simulieren, erfüllt auch das neue Forza Motorsport nicht alle nötigen Kriterien. Es krankt schließlich an ähnlichen Symptomen.
Beispiele gefällig? Bitteschön: Rennen gehen sowohl in der Karriere als auch in den serverseitig gestellten Multiplayer-Sitzungen nie über die volle Distanz. Kurze Rennen bedeutet automatisch viel Gedränge beim Überholen und viel Hauruck-Taktik. In der Karriere fehlen derweil weiterhin Qualifikationsläufe, während das RPG-artige Upgrade-System, das ich später noch im Detail bespreche, jedem Ansatz einer Echtwelt-Progression widerspricht. Es bleibt also bei einem Arcade-Fundament mit anspruchsvollen Simulationsanteilen.
Diese Anteile sind nicht unwichtig. Turn 10 wagt mit der aufgebrezelten Physik sogar einen gewaltigen Schritt nach vorne. Kann sie sich mit der von Genre-Königen aus dem Schlag eines iRacing, Assetto Corsa (Competizione) oder Automobilista messen? Nein, denn dafür neigen Turn 10s Autos noch immer ein wenig zu sehr zum Untersteuern und zum schnellen Abdriften, wenn man sich dagegen wehrt. Auf der anderen Seite schert sie sich wenig um abweichende Reifendrehungen auf Curbs und ähnliche Kleinigkeiten.
Die Behauptung, es würde viel zum Niveau der „großen“ Sims fehlen, halte ich dennoch für eine ungerechtfertigte Übertreibung. Forza Motorsport nimmt dem Realismus in seiner Physik gerade mal so viel, dass rasantes Fahren für Sofasportler mehr Spaß als Arbeit bereitet. Das gilt besonders für Joypad-Piloten, denen die Steuerung nicht einmal die schnellsten und ruckartigsten Aktionen krummnimmt.
Mehr Realismus mit einem Lenkrad
Bei der Steuerung mit einem Lenkrad sieht das schon anders aus. Pingelig wie eine viktorianische Anstandsdame bestraft euch das neue Reifenmodell bei jeder Ungenauigkeit durch einen leichten bis mäßigen Kontrollverlust. Vielleicht sogar etwas zu heftig, denn selbst das Bremsen auf gerader Strecke wird durch Links- oder Rechtsdrall geahndet, wenn ihr per Gangschaltung die Motorbremse hinzuzieht. Mitsamt dem leichten Hang zum Untersteuern bringt das selbst einen handelsüblichen VW-Golf bei gerade mal 80 km/h von der Spur, wenn man nur einen winzigen Tick zu scharf auf die Klötzer tritt oder minimal zu hart in der Kurve liegt.
Der Hang zum Untersteuern ist ein altes Forza-Motorsport-Phänomen und sollte nicht überbewertet werden. Nennt es Präferenz oder befangene Interpretation. Jede Simulation vertraut letztendlich auf eine menschliche Einschätzung der Physik. Ich bin mir sicher, ihr gewöhnt euch schnell daran und passt euer Fahrverhalten dementsprechend an.
Noch schneller ginge es allerdings, wenn das Force-Feedback von Anfang an brauchbare Signale vermitteln würde, was leider nicht der Fall ist. Ist sicherlich auch eine Geschmacksfrage, aber ich musste die Parameter fünf oder sechs Mal in Probefahrten nachjustieren, indem ich die Kraftübertragung von Oberflächen intensivierte. Erst dann spürte ich genug von der Strecke, um Haftungsverlusten frühzeitig entgegensteuern zu können.
Turn 10s Einstellung wirkt in meinen Augen übervorsichtig und unnötig konservativ, wenn ich bedenke, dass ich bei meinem Fanatec-Lenkrad mit stolzen 15 Newtonmetern maximalem Drehmoment arbeite und selbst bei niedrigen Parametern eigentlich jede Erbse auf dem Asphalt spüren müsste. Kaum auszumalen, wie wenig man beim schwachbrüstigen Force-Feedback eines Einsteiger-Lenkrads von Logitech oder Thrustmaster mitbekommt.
Ist das Force-Feedback erst einmal in den richtigen Kriterien intensiviert, bereitet das neue Fahrmodell schon ab der C-Klasse (also Einsteiger-Sportwagen wie etwa dem Toyota Supra) sehr viel Spaß und befriedigt zugleich durch eine recht realistische anmutende Herausforderung. Das Niveau ähnelt dem von Gran Turismo 7 in den meisten Aspekten, auch wenn Polyphony Digital ein Faible für ein gleitendes Fahrgefühl hegt (ein wenig so, wie man es aus alten Mercedes-Limousinen kennt), während Turn 10 vorzieht, die Reibung des Bodenkontakts spürbar zu halten. Geschmackssache! In jedem Fall bringt das neue Fahrverhalten durch seine acht Kontaktpunkte je Reifen eine krasse Verbesserung gegenüber Forza Motorsport 7, das manchmal den Eindruck vermittelte, man fahre auf Glatteis.
