Test - Final Fantasy XVI : Bombastische Action, tiefschürfende Story und ein großes Aber
- PS5
Langjährig laufende Spieleserien riskieren schnell mal, sich festzufahren und mit der Zeit an Kreativität einzubüßen. Offensichtlich wurde auch Square Enix das gemachte Final-Fantasy-Bett zu bequem, weshalb das Studio bereits beim 15. Teil einige grundlegende Elemente veränderte. Trotz des neuartigen (und offen gesagt etwas seltsamen) Kampfsystems und der Boyband-Reisetruppe blieb es im Kern aber ein weitestgehend traditionelles JRPG. Also fährt das Studio jetzt bei Final Fantasy XVI die ganz schweren Geschütze auf und wirft die Rundentaktik komplett über Bord, stattdessen gibt es Echtzeit-Kloppereien im Stile von Devil May Cry, ummantelt von einer deutlich erwachsener erzählten Geschichte im Fantasy-Mittelalter.
Für das Team hinter Final Fantasy XVI steht so einiges auf dem Spiel, liest man zwischen den Zeilen. In einem Interview, das ich vor wenigen Wochen mit dem Producer Naoki Yoshida führte, machte er klar: Die Entwickler fürchten sich zwar davor, durch die drastische Neuausrichtung Fans zu verprellen, aber noch viel mehr Angst bereite ihnen, kreativ zu stagnieren. Durch die Blume gab er auch zu, dass die Reihe sich selbst immer weiter in eine Nische manövriert hatte. Das sorgte dafür, dass es sich immer schwerer gestaltete, die millionenschweren Budgets bei Square Enix zu rechtfertigen. Etwas Neues musste her, etwas Aufregendes, etwas, das frische Fans und damit einhergehend mehr Einnamen generiert.
Nun sitze ich hier, die Credits laufen und ich frage mich nach 45 Stunden Gefühlsachterbahn mit Clive, Joschua, Jill und vielen anderen: Gelingt dieses Unterfangen? Denn Final Fantasy XVI macht einiges neu, vieles davon auch richtig, richtig gut. Sorgen bereiten mir vielmehr die alten Zöpfe, die Yoshida und sein Team nicht abschneiden konnten (oder wollten). Aber eines nach dem anderen.
In Echtzeit volles Rohr auf die Nase
Mit der Änderung des Kampfsystems läuft Square Enix durchaus Gefahr, alte Fans zu verprellen. Rundentaktik verlor schon in Final Fantasy XV und dem Remake von Final Fantasy VII an Bedeutung, Elemente davon existierten aber in beiden Ablegern noch immer zumindest im Hintergrund. Mit dem neuen Fighting Director Ryota Suzuki gelang es dem Team aber endgültig, auf einen Echtzeit-Character-Action-Ansatz zu wechseln. Der Capcom-Veteran wirkte in der Vergangenheit beispielsweise an Dragon’s Dogma und Devil May Cry 5 mit, und diese Einflüsse tropfen in Final Fantasy XVI aus jedem Pixel.
Wenn ihr euren Gegnern im Nahkampf Clives Schwert um die Ohren haut oder ihnen aus der Ferne mit magischen Projektilen zusetzt, kommen schnell Erinnerungen an Dantes Abenteuer hoch. Finger-verknotende Kombos bietet Final Fantasy XVI zwar nicht, an Abwechslung mangelt es denn Keilereien aber dennoch nicht. Dafür sorgen die Esper-Kräfte, von denen ihr insgesamt sieben Stück im Spielverlauf ansammelt.
Die kommen jeweils mit ihrem eigenen Set an Fähigkeiten, ausrüsten dürft ihr maximal drei Esper auf einmal. Ifrit beispielsweise haut mit feurigen Pranken zu oder entfacht ein Flammeninferno, Titan setzt auf wuchtige, aufladbare Angriffe mit steinernen Fäusten und Ramuh entfesselt prickelnde Blitze. Auch wenn ich schnell meine Lieblinge fand, motivierte das Experimentieren mit den diversen Kombinationen doch bis zum Ende und hielt die Kämpfe stets abwechslungsreich und spaßig.
Mit dem Limitrausch setzt euch Final Fantasy XVI aber noch ein weiteres System vor, das euch nicht selten den royalen Hintern aus der Bredouille rettet. Kassiert ihr Treffer oder teilt selbige aus, füllt sich die zugehörige Leiste. Aktiviert ihr anschließend den Modus, dreht Clive heftiger durch als Hubert Aiwanger auf Twitter und haut extra stark zu. Ein netter Bonus: Angriffe regenerieren Lebensenergie.
Weiter unterstützt euch der treue Wolf Torgal. Über das Steuerkreuz weist ihr ihn an, Gegner anzufallen oder euch in mikroskopischem Maße zu heilen. Ich für meinen Teil vergaß regelmäßig, dem Vierbeiner Anweisungen zu geben, einfach, weil auf dem Digipad auch die Heiltränke liegen und mir die dann doch wichtiger erschienen. Glücklicherweise agiert Torgal auch ohne Kommandos halbwegs sinnvoll. Gänzlich ohne euren Input hingegen kämpfen die wechselnden Party-Mitglieder. Dafür teilen sie sichtlich Schaden aus, heilen euch auch mal und ziehen gekonnt die Aggro von Gegnern auf sich.
Da werden Sie geholfen
Wenn euch meine Ausführungen den Angstschweiß auf die Stirn treiben, dann seid beruhigt: Final Fantasy XVI vergisst die Rundentaktik-Veteranen nicht und bietet haufenweise Optionen, um das Abenteurerleben leichter zu gestalten. So trägt Clive diverse Ringe im Inventar, die euch beispielsweise automatisch ausweichen lassen oder kurz vor eingehenden Treffern die Zeit verlangsamen. Reicht das immer noch nicht, dann aktiviert doch den Story-Modus. Dieser korrigiert die Leben und Stärke der Gegner massiv nach unten, wodurch ein einziger Esper-Angriff dann gerne mal eine komplette Horde auslöscht.
Ich für meinen Teil absolvierte die gesamte Story im Action-Modus und ohne angelegte Ringe. Gegen Ende zog der Schwierigkeitsgrad zwar ordentlich an, unschaffbar gestalteten sich die Kämpfe aber nie.
Die „Berüchtigten Gefahren“ hingegen, die hauten mich doch ein, zwei Mal aus dem Leben. Dabei handelt es sich letztlich um besonders starke Versionen von normalen Gegnern oder Zwischenbossen, die mit besonders wirksamen Materialien und Belohnungen winken. Allerdings bindet euch Final Fantasy XVI nicht auf die Nase, wo ihr sie findet. Stattdessen steht am Jagdbrett im Versteck geschrieben, wo sie sich ungefähr befinden. Also reist ihr in das entsprechende Gebiet und begebt euch auf die Suche nach Hippogryph, Ahriman, Königsbomber und Co.
Alles an einem Ort
Wo ich es schon vom Versteck hatte, das fungiert zwischen den Missionen als Hubgebiet, in dem ihr allerhand nützliche Anlaufstellen findet. In „Charons Büdchen“ kauft ihr neue Waffen und Tränke, beim „Blühenden Amboss“ craftet ihr frische Schwerter und Rüstungsteile oder wertet eure Ausrüstung auf. Am Arete-Stein hingegen findet ihr den virtuellen Kampfplatz und die Option, gespielte Abschnitte zu wiederholen. Auch Nebenquests warten im Versteck auf euch.
