Preview - Elden Ring : Das letzte Preview vor Release
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In nur noch zwei Wochen, genauer gesagt am 25. Februar, ist es endlich soweit: Dann erscheint From Softwares Beitrag zum Open-World-Genre: Elden Ring. Sechs Stunden konnte ich das fertige Spiel bereits spielen und habe dabei (fast) die komplette Spielwelt gesehen, etliche Geheimnisse entdeckt und zahlreiche Bosse besieg… ihnen mal kurz „Hallo“ gesagt.
In sechs Stunden fast die komplette Spielwelt gesehen? Ja, das geht tatsächlich. Zumindest wenn man in den schwereren Gebieten an den Gegnern hauptsächlich nur vorbeirennt oder -reitet. Denn während das Gebiet in unserer letzten Demo, die ihr mit etwas Glück auch im Closed-Network-Test spielen durftet, von unsichtbaren Wänden umzäunt war, die man aus Spoiler-Gründen noch nicht überqueren sollte, trägt die Spielwelt in der fertigen Version mit Fug und Recht die Bezeichnung Open World. Natürlich gibt euch das Spiel durch die Geschichte eine halbwegs sinnvolle Route durch die sogenannten Zwischenlande vor, doch prinzipiell steht es euch direkt nach dem Tutorial frei, in jede beliebige Himmelsrichtung und in jedes Gebiet zu gehen oder zu reiten.
Und genau das habe ich gemacht. Während das Spiel mich nach Schloss Stormveil schicken möchte, in dem bereits die hinlänglich bekannte Demo stattfand, gebe ich meinem Pferd die Sporen und reite gen Süden zu einer in düsterem Nebel gelegenen Halbinsel, die in der damaligen Version noch nicht enthalten war, dann ganz nach Norden in einen modrigen Sumpf. Von den malerischen Wiesen im Westen zu den verbrannten Ascheebenen im Osten. Gut ein bis zwei Stunden hat es gedauert, bis ich die komplette Map einmal von unten nach oben vermessen hatte – auch deshalb, weil man im unwegsamen Gelände nie auf direktem Wege zum Ziel gelangt.
Eine offene Welt, die diesen Namen verdient
Oft führt nur eine schmale Schlucht durchs Gebirge auf die andere Seite, deren Eingang erstmal gefunden werden muss. From Software unterteilt die verschiedenen Gebiete des Spiels unnachahmlich geschickt, nicht wie Assassin’s Creed durch willkürliche Grenzlinien auf der Map, sondern allein durch ihre Topographie: Während die Burg der Ketzer hoch oben auf einem abgeschiedenen Berg-Plateau thront, liegen die Ruinen der Magier-Akademie tief darunter im Sumpf. Wer über die eingestürzte Brücke in die Burg gelangen will, muss sich zunächst durch die Minen auf die andere Seite kämpfen. Jeweils den Weg vom einen Ort zum anderen zu finden, erfordert schon einiges an Zeit und Orienterung.
Das Erlebnis Elden Ring speist sich aus einem Grundpfeiler der Dark-Souls-Philosophie und breitet ihn in die Dimension eines Open-World-Spiels aus: der Lust am Erkunden und Entdecken. Im Gegensatz zu anderen Vertretern des Genres wie Assassin’s Creed oder aktuell Dying Light 2 erdrückt es den Spieler nicht mit Zielmarkierungen auf der Landkarte, die es lediglich abzuarbeiten gilt, sondern überlässt es ganz allein euch und eurer Neugier, sich die Welt nach und nach zu erschließen. Und im Gegensatz zu den einschlägigen Genrekollegen versteckt sich in der Spielwelt nicht in erster Linie Kram und Trödel, der wenn überhaupt in erster Linie nur für die Prozentzahl in der Statistik benötigt wird, sondern belohnt Elden Ring allerorts mit einer Überraschung, deren Auffinden allein schon Belohnung in sich selbst wäre.
Elden Ring folgt damit offenkundig der Breath-of-the-Wild-Philosophie eines Open-World-Spiels – und nicht etwa der von Ubisoft. Hier durchstreift ihr die Landschaft in ständiger Entdeckerlaune und freudiger Erwartung, was sich hinter der nächsten Biegung oder Böschung wohl verbergen mag. Hier seid ihr wahrlich Pfadfinder und nicht bloß Staffelläufer. Eine kleine Kapelle im Wald beherbergt einen wertvollen Schmiedestein – natürlich bewacht von einem Rudel Wölfe. Nichts wie hin! In der Felswand der Klippe lässt sich schon von Ferne ein kleines Tor erkennen – das in ein altes Bergwerk führt, an deren Ende ein Riese als Boss schon auf euch wartet. Wow! Bei einem Abstecher zum Tal der merkwürdigen Kessel-artigen Wesen werdet ihr urplötzlich von einem monströsen Baum angegriffen. Und beim Erreichen des ausgetrockneten Sees schießt auf einmal ein riesiger Drache aus dem Himmel herab.