Karriere mit Höhen und Tiefen
Forza Motorsport balanciert geschickt zwischen Anspruch und reinem Fahrspaß. Etliche Fahrhilfen und Barrierefreiheits-Einstellungen machen das Spiel auf Wunsch leicht verdaulich, sodass selbst Leute, die dank Game Pass nur mal für eine Stunde in das Geschehen stolpern, hängenbleiben können. Theoretisch dürfte ein unbedarftes Kleinkind in der Lage sein, Rennen zu fahren, weil Gas, Bremse und Steuerung auf Wunsch durch Fahrhilfen reguliert werden. Sehbehinderte oder gar blinde Gamer können sogar neuerdings an akustischen Signalen erkennen, wo sich der Streckenrand befindet. In den Multiplayer-Rennen kann es allerdings passieren, dass die Reglements privater Lobbys Fahrhilfen verbieten.
Das kann in der Einzelspieler-Karriere mit ihren thematisch eingegrenzten Veranstaltungen nicht passieren. Dass diese wie bei Gran Turismo zwecks Anti-Cheat-Maßnahmen nur bei einer bestehenden Online-Verbindung gespielt werden können, ist kein feiner Schachzug, aber das ist leider gerade ein Trend bei Rennspielen.
Immerhin: das Reglement wie auch der Spielinhalt bleiben so stets auf dem neuesten Stand. Regelmäßige Erweiterungen inbegriffen, denn es sollen monatlich neue Strecken dazukommen. Bisher sind es 20, die ausschließlich Profikurse repräsentieren. Le Mans, Road America, Suzuka und Konsorten werden von ein paar Fantasiestrecken ergänzt, von denen leider nur zwei auf optischer Seite etwas Abwechslung hineinbringen, nämlich der herbstlich anmutende, von Fans seit jeher heiß geliebte Maple-Valley-Kurs und die neue Hakone-Strecke in Japan. Bei beiden macht das Farbspiel der Bäume den Unterschied.
Stadtstrecken, die dem Auge mehr Greifbares bieten könnten, fehlen bislang genauso wie die berühmte Nürburgring Nordschleife. Letztere soll aber über ein kostenloses Update in etwa sechs Monaten nachgeliefert werden.
Futter wird es dank der regelmäßigen (kostenlosen) Strecken-Updates genug geben, zumal man sich sowieso tiefer in das Material einarbeiten muss als in früheren Teilen der Serie.
So zwingt euch die Karriere nun zu Trainingsrunden vor den Rennen, welche die Streckenkenntnis erhöhen und bei der Einschätzung helfen, welche Reifen und wie viel Sprit man beim Start der Veranstaltung mitnimmt. Erfreuliche, neue Features, die mehr Simulationslastigkeit beweisen, auch wenn sie Elemente wie Reifendruck noch immer ignorieren.
Das Auslassen einer Qualifikation bleibt derweil unverständlich. Ihr dürft euch stattdessen vor dem Rennen frei aussuchen, auf welcher Position ihr startet (zwischen Platz 4 und Platz 24). Für erhöhtes Risiko winkt mehr Preisgeld. Der Unterschied in der Ausbeute auf den hinteren Rängen ist allerdings so geringfügig, dass man sich höchstens aus spielerischer Herausforderung hinter Platz 12 einreiht. Eine echte Qualifikation (wie es sie in Online-Rennen gegen menschliche Fahrer gibt) wäre eine authentischere und auch spaßigere Lösung gewesen.
Der große Knick: Das Pseudo-RPG-System
Nun aber genug um den heißen Brei herumgeredet. Kommen wir nun endlich zu der zuvor angeteaserten schlechten Idee, die den Spielspaß auf Dauer reduzieren könnte.
Sie betrifft das Upgrade- und Tuning-System der Autos, das euch vorgibt, erst eine gewisse Zeit mit einem Auto zu fahren, bevor ihr es modifizieren könnt. Mit jeder gemeisterten Kurve, jedem abgeschlossenen Event und jedem Überholmanöver steigt eine Art Erfahrungswert für das Auto, mit dem ihr es (ähnlich wie bei einem Rollenspiel) auflevelt.
Für den Einzelspieler-Anteil ist das an sich eine nette Idee, weil sie die Bindung zum Fahrzeug steigert. Man sammelt nicht nur theoretische Erfahrungspunkte, man lernt ja tatsächlich, durch praktische Übung den Wagen zu beherrschen. Problematisch sind nur die künstlichen Upgrade-Schranken, weil sie inhaltlich keinen Sinn ergeben.
Ein Beispiel: Bei einigen Wagen erhaltet ihr schon nach wenigen Level-ups einen Satz besserer Reifen als Belohnung. Installieren dürft ihr sie aber erst ab Level 11. Wieso werden sie dann überhaupt schon vorher als Preis spendiert? Generell wirken die Upgrade-Möglichkeiten je Level fast schon ausgewürfelt. Etwa dürfen die wichtigsten Änderungen am Motor erst ab Level 26 vorgenommen werden, sind dann aber in drei Kategorien bis Level 35 segmentiert. Warum, außer aus Schikane?
In der Offline-Karriere nimmt man sich immer ein bestimmtes zweckgebundenes Auto für eine Renn-Kategorie, daher könnte man in diesem Bereich des Spiels theoretisch damit leben. Dumm nur, dass auch der Multiplayer-Anteil davon betroffen ist. Oder zumindest ein Teil davon.
Grinden für den Online-Fuhrpark
Online-Rennen gibt es in drei Ausführungen. Erstens: offizielle Rennen, genannt Spec-Events, mit vorgegebenen Autos. Zweitens: freie Rennen bei denen die Autoklasse flexibleren Vorgaben unterliegt. Drittens: private Lobbys, bei denen ihr als Veranstalter Narrenfreiheit genießt.
Spec-Events wechseln in einem Programmturnus Wagenklasse und Strecke und werden zeitlich fest vorgegeben. Manche sind an gewisse Tage gebunden, andere starten jede halbe Stunde neu. Hier gleicht das Reglement alle verwendeten Autos automatisch an.
Bei offenen Lobbys, beziehungsweise privaten Rennen, die viel mehr Spielraum im Reglement haben, weil sie mitunter über die volle Renndistanz gehen, strengere Kollisionsregeln bestimmen und andere Vorgaben auferlegen können, legt euch das RPG-artige Aufleveln allerdings Steine in den Weg.
Wenn nämlich ein Racing-Club, die nächstbeste Forza-Discord-Gruppe oder ein E-Sport-Veranstalter ein offenes Online-Rennen veranstaltet, das einen voll ausgestatteten Wagen voraussetzt, müsst ihr erst mindestens drei Stunden mit diesem Wagen über diverse Rennstrecken grinden, obwohl euch das Fahrzeug anderweitig womöglich gar nicht interessiert.
Um spontane Teilnehmer, welche die Ankündigung für das Rennen erst spät entdeckt haben, nicht zu benachteiligen, dürften solche Rennen nur mit der Fabrikausstattung und den schlechtesten Reifen vorgegeben werden. Absichtlich das Niveau des Rennes absenken, damit alle dieselben Chancen haben? Im Ernst jetzt?
Noch schlimmer wird es, wenn ihr ein Race-Hopper seid, der gerne von einer Veranstaltung zur nächsten wechselt und nach aktueller Laune entscheidet. Um in einer eingespielten Community sonntags regelmäßig Rennen jeglicher Art mitfahren zu können, müsst ihr jeden Tag in der Woche ein anderes der über 500 Autos per Grind hochleveln, um entsprechend Auswahl zu haben. Uff!
Klar, irgendwann hat man alle Autos, mit denen man tatsächlich fährt, bearbeitet. Aber warum muss man sich die Mühe überhaupt machen? Wie viel Sinn ergibt der Abgleich meines Grindfaktors, wenn es um das fahrerische Talent geht?
Im Einzelspieler-Anteil lasse ich mir so etwas gerne gefallen, aber online könnten diese grindförderlichen Restriktionen viele Leute abschrecken. Das hätte ein Ausdünnen der Online-Modi zufolge.
Unnötig hoch drei! Dabei sind alle anderen Online-Regelungen prima ausgetüftelt worden. Siehe etwa das Safety-Rating, das man nach einer kleinen Start-Veranstaltungen zugesprochen bekommt. Es schätzt ein, wie rammfreudig man ist und reguliert dementsprechend das Matchmaking, damit faire Fahrer nur zu Ihresgleichen kommen. Wer regelmäßig Unfälle baut oder die Streckenbegrenzungen schneidet, erhält nicht nur Zeitstrafen, sondern fliegt womöglich sogar aus einem laufenden Rennen.
In meinen Testrunden arbeitete die KI erstaunlich feinfühlig. Der Strafenkatalog, der in der Regel Strafsekunden auf die aktuelle Rundenzeit packt, wurde nie überreizt. Billig davon kam aber auch niemand. Angeblich erkennt die KI rund 5.000 unterschiedliche Arten von Rennvorfällen und schätzt ihre Wirkung auf Platzierungen und Rennverlauf entsprechend ein. Ehrlich gesagt bin ich überrascht, wie gut sie arbeitet.
Grafische Vorzüge
An dieser Stelle könnte ich dieses Review theoretisch beenden. Was gibt es bei einem simulationslastigen Rennspiel Wichtigeres als die Regularien, das Fahrgefühl und die damit zusammenhängende Physik?
