Test - Dead Space : Ein schockierend gutes Remake
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Langsam schiebe ich mich durch die düsteren Gänge des Raumschiffs USG Ishimura. Meine Anspannung ist riesig, denn jederzeit könnte mich ein grässlicher Nekromorph anfallen. Im Plasmacutter befinden sich nur noch drei Schuss, meine Medipacks sind aufgebraucht und Protagonist Isaac atmet hörbar schwer – ein weiterer Treffer würde sein Ende bedeuten. Aus der Ferne dringen wahnsinnige Stimmen an mein Ohr, während in der Nähe ein fieses Kratzen meinen Puls nach oben schnellen lässt. Dead Space ist echt der Horror! Und dabei geht es noch gar nicht ums Remake, sondern das Original …
Unmittelbar, bevor das neue Dead Space zum Test auf meiner Playstation 5 landete, legte ich noch einmal die Version von 2008 ein – und war überrascht, wie gut das Spiel gealtert ist. Schnell kamen die Erinnerungen hoch: Vor 15 Jahren habe ich einige Tage lang quasi auf der Ishimura gelebt, um dem Horror-Raumschiff alle seine Geheimnisse zu entlocken. Grafik, Sound und Kampfsystem schufen eine unglaublich dichte Atmosphäre, der ich mich nicht entziehen konnte. Lediglich Alien: Isolation vermochte es einige Jahre später, eine ähnlich bedrohliche und zugleich fesselnde Stimmung zu erzeugen.
Ein Raumschiff als Todesfalle
Ihr habt das alte Dead Space nicht gespielt? Dann reiße ich kurz die Story ab: Ingenieur Isaac Clarke soll auf dem riesigen Bergbau-Raumschiff USG Ishimura die Kommunikation wiederherstellen. Was nach Routine klingt, entwickelt sich jedoch gleich nach seiner Ankunft zum brutalen Überlebenskampf. Überall treiben sich schrecklich entstellte Kreaturen herum, die sogenannten Nekromorphs. Sie einfach über den Haufen zu schießen, hat keinen Sinn, denn die Biester regenerieren sich rasend schnell. Was tatsächlich hilft, steht mit Blut an einer Wand geschrieben: “Schneide ihnen die Gliedmaßen ab.” Doch das ist nicht so einfach.
Denn die verschiedenen Mutationen der Nekromorphs haben alle eines gemeinsam: Sie sind keine behäbig schlurfenden Kreaturen, sondern sehr agil und extrem gefährlich. Die mannsgroßen Varianten gehen mit ihren langen und messerscharfen Armen auf Isaac los. Mit Geschossen aus dem präzisen Plasmacutter, einer Art Handfeuerwaffe, schieße ich ihnen zunächst die Beine ab: Der erste Treffer löst die Haut auf, der zweite durchtrennt die Muskeln und der dritte zertrümmert schließlich den Knochen – die hohe Auflösung macht jedes grässliche Detail dieses Prozesses sichtbar. Danach kommen die übrigen Gliedmaßen und schließlich der Kopf an die Reihe.
Andere Exemplare springen Isaac mit einem großen Satz an, krabbeln die Wände entlang und verschießen Säure oder gehen in einer tödlichen Explosion auf, wenn sie nicht rechtzeitig gestoppt werden. Rücken gleich mehrere auf einmal an, reicht präzises Schießen allein nicht mehr aus. Zum Glück hat Isaacs Anzug nützliche Extras eingebaut: Mittels begrenzter Stase-Energie verlangsame ich einzelne Kreaturen oder schleudere ihnen via Kinese brennbare Behälter und sogar Gliedmaßen toter Nekromorphs entgegen. Das alles muss rasch passieren, denn die Meute lässt mir niemals Zeit für große Planungen.
Dass ich stets auf die Überreste der Monster stampfe, hat nichts mit der Furcht zu tun, sie könnten doch noch einmal aufstehen. Vielmehr kommen damit Gegenstände wie Munition oder Medipacks zum Vorschein, die Isaacs Überleben sichern. Auch sonst klappere ich jede Kabine, jeden Schrank und jede Ecke der verwinkelten Ishimura ab, um ausreichend gewappnet zu sein. Bereits auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad kann es mich teuer zu stehen kommen, in einem Kampf mehrfach daneben zu schießen oder von den Biestern erwischt zu werden. Auf der Stufe “Schwer” sollte ich besser gar keine Fehler machen, ansonsten bleiben von Isaac nur blutige Klumpen übrig.
Glücklicherweise wird mein Forscherdrang nicht nur mit Munition und Geld belohnt, dass ich an Automaten gegen nützliche Extras wie verbesserte Anzüge eintauschen kann. Neue Waffen wie Automatikgewehr, Laser oder Flammenwerfer stellen eine große Hilfe dar. Sogenannte Knoten erlauben Upgrades in Bereichen wie Feuerkraft und Munitionskapazität, die ebenfalls höchst willkommen sind. Das macht die Auseinandersetzungen auf jeden Fall leichter, aber niemals einfach. Selbst nach mehreren Stunden läuft es mir eiskalt den Rücken herunter, wenn plötzlich eines der Biester kreischend aus dem Lüftungsschacht springt und sogleich Jagd auf mich macht.
Atmosphäre am Anschlag
Keine Frage, schon das Original war stimmungstechnisch eine schaurige Wucht. Aber das Remake hievt den Horror auf ein völlig neues, ausgesprochen einschüchterndes Level. Das hat zunächst mit der modernen Grafik zu tun. Hangar, Krankenstation, Maschinenraum oder Abbaubereich haben einen eigenen optischen Charakter und sehen allesamt wunderbar schrecklich aus.