Ein Großteil des Spiels scheint optional zu sein und dient weniger dem Fortschritt der Geschichte als vielmehr dem Erbeuten von besserer Ausrüstung oder wertvollen Materialien, wie es auch schon die Dark-Souls-Spiele im Herzen kennzeichnete. So lässt sich auch die Zahl von 30 Stunden erklären, die Miyazaki kürzlich in einem Interview für das Absolvieren der Hauptstory angab und damit für reichlich Verwirrung sorgte. Auf diese Spielzeit dürfte nur kommen, wer das Spiel zum wiederholten Male spielt und alles abseits der Hauptquest vollständig ausblendet. Der tatsächliche Wert wird mit Gewissheit deutlich darüber liegen. Nach meiner momentanen Einschätzung wird Elden Ring das bisher mit Abstand umfangreichste Spiel von From Software.
Denn überall in dieser Welt gibt es etwas zu entdecken und zu erleben, dem man sich gerne widmet. Wer sich auf den Friedhof voller Untoter wagt, verschafft sich Zugang zu einer Gruft mit einer Schatztruhe, die einen Zauberspruch beherbergt. Wer den Brief der blinden Jungfer an den gefangenen Ritter überbringt, erwirbt sich deren Dankbarkeit. Und dann stolperte ich auf einmal über diesen versteckten Fahrstuhl irgendwo im Nirgendwo, der mich hinabsenkte in eine vergessene unterirdische Stadt, gegen die die Minen von Moria wie harmlose Ruinen wirken und in denen der mysteriöse Geister-Elch aus den Trailern zum Leben zu erwecken ist, wenn man vorher ein kleines Geheimnis lüftet.
Wie schwer ist Elden Ring im Vergleich mit Dark Souls?
Viel wurde auch über den Schwierigkeitsgrad von Elden Ring gemutmaßt. Immer wieder war in Interviews mit den Entwicklern zu lesen, dass From Software seine Spiele einer größeren Spielerschaft öffnen möchte, auch Ottonormal-Nach-Feierabend-Gamern ermöglichen will, den Abspann zu sehen, und nicht nur ihren Jüngern biestiger Demütigungen. Ist Elden Ring daher womöglich ein verweichlichtes Dark Souls light, das die Fans vor den Kopf stoßen könnte?
Mit ziemlicher Sicherheit nicht. Elden Ring ist lediglich zugänglicher an Stellen, an denen Dark Souls seinen Spielern vorsätzlich Knüppel zwischen die Beine warf. Es kommt denjenigen, die danach verlangen, deutlich mehr entgegen, statt sie aus der Ferne zu verhöhnen. So fällt es etwa sehr viel einfacher und unkomplizierter aus, sich mal eben Koop-Spieler zu Hilfe zu holen, wenn man an einem Boss verzweifelt. Auch sind die Leuchtfeuer in der offenen Spielwelt deutlich großzügiger verteilt und werden zusätzlich durch Quick-Checkpoints ergänzt, sodass ihr erst gar nicht in die Gefahr der Tretmühle geratet, dieselbe Stelle immer und immer wieder in Angriff nehmen zu müssen, sondern im Falle eures Ablebens in der Regel wenige Meter entfernt eure Reise wieder aufnehmt.
Abgesehen davon gestaltet sich Elden Ring allein schon deshalb sehr viel weniger zermürbend, weil man sich in der Offenheit der Spielwelt sowieso nicht mehr dazu gezwungen fühlt, jeden einzelnen Gegner auf dem Weg zu besiegen, sondern sie häufig einfach weiträumig umgeht. Oder schleicht. Denn auch das ist nun möglich und hilft dabei, etlichen Konfrontationen entweder von vornherein aus dem Weg zu gehen oder den Kontrahenten heimlich mit einem einzigen Schlag in den Rücken zu erledigen, was manche verzwickte Situation erleichtert.
Entgegenkommender wird Elden Ring für Souls-Anfänger vor allem aber auch deshalb, weil ihr euch im schlimmsten Fall eben nicht mehr stundenlang an einer garstigen Stelle festbeißen müsst, um sie schlussendlich niederzuringen, sondern sie auch erstmal ruhen lassen und an einem völlig anderen Ort in der Spielwelt weitermachen könnt, bis sich mit höherem Charakterlevel und besserer Ausrüstung zurückkehren lässt.