Die fallen, gelinde gesagt, monoton aus. Entweder schicken euch die Auftraggeber in ein bestimmtes Gebiet, um böse Buben und Monster zu verkloppen, oder ihr müsst Essen und Waren ausliefern. Das klingt genauso spannend, wie es letztlich ist. Latscht einfach zu drei Personen, stellt ihnen den Teller hin, fertig. Hier lässt Final Fantasy XVI viel Potenzial liegen. Immerhin vertiefen ein paar Nebenmissionen die Hintergrundstorys mancher Charaktere. Wieder andere, diese markiert ein Plus über dem Kopf des Bittstellers deutlich, bringen euch dauerhafte Verbesserungen wie wirksamere Tränke.
Auch während der Hauptstory fällt das monotone Questdesign regelmäßig auf. An Stellen, an denen ihr bestimmte Personen suchen sollt, weist ein fetter Marker über ihren Kopf unmissverständlich auf sie hin. An anderer Stelle sollt ihr eine Burg über eine Mine infiltrieren und dabei leise vorgehen. Eigentlich ein cooler Ansatz, tatsächlich schleichen müsst ihr aber nicht. Stattdessen entdecken euch die grimmigen Orks nach kürzester Zeit, und es geht direkt in den Kampf. Kein Beinbruch, aber auch hier wäre mehr drin gewesen. Manchmal fühlt es sich regelrecht so an, als würde Final Fantasy XVI Ping-Pong mit euch spielen. Ihr latscht einfach nur Questmarker ab, bis ihr die nächste Zwischensequenz erreicht und über die Schnellreise den Ort der Mission betreten dürft.
Ich glaub’, mich tritt ein Esper
Serientypisch markieren die Esper-Kämpfe die größten Highlights von Final Fantasy XVI. Wenn die riesigen Monster aufeinandertreffen, bleibt kein Stein auf dem anderen und keine Kinnlade an Ort und Stelle. Beispielsweise prügeln sich der teufelsähnliche Ifrit und der haushohe Titan in einer Untergrundhöhle, dass die Erde bebt. Gegen Typhon hingegen gilt es, seinen Energieprojektilen und auf euch zurasenden Wänden auszuweichen. Abgesehen von der epischen Orchestermusik und den Chören, die euch stets zu Höchstleistungen antreiben, sehen diese Bosskämpfe auch einfach verdammt gut aus.
Alleine die optische Ausarbeitung der Kaiju-ähnlichen Kreaturen ist eine Augenweide, dazu gesellen sich die passenden Animationen und durch die Bank beeindruckenden Partikeleffekte. Die werten schon die regulären Kämpfe auf, in den Esper-Fights gestalten sie sich aber noch einmal imposanter. Wobei hier gelegentlich die Gefahr besteht, dass man vor lauter Bombast gar nicht mehr erkennt, was eigentlich gerade vor sich geht. Besonders gerne versinken die filmreif inszenierten Manöver Ausweichen, Angreifen oder Kräftemessen im allgemeinen Tohubawohu. Dabei handelt es sich letztlich um Quick-Time-Events, damit Phasenwechsel in den Bosskämpfen nicht als pure Zwischensequenz ablaufen.
Bei all der schicken Präsentation bei den Obermotzen und Story-Zwischensequenzen muss ich aber doch sagen: Final Fantasy XVI sieht man nicht immer an, dass es exklusiv auf der Playstation 5 erscheint. Die Ladezeiten sind zwar quasi nicht existent, in den offenen Zwischengebieten dominieren aber oftmals flache Texturen das Bild. Insgesamt zaubert Square Enix aber zumindest sehr stimmige Gesamtbilder auf den Screen.
Besonders schmerzlich stachen mir allerdings die NPCs ins Auge, von denen ihr Nebenmissionen erhaltet. Sie bringen weniger Mimik dar als der Terminator und fallen bisweilen durch abgehackte Animationen auf. Ihnen widerfuhr während der Entwicklung des Spiels spürbar weniger Liebe. Wenn ich über die grünen Auen von Rosaria wandle, den von der Fäule ausgezerrten Dämmerwald besuche oder den Blick über die Felder vor Oriflamme schweifen lasse, verzeihe ich Final Fantasy XVI seine optischen Schwächen auch gerne mal.