Wahlweise spiele ich mit 30 FPS in einer 4K-Auflösung samt Raytracing-Effekten oder mit verringerter Auflösung bei sattelfesten 60 Bildern pro Sekunde. Meine Wahl fällt aus Gewohnheit auf die höhere Bildrate, auch wenn der andere Modus optisch nochmal ein Stückchen Qualität drauflegt. Am Ende hinterlässt das Spiel jedoch unabhängig von der gewählten Einstellung einen hervorragenden Eindruck.
Massig Details wie herumliegende Kisten, verstreute Dokumente, schmutziges Geschirr oder getragene Uniformen erinnern daran, dass auf der Ishimura einst geforscht und gearbeitet wurde. Inzwischen regieren jedoch Angst und Schrecken. Vieles davon entsteht in meinem Kopf, weil Dead Space beim Zusammenspiel von Licht und Schatten sämtliche grafischen Register zieht.
Selbst beim wiederholten Gang durch einen Raum sondiere ich vorsichtig die Lage, weil oft kaum zu erahnen ist, was fünf Meter weiter vor sich geht. Manchmal erschweren Rauch oder Nebel die Sicht zusätzlich; an anderer Stelle erhellt nur der schmale Lichtkegel von Isaacs Waffe die düstere Szenerie. Mein OLED-Fernseher zieht mich regelrecht hinein in diesen Albtraum aus flackernden Lampen, kaum sichtbaren Notbeleuchtungen, nervös blinkenden Schaltern und pechschwarzen Fluren. Genau wie Isaac hält die Ishimura auch mich in ihrem Bauch gefangen – und ich genieße jede Sekunde!
Akustisch hat mich Dead Space aber mindestens genauso im Griff. Vor allem mit Kopfhörern und 3D-Sound zehrt der Überlebenskampf an den Nerven. Ständig höre ich irre Schreie und Stimmen aus dem Hintergrund. Gleichzeitig kratzt, knarzt und keucht es ganz in meiner Nähe aus der Luftzufuhr und dem Aufenthaltsraum – oder bilde ich mir das nur ein? Gut möglich, denn der Wahnsinn, der durch das Schiff geistert, dringt nach und nach in meinen Kopf ein.
Ganz anders, aber nicht weniger intensiv sind die Momente, in denen Isaac größere Monster bekämpfen oder aus einer gefährlichen Situation entkommen muss. Dann explodieren Musik und Effekte mit einer Dynamik und Räumlichkeit, dass es mich fast aus dem Sessel fegt. Für mich stellt das Sounddesign ganz klar die neue Referenz auf der PS5 dar. Noch mehr Intensität wäre kaum auszuhalten!
Erfrischende Änderungen
All das wirkt auch deshalb so intensiv, weil das Remake niemals den Ablauf des Originals eins zu eins kopiert. Zwar bleibt die grundsätzliche Struktur mit ihren Drehungen und Wendungen in der Story erhalten. Allerdings fällt der Horrortrip aufgrund zusätzlicher Routen umfangreicher aus als 2008. Ebenso ausgedehnt wurden die Bereiche, in denen Isaac in der Schwerelosigkeit kämpfen oder kleine Rätsel lösen muss. Außerdem sind Nebenmissionen in die bestehende Story eingeflochten: Sie beleuchten besondere Ereignisse auf dem Schiff und verraten mehr über das Schicksal der Besatzung. Zusammen mit vielen Veränderungen im Detail, sei es die Steuerung oder die Umgestaltung eines Posters an der Wand, fühlt sich Dead Space gleichsam frisch und vertraut an.
Dabei spielt das Studio Motive geschickt mit meiner Erwartungshaltung. Nach den ersten Kämpfen glaube ich, nicht mehr überrascht zu werden. Es ist doch alles wie früher: Wenn das Licht ausgeht und die Türen sich schließen, steht der nächste Kampf bevor. Aber davon weicht die Neuauflage immer wieder ab. Manchmal signalisieren Beleuchtung und Musik eine drohende Gefahr, doch es passiert nichts. Fühle ich mich danach für einen Sekundenbruchteil in Sicherheit, schnellt hinterrücks ein Monster heran – da fällt mir vor Schreck fast der Controller aus der Hand.
Dass die Spannung konstant hoch bleibt, zählt zu den größten Stärken des Spiels. Sicherheiten existieren nicht auf der Ishimura. Das gilt es zu berücksichtigen, wenn ich ins Menü wechsle, um etwa eine neue Waffe auf die Schnellauswahl zu legen: Das Geschehen um Isaac herum läuft nämlich ganz normal weiter. Selbst nahe der verschiedenen Speicherstationen halte ich die Waffe sicherheitshalber im Anschlag. Man weiß ja nie …
Das klingt vielleicht sehr krass, doch keine Sorge: Unfair oder ausweglos wird es nie. Selbst wenn kein einziger Schuss mehr übrig ist, verfügt Isaac stets über Optionen, eine brenzlige Lage zu überstehen. Es kommt nur darauf an, seine übrigen Fähigkeiten richtig einzusetzen und die Umgebung zu analysieren. Liegt doch etwas herum, das ich mittels Kinese zur Waffe machen kann? Habe ich eventuell Munition übersehen? Und wenn alle Stricke reißen, nehme ich die Beine in die Hand und versuche, dem Grauen zumindest kurzzeitig zu entkommen. Letztlich bestimmen also meine Nerven darüber, ob Isaac den Horror überlebt oder von den Nekromorphs zerlegt wird.
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