Grafik? Ach, iwo! Erzählt das mal jenen beinharten Simracing-Enthusiasten, die ihre Grafikeinstellungen auf dem PC so weit herunterdrehen, bis sie stabile 240 Bilder pro Sekunde sicherstellen können.
Na gut, ich hatte ja schon gesagt, dass das neue Forza Motorsport weiterhin ein Simcade-Rennspiel darstellt, was mitunter der angepeilten Zielgruppe geschuldet ist. Viele Xbox-Gamer und Gelegenheits-Racer wollen auch was fürs Auge, und Turn 10 gehorcht.
Sämtliche Strecken wurden nicht nur per Laserscan neu ausgemessen. Sie wurden sogar komplett neu modelliert, damit Streckendetails dichter wirken. Bäume bestehen endlich aus echten 3D-Modellen und nicht mehr aus Pappaufstellern, Landschaftsdetails reichen bis an den Horizont und selbst unwichtige Objekte wie etwa Pylonen erscheinen weniger generisch. Derweil garantieren Echtzeit-Beleuchtung und Witterungseffekte volle 24-Stunden-Tageszyklen auf sämtlichen Kursen.
Das allein wäre schon ein Upgrade, gäbe es nicht noch eine Option auf Raytracing-Spiegelungen auf dem Lack der Autos und Ambient Occlusion für die Verdichtung der Streckenschattierung, das ebenfalls durch Raytracing errechnet wird. Drei Grafikmodi jonglieren auf Xbox Series X Grafikqualität, Bildrate und Auflösung anhand diverser Niveaus. Auf Series S, bei der Raytracing nur im Showroom zum Einsatz kommt, sind es lediglich zwei Modi.
Verzichtet ihr im Performance-Modus auf Raytracing, dann erhaltet ihr volle 4K-Auflösung bei 60FPS. Performance-RT-Modus beschert euch die besagten Raytracing-Spiegelungen und das AO auf einfachem Qualitätslevel, was eine dynamische Absenkung der Pixeldichte auf durchschnittlich rund 1440p zufolge hat. Die Bildrate bleibt dennoch stabil auf 60 Zählern. Volle Raytracing-Pracht bei höchster Qualität erlebt ihr im letzten Grafikmodus, und auch nur auf Kosten einer halbierten Bildrate. Wobei ich Leute, die eine Beinahe-Rennsim auf 30 FPS spielen, in den gleichen Topf packe, wie jene, die ihr Fleisch im Steakhaus durchbraten lassen. Spielt lieber Mario Kart, ihr Banausen!
Rational betrachtet hat das Ambient Occlusion per Raytracing einen größeren Wert als die Spiegelungen, weil es die Beleuchtungsverhältnisse verbessert. Daher ist es schade, dass man nur beides abschalten bzw. zuschalten kann, statt eine der beiden Techniken zu ignorieren und dementsprechend Rechenzeit freizugeben, wie es am PC möglich ist.
Bedauerlich, schließlich geht es um einen Aufwand, der ganz schön viel Rechenzeit kostet und daher mit kleineren Opfern einhergeht. Eine große Anzahl an Bodentexturen wirkt auf der Series X weniger scharf als noch in der 4K-Version von Forza 7, während die Echtzeit-Schatten zwar dynamisch dem Stand der Sonne folgen, aber grobe Ränder aufzeigen. Am Speicheraufwand liegt das keinesfalls, wie die PC-Version beweist. Selbst mit der Grafikqualität auf Anschlag verbrät das Spiel maximal 7 GB im Grafik-RAM.
Angesichts der Geschwindigkeit, mit der man sich während der Rennen bewegt, ist das verschmerzbar, zumal das gesamte Niveau der grafischen Darstellung zugenommen hat. Die Unterschiede dürften nur Liebhabern des Foto-Modus auf Dauer sauer aufstoßen, denn die Xbox-Version rangiert größtenteils auf den „Hoch“-Einstellungen der PC-Version, was bei Nahaufnahmen allzu sichtbar wird.
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Würde die PC-Fassung, die in jeder Hinsicht noch einen Tick schärfer rüberkommt, nicht mit flackernden Kanvas-Rändern im Vollbildmodus kämpfen (was mehr eine Windows-Krankheit darstellt als ein Problem von Turn 10) wäre sie klar die bessere Wahl für Grafikfetischisten. Vor allem, wenn ihr statt der leicht unsauberen temporalen Kantenglättung, an der ihr auf der Xbox nicht vorbeikommt, Nvidias DLSS nutzt.
Tipp: Noch bevor ihr das erste Rennen startet, solltet ihr in den Menüs das HDR-Niveau anpassen, sonst wirkt die Grafik bei normalen Tagesverhältnissen ein wenig zu bleich.
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