Die fehlende Liebe für NPCs schlägt sich allerdings auch bei der deutschen Vertonung nieder. Der Hauptcast ist durch die Bank gut bis sehr gut besetzt, besonders hervorheben will ich Vincent Fallow als Protagonist Clive Rosfield. Die Emotionen des innerlich zerrissenen Helden kommen in jeder Zeile durch, wie auch bei seinem Bruder Joschua oder der ständigen Begleiterin Jill. Weniger wichtige NPCs klingen hingegen albern bis fast schon grausam, in Kombination mit den starren Gesichtszügen kein schönes Bild. Die nicht immer gegebene Lippensynchronität tut ihr Übriges.
Game of Thrones nach japanischer Art
Während der Konzeptionsphase von Final Fantasy XVI rief Naoki Yoshida eine Pflichtveranstaltung auf den Plan, die andere Firmen wohl als Teambuilding-Maßnahme verwenden würden. Die gesamte Truppe schaute gemeinsam die HBO-Hitserie Game of Thrones durch. Denn mit der Rückkehr zu einem klassischen Mittelalter-Fantasy-Setting wollte er auch die Erzählweise ändern und in gewisser Weise an westliche Vorlieben anpassen.
Das Ergebnis spricht für sich. Krasses Overacting wie in früheren Serienteilen erwartet euch nicht mehr, stattdessen inszeniert sich die gesamte Präsentation viel geerdeter. Die Geschichte versorgt euch stets mit absurd vielen Details zu den Nationen der Spielwelt Valisthea, inklusive ihrer Herrscher, deren Beziehungen untereinander und Clives Platz in alledem. Glücklicherweise bietet euer Versteck Anlaufstellen, an denen ihr auf einem Zeitstrahl sämtliche Ereignisse noch einmal nachverfolgen und Schritt für Schritt studieren dürft.
Ganz grundlegend siedelt sich die Handlung in den Jahren 860, 873 und 878 an. Clive Rosfield gehört zur Herrscherfamilie von Rosaria, sein Bruder Joschua trägt den legendären Flammen-Esper Phönix als Dominus in sich. Anders als in anderen Final-Fantasy-Teilen handelt es sich bei den mystischen Wesen nicht um Beschwörungen, sie wohnen stattdessen ihren sogenannten Domini inne, die sich bei Bedarf in die riesigen Kreaturen verwandeln.
Zu viele Worte über die Story will ich an dieser Stelle gar nicht verlieren, das würde euch nur die Spannung rauben, sie selbst zu erleben. So viel sei aber gesagt: Nach dem tragischen Verlust seines Bruders trachtet Clive nach Rache. Aus dieser Ausgangssituation entwickeln sich schnell weitere Ziele. So scheint etwas mit den Mutterkristallen nicht zu stimmen, die Valisthea ihre Kraft spenden. Und auch die Versklavung von Menschen, die Magie ohne Kristallsplitter wirken, schmeckt unserem adeligen Helden so gar nicht.
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Auch wenn sie extrem umfangreich ist, zog mich die Geschichte schnell in ihren Bann. Allerdings kommt an dieser Stelle dann mein größtes Problem mit Final Fantasy XVI zum Tragen, das sich als Unart schon immer durch die komplette Reihe zieht: Das Erzähltempo gerät regelmäßig ins Stocken und fällt zeitweise langatmiger aus als Darth Vader. Nach einer großen Schlacht reißt euch das Spiel gewaltsam aus der Spannungsspirale und lässt euch sinnlose Fetch-Quests erledigen, die als Nebenmissionen besser aufgehoben wären. Anders ausgedrückt: Dauerte die Story 15 Stunden weniger, gefiele sie mir noch besser.
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