Nichtsdestotrotz bietet Elden Ring noch immer ausreichend Herausforderung, wie sie von gestandenen Souls-Veteranen gewünscht und erwartet wird. Insbesondere in den prächtigen Burgen und zerfallenen Städten, in denen sich die fünf zentralen Bosse der Story, die zu vernichtenden Halbgötter, verschanzen, ist das Spiel deutlich enger und linearer gefasst, wird zutiefst durchdrungen von der unsicheren Atmosphäre und dem markanten Leveldesign mit seinen Abkürzungen und Umwegen, wie sie die traditionelle Souls-Erfahrung prägt.
Sowieso muss man Elden Ring attestieren: Hätte From Software nur gewollt, hätten sie das Spiel auch ohne tiefgreifende Änderungen einfach Dark Souls 4 nennen können, ohne dass jemand daran Anstoß hätte nehmen können. Das beginnt bereits bei seiner Geschichte, die erneut von einem auserwählten Untoten handelt, der auszieht, um die Fürsten des Landes zur Strecke zu bringen, um einen Fluch abzuwenden – nur eben, dass in der Mythologie von Game-of-Thrones-Schöpfer George R.R. Martin alles ein bisschen anders heißt.
Auch die zahlreichen Gegner von den fackelschwingenden Zombies bis zu den Riesenkrebsen im Sumpf, den irre kichernden NPCs vom verzweifelten Wanderer bis zum schelmischen Händler, von der Architektur des Schlosses, das auf den ersten Blick aussieht wie Lothric in Dark Souls 3, bis zu einzelnen Bossen, die man unter anderem Namen als den Letzten Riesen in Dark Souls 2 oder die senseschwingende Schwester Friede im Ariandel-DLC wiederzuerkennen glaubt – From Software zitiert sich mal wieder in einer Tour selbst.
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Gleichzeitig brillieren die Entwickler in der für sie typischen Weise in einem einzigartig originellen Design von ironisch verschroben bis grotesk abartig: Der Professor der Zauberschule ist eine schrullig sanftmütige Riesenschildkröte mit alberner Bischofsmütze auf dem Kopf. Ein NPC in Nöten sieht aus wie ein Suppenkessel auf Beinen. Ein Boss reist wie der Todesfährmann Charon in einem geisterhaften Paddelboot. Und ein Gegnertyp wurde zu seinen Lebzeiten offenbar in einen viel zu engen Käfig gesperrt, mit dem er mittlerweile auf bizarre Weise verwachsen ist, sodass es aussieht, als trage er ihn wie ein qualvoll entstellendes, aber doch fetischhaft adrettes Röckchen.
Was kann noch schiefgehen?
Nach mehreren sehr ausführlichen Anspielsitzungen mit Elden Ring bin ich mir ziemlich sicher, dass uns nichts weniger als eine spielgewordene Offenbarung und der nächste große Sprung in der Vita von From Software erwartet. Gibt es Punkte, die derzeit noch dagegen sprechen? Nun, möglicherweise könnte der ein oder andere Dark-Souls-Fan im Nachhinein der Meinung sein, dass ihm die dichte und eng geführte Erfahrung der früheren Spiele lieber ist als deren Ausbreitung in einer frei begehbaren Spielwelt. Vielleicht wird es mancher als Open-World-Unsitte wahrnehmen, dass Consumables wie Feuerbomben und Ausdauertränke nicht mehr fix und fertig eingesammelt werden, sondern durch das unablässige Sammeln von Blümchen und Zweigen selbst gebastelt werden müssen. Auch die optionalen Dungeons wecken in mir zum jetzigen Zeitpunkt noch etwas zwiespältige Erinnerungen an die eintönigen Kelchdungeons in Bloodborne. Und Hardcore-Fans mögen betrübt sein, dass nicht jeder umgestürzte Turm und jede Gebäuderuine eine eigene Geschichte erzählt und dadurch seinen Beitrag zur alles umspannenden Lore leistet, sondern manchmal eben einfach nur als generische Kulisse in der Landschaft steht.
Doch letzten Endes fallen all diese potenziellen Kritikpunkte in die Sphäre reiner Geschmacksfragen. Ich erwarte nichts weniger als das Spiel des Jahres. Auch technisch lief Elden Ring während unserer sechs Stunden trotz noch fehlendem Day One Patch schon absolut anstandslos. Allenfalls PS5-Besitzer, die noch vom Glanz des Demon's-Souls-Remake berauscht sind, sollten sich darauf gefasst machen, dass Elden Ring als hardwarehungriges Open-World-Spiel dessen Pracht nicht erreichen kann, sondern eher von seinem grotesken Stil und der verwunschenen Atmosphäre lebt als vom technologischen Overkill.
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