Test - The Dark Crystal: Age of Resistance Tactics : Das Spiel zur Netflix-Serie ist ...
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Netflix feuert jüngst aus allen Rohren und hat ein starkes Serien-Portfolio aufgebaut. Eine der besten Eigenproduktionen des letzten Jahres war die Prequel-Serie zum Jim-Henson-Puppenfilm Der Dunkle Kristall. Schade, dass das begleitende Strategie-Rollenspiel nicht halb so gut ausgearbeitet wurde wie seine Vorlage. The Dark Crystal: Age of Resistance Tactics ist mehr Fanservice als ernstzunehmender Genre-Vertreter.
Genrekenner sehen es auf den ersten Blick: The Dark Crystal: Age of Resistance Tactics orientiert sich stark an jenen Taktik-Rollenspielen, die in der 32-Bit-Ära ihren Höhepunkt feierten. Final Fantasy Tactics, Tactics Ogre, Shining Force 3, Vandal Hearts und wie sie alle heißen. An sich eine schöne Sache, denn von solchen Spielen könnte es gern mehr geben. Zumal das Setting wie die Faust aufs Augra… ääh Auge passt, schließlich geht es um eine wundervoll ausgewalzte High-Fantasy-Geschichte mit mystischen Helden und Schurken.
Wer die Netflix-Serie verfolgt hat, kennt jede einzelne Spielfigur. Der Plot folgt dem der Serie ausnahmslos – wenn auch mit einigen schwer nachvollziehbaren Sprüngen. Alle Schlachten entsprechen Szenen aus der Vorlage, wobei hier und da ein wenig zu tief in den Inspirationstopf gegriffen wird, siehe beispielsweise die Schlacht in der Bibliothek. In der Serie geht es um eine friedliche Expositions-Szene für eine der Hauptfiguren, im Spiel um ein Schlachtfeld, auf dem man Bibliothekare niederstreckt, die ohne erkennbaren Grund zu Gegnern erklärt werden. Zusammenhang: null. Schade, denn der Serie fehlt es ganz sicher nicht an spannenden Konflikten.
Klassische Regeln
Sollten euch die genannten Spiele-Klassiker fremd sein, dann ist das kein Beinbruch, denn das Spielsystem ist schnell erklärt. Es geht um eine Abfolge von Rollenspiel-Schlachten mit mehreren Party-Mitgliedern, die in streng begrenzten Arenen bösen Widersachern entgegentreten. Schlachtfelder bestehen aus quadratischen Kacheln, die ähnlich wie beim Schachspiel Position und Reichweite der Kämpfer visualisieren. Soll etwa ein Soldat einen Gegner mit dem Schwert angreifen, so muss er ein Feld neben ihm stehen – also auf Schwertlänge. Fernkämpfer und Magier haben dagegen eine Reichweite von mehreren Feldern und können daher in zweiter oder dritter Reihe stehen.
Höhenunterschiede und Beschaffenheit des Untergrunds spielen ebenfalls eine Rolle. Vor allem, wenn es um die Bewegungsfreiheit der einzelnen Figuren geht. Die Reihenfolge und die Reichweite, in der man seine Figuren rundenweise bewegen darf, hängen von ihrem Schnelligkeitswert ab, wobei matschige oder sandige Untergründe das Vorankommen erschweren und somit die Laufreichweite verkürzen.
The Dark Crystal hält sich ohne Ausnahme an diese Genre-Basisregeln, zeigt aber leider wenig Esprit in der Ausführung. Abgesehen von kleineren Umwelteinflüssen wie etwa Windstößen in der Wüste, die ungedeckte Helden ein paar Felder zurückwerfen, oder Gruben mit aggressiven Gobble-Pflanzen macht sich das Spiel seine Umwelt kaum zunutze. Die meisten Schlachtfelder bleiben flach und weisen selten mehr als zwei oder drei Ebenen auf.
Das könnte womöglich daran liegen, dass Berghang-Schlachten mühselig ausfallen würden, da es den verfügbaren drei Charakterklassen im größten Teil der Spielzeit an entsprechenden Fähigkeiten fehlt. Das Gros der Heldenriege gehört der Gelfling-Rasse an, die sich in drei Klassen unterteilt: die nahkampferfahrenen Krieger, Späher mit Fernkampftalenten und Heiler. Gewisse Helden anderer Rassen, die ihr individuelles Fähigkeiten-Set mitbringen, bilden die Ausnahme. Darunter etwa ein Podling namens Hup, der im Spiel allerdings erheblich stärker porträtiert wird als in der Serie.
Sobald einzelne Figuren ein gewisses Erfahrungslevel erreicht haben, können sie Fähigkeiten einer zweiten Klasse als Unterklasse adaptieren, doch bleibt die Anzahl der wählbaren Talente beschränkt. Warum das so ist, wissen nur die Spieldesigner. Während die Helden anderer Taktik-RPGs dank ihres Talentbaums auf ein stärker werdendes Arsenal an Angriffen zugreifen können, muss man für Brea, Deet, Rian und Co. noch vor einer Schlacht abschätzen, welche Fähigkeiten ihnen nützten könnten.
Der Überfluss an wählbaren Figuren, von denen man beim Start eines Scharmützels eine Auswahl trifft, macht die Sache weder taktisch wertvoller noch komfortabler. Diese Regelung erhöht nur den Zwang, zusätzliche Grind-Schlachten zu absolvieren, damit man alle Spielfiguren auf etwa dasselbe Erfahrungslevel bekommt.
So oder so fehlt es an flächendeckenden Angriffsmethoden, wie man sie von einer typischen Zauberer- oder Beschwörer-Klasse erwarten würde. Die allermeisten Konflikte tragen die Helden im Nahkampf aus. Tröstlich stimmt lediglich der große Nutzen von Buffs und Debuffs. Gegner markieren, Klingen schärfen, Schutzzauber sprechen – das sind die kleinen, aber feinen Elemente, die nicht selten den Ausgang einer Schlacht bestimmen. Nicht, dass den Spieldesignern hervorstechende Zauber eingefallen wären. Es geht um Genre-Hausmannskost, aber was in dieser Hinsicht vorhanden ist, hat Hand und Fuß.
Für Fans der Serie, nicht des Genres
Angesichts der schön gezeichneten 3D-Grafik, die stets aus einer isometrischen Perspektive gezeigt wird, und der soliden, wenn auch selten einfallsreichen Spielregeln, darf man The Dark Crystal: Age of Resistance Tactics getrost als Einsteiger-Rollenspiel mit nettem Fanservice bezeichnen. Der Spielspaß zehrt mehr vom Steuern der Serienlieblinge als von den Schlachten selbst, deren Schwierigkeitsgrad in einer flachen und überschaubaren Lernkurve ansteigt. Wenn man verliert, ist in den meisten Fällen sonnenklar warum und was beim nächsten Versuch zu tun ist. Im schlimmsten Fall hilft eine Runde Grinden – und sei es nur, um den Geldbeutel aufzufüllen. Das streckt die Spielzeit ein wenig.
Immerhin: Profis, die sich mit möglichst wenig Grind und womöglich im höchsten Schwierigkeitsgrad durch den Plot arbeiten, werden nicht mit einem Snack abgespeist. Die Kampagne verweilt auf nahezu jedem ausschlaggebenden Handlungszweig der Serie und offeriert dadurch einen befriedigenden Umfang. Ganz ohne freiwillige Zusatzrunden kommt aber niemand davon, da das Geld (die Währung sind Perlen) schnell knapp wird.
Erkämpfte Perlen tauscht man im Shop, der auf der Oberweltkarte jederzeit per Mausklick erreichbar ist, gegen neue Rüstung, Waffen und Accessoires, die mehr Kraft, Magiepunkte und Verteidigungswerte spendieren. Wer komplizierte Statistiken und Knobeleien beim Aufrüsten erwartet, liegt allerdings völlig falsch. Die wenigen Attribute, die man beeinflussen kann, unterliegen groben Steigerungsmöglichkeiten, die ebenso plump gehalten wurden wie die Preise im Shop. Alles, was etwa dasselbe Attributlevel aufweist, kostet exakt denselben Preis, völlig gleich, um welche Art Gegenstand es geht und für wen er geeignet ist.
Dies unterstreicht den Eindruck, dass The Dark Crystal Tactics weniger für Genreliebhaber geschaffen wurde als für Semi-Casual-Spieler mit Hang zur Serie. Aus dem Blickwinkel dieser Zielgruppe gesehen lässt sich das nicht als negative Kritik anführen. Was dem allerdings widerspricht, ist das Menüsystem: unnötig verschachtelt, unübersichtlich, mit viel zu großen Schaltflächen … Man könnte meinen, das Spiel sei für Smartphones entworfen worden. Selbst einfache Vergleichsmöglichkeiten, beispielsweise eingeblendete Charakterwerte beim Aussuchen eines neuen Rüstungsgegenstands, fehlen völlig und müssen umständlich über ein gesondertes Menü aufgerufen werden.
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