Test - Call of Duty: Vanguard : Der schwächste Teil seit Jahren
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Entwickler Sledgehammer Games legt seine dritte Call-of-Duty-Episode vor, und zum dritten Mal enttäuschen die Kalifornier. Und das leider nicht mal mehr auf dem ansonsten immer noch hohen Niveau der Reihe: Nach Advanced Warfare (mit Kevin Spacey) und WW2 (Rückkehr in den Zweiten Weltkrieg) ist Vanguard sogar der bisher schwächste Serienteil von Sledgehammer.
Beim Szenario geht das federführende Studio keine Wagnisse ein - vier Jahre nach Call of Duty: WW2 kehrt die Reihe wieder in den Zweiten Weltkrieg zurück. Die durch technisch beeindruckende Rendersequenzen vermittelte Story erzählt vom vermeintlich ersten Special-Force-Team der Geschichte. Man steuert in den Missionen einen bunten Haufen zusammengewürfelter Höllenhunde, die aus unterschiedlichen Nationen stammen und sich in ihren Spezialfähigkeiten unterscheiden (dazu später mehr). Ein Teamgefühl kommt im Verlauf der fünf- bis sechsstündigen Kampagne leider nie auf - denn der Großteil des Missionen besteht aus Rückblenden, die erklären sollen, wie der Krieg für die einzelnen Soldaten bis dato verlief.
Mal erlebt man die Landung in der Normandie durch die Augen eines britischen Fallschirmjägers, mal verschlägt es den Spieler in die karge Wüstenregion bei El Alamein, wo man deutsche Stukkas vom Himmel holt. Das Spielerlebnis weicht dabei fast nie von der typischen Call-of-Duty-Formel ab: Mit einem breiten Arsenal an Ballermännern, darunter olle Repetierwaffen, aber auch MGs und dicke Granatwerfer, macht ihr keine Gefangenen. Während Hundertschaften wenig intelligenter Feinde das Schlachtfeld fluten, räumt ihr, meist ebenfalls von KI-Fußvolk begleitet, ohne Unterlass auf.
Schützengräben und zu erstürmende Hügel, Bauernhöfe und Canyons, Dschungel und U-Boot-Werft - fast alle Schauplätze zwischen Stalingrad, Hamburg und der Pazifikinsel Bougainville fühlen sich bekannt an, egal ob man virtuell dort tatsächlich schon mal gekämpft hat oder nicht. Das liegt nicht an einer schwachen grafischen Umsetzung - denn Vanguard, das auf der potententen IW-8-Engine läuft, ist nicht nur technisch blitzsauber, sondern auch in puncto Texturdetails, Effekte und Hintergründe einer der schmucksten Shooter überhaupt.
Kampagne (fast) ohne Höhepunkte
Das große Problem des Einzelspielermodus besteht im mutlosen, vor sich hinplätschernden Missionsdesign: Kaum ein Einsatz bleibt länger als zehn Minuten im Gedächtnis, es passiert nichts Bedrückendes oder extrem Intensives. Gleichzeitig bietet Sledgehammer Games nahezu keine absurd überdrehte Hollywood-Action mit Zeitlupen-Shots, Verfolgungsjagden oder explodierenden Straßenzügen auf.
Eine löbliche Ausnahme stellen die Einsätze mit der russischen Scharfschützin Polina Petrova dar: Zum einen gibt es hier genau so eine überdrehte Actionszene, die auch Nathan Drake Spaß machen würde, zum anderen wird das Schlauchlevel-Konzept aufgebrochen. Polina kann zuerst in einem Postamt und später einem zerbombten Haus eine Vielzahl von Geheimgängen, Luftschächten und Kletterpfaden nutzen, um ihre Häscher an der Nase herumzuführen. Die stellen sich alles andere als schlau an, trotzdem macht es Laune, ihnen immer wieder in den Rücken zu fallen und die überforderten Wachen eine nach der anderen auszuschalten.
Neben einem Abschnitt auf einem fahrenden Zug, der weniger brachial rüberkommt als seinerzeit in Gears of War oder Killzone 2, sowie einem spielerisch limitierten Flugeinsatz im Pazifik geben sich überraschend viele Missionen mit recht biederen Kampfsituationen ab. Man rückt im Verbund mit Panzern vor, erobert Schützengräben oder bekämpft japanische Patrouillen im Dschungel.
Je nachdem, welchen der vier Helden man gerade lenkt, steht einem eine individuelle Spezialfähigkeit zur Verfügung: Die russische Scharfschützin kann an (farblich markierten) Punkten Wände hochklettern und extrem rasch in der Hocke schleichen, der britische Fallschirmjäger darf seinen KI-Kollegen befehlen, Stellungen oder MG-Nester unter Beschuss zu nehmen - leider betrifft das nur wenige Orte und hat auf dem normalen Schwierigkeitsgrad keinen nennenswerten Einfluss.
Noch banaler fallen die Talente des australischen Sprengmeisters und des US-Piloten aus: Ersterer führt bis zu vier Arten explosiver Gimmicks mit sich und kann damit deutlich mehr Dinge in die Luft fliegen lassen, Letzterer darf hin und wieder seinen Fokus aktivieren und dann automatisch Feinde anvisieren und ausschalten. Von Polinas Athletik abgesehen benutzt man all diese Fähigkeiten lediglich sporadisch - weil sie kaum spielerischen Mehrwert bieten und sich weder cool noch mächtig anfühlen.
Gewalt, Technik & Ton
Beim Thema Gewalt kann sich Vanguard nicht recht entscheiden: Viele Ballereien sind überraschend zahm inszeniert. Selbst unter Schrotflintenbeschuss fallen viele Feinde einfach nur um. Dann wiederum werden plötzlich mal ganze Körperteile abgerissen und verstümmelte Leichen liegen auf dem Schlachtfeld. Besonders brutal ist der Einsatz des Flammenwerfers: Es ist schon derb mitanzusehen, wenn der KI-Kollege den Feuerspucker gegen die anrennenden Japaner einsetzt, doch wenn man die Waffe selbst benutzt und einen Bunker voller Soldaten in eine Flammenhölle verwandelt, dann ist das einer der wenigen Momente, wo der Krieg sich von seiner schmutzigen Seite zeigt. Eine Grauzeichnung der Feinde oder moralische Fragestellungen der Protagonisten blendet Vanguard dennoch völlig aus - auch kein Ruhmesblatt für einen AAA-Titel des Jahres 2021.
Grafisch, das hatte ich ja bereits ausgeführt, ist das diesjährige Call of Duty auf der Höhe seiner Zeit. Der Ton kann da nicht ganz mithalten. Einige Stimmen wirken bemüht cool (auch im Zombie-Modus), und manche Knarre klingt eher nach Mofa als nach Maschinengewehr; grundsätzlich gefallen aber sowohl die druckvollen Schlachtgeräusche als auch der groß aufspielende Soundtrack.
War noch was? Ja genau, diese kleinen Nebensächlichkeiten namens Zombie-Modus und Mehrspieler-Part. Natürlich ist Vanguard übrigens in den CoD-Kosmos mit Warzone, Cold War und Modern Warfare eingebunden - alle drei anderen Spiele sind sogar vom zentralen Menü in Vanguard anwählbar. Und selbstredend kommt auch das Battle-Pass-System zum Einsatz. Der aktuelle Battle Pass kann in Vanguard bereits jetzt aufgelevelt werden, die Season 1 startet aber erst am 2. Dezember; dann gibt es auch Nachschub für den Zombie-Modus, der aktuell noch recht dünn daherkommt.
Zombies x Rogue
Der nicht von Sledgehammer, sondern den Zombievätern Treyarch entwickelte Koop-Kampf gegen untote Nazis hat seit der Veröffentlichung für einigen Unmut bei eingefleischten Fans gesorgt. Denn hier hat sich was geändert! Neuerdings gibt es kein riesiges Zombie-Szenario voller kniffliger Rätsel, absurder Easter Eggs und einem verzwickten Leveldesign, das vor Überraschungen nur so strotzt.
Stattdessen tummeln sich die vier Zombiejäger in einem Stalingrad-Hub, das nur von relativ wenigen Wiedergängern frequentiert wird. Dort gibt es neben diversen okkulten Kaufautomaten rot glühende Dimensionstore - sobald ein Spieler eines davon aktiviert und die Kameraden zustimmen, geht es zu einem kurzweiligen Einsatz.
Drei Misssionstypen stehen auf dem Plan: Das Verteidigen eines sehr kleinen Raumes, während von allen Seiten Untote aus den berühmten Fenstern, Türen und Verschlägen drängen. Dann das Begleiten eines schwebenden Schädels: Während man fröhlich Zombies röstet, muss man aufpassen in einem gewissen Radius zum Schädel zu bleiben, da man außerhalb dieses Gebiets sonst Schaden nimmt. Am spaßigsten ist das Erbeuten und Abliefern sogenannter Runensteine an einer magische Säule - vor allem wenn höherwertige MG-Zombies anrücken, werden diese Stages zu einer irre turbulenten Angelegenheit.
Hat man im Team - unterstützt von Wiederbelebungen, Munitionskäufen, Power-ups, Energietränken und Bomben - ein Level gemeistert, geht es zurück nach Stalingrad. Dort gibt es Zeit zum Durchschnaufen und Wundenlecken, ein paar stärkere Upgrades und, nach dem vierten Kurzeinsatz, die Chance auf eine Extraktion. Entscheiden sich die Spieler für diese Option, muss noch eine dicke Welle Zombies gemeuchelt werden, bevor man durch ein Portal entwischt - und damit mehr Erfahrung aus dem aktuellen Run mitnimmt, sich aber natürlich vor weiteren, immer schwieriger werdenden Mini-Missionen drückt.
Das hat was von Rogue-lite, einem aktuell bekanntlich beliebten Spielkonzept, und soll weniger Zombie-erfahrene Spieler anlocken. Vorbei sind die Zeiten des Dumm-Herumstehens vor seltsamen Maschinen, das minutenlange Plätten lascher Zombies mit Pistole oder Nahkampf. Es geht schneller zur Sache, die Runden sind kürzer, ein Entkommen mit Beute ist möglich. Dieser Ansatz hat seine Berechtigung, in der derzeitigen Form wird mit den drei Missionstypen und der geringen Tiefe aber zu wenig Umfang geboten, um diesen Zombie-Modus zu einer gleichberechtigten Säule im Kosmos von Call of Duty: Vanguard zu machen.
16 Maps, jede Menge Action
Richtig dick und stabil ist dagegen die Säule namens Mehrspieler-Modus. Die hat Sledgehammer selbst entwickelt, und hier wirkt sich die geringe Lust auf Experimente sogar positiv aus. In puncto Spielbarkeit erhält man ein extrem poliertes, rasantes, schnörkelloses CoD-Erlebnis (inkl. Crossplay), wie es die Fangemeinde seit Jahren schätzt. Ohne Ablenkungen wie Wallruns und spezielle Operator-Fähigkeiten, ohne große Pick-10-Einschränkungen - stattdessen gibt es die süchtig machende Kombi aus Daueraction ohne Leerlauf, regelmäßigen Belohnungen und Freischaltungen, sowie einer extrem flüssigen Steuerung und druckvollen Waffen.
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Auf der Habenseite stehen satte 16 neue Karten, eine stattliche Anzahl zum Start einer CoD-Episode. Die Maps sehen fast durch die Bank attraktiv aus und bieten etwas für jeden Geschmack. Gut ist der sehr dynamische Modus Patrouille: Hier muss man eine Zone halten, die sich ganz langsam durch die Map bewegt - ein Heidenspaß, egal ob man gerade am Verteidigen oder Erstürmen ist. Stark und spielerisch relevant sind die vielen zerstörbaren Türen, Fensterläden und Holzverschläge - so kann man sich an vielen Stellen mit einem Nahkampfangriff eine eigene Schießscharte basteln; gleichzeitig wird das Campen erschwert, weil man hinter vielen Deckungen weniger sicher ist.
Vanguard hat ein paar frische Killstreaks am Start (z.B. Hundestaffel und Minipanzer) und bombardiert euch wie gewohnt mit Aufsätzen, Tarnungen, individuellen Challenges & Co. Die Auswahl des Charakters bringt keine Vorteile im Spiel mit sich, doch wer seinen Spezialist auflevelt, freut sich über individuelle Freischaltungen. Neuerdings wird am Rundenende der MVP (most valuable player) eines Matches gewählt. Eine schöne Idee, die in der Praxis aber maximal planlos ist, da man einfach auf einen von drei Vorschlägen klickt (z.B. den, der die beste K/D-Ratio oder die meisten Kopfschüsse hat). Als ob ich wüsste, ob SniperKiller_xxx_99 oder doch eher h3adshot-fcb die Auszeichnung verdient hat …
King of the Hill?
Enttäuschend finde ich den neuen Modus Champion Hill: Hier treten acht Zweier- oder Dreierteams in Mini-Maps in wechselnden Konstellationen immer wieder gegeneinander an - am Ende gewinnt das Team, das noch Leben übrig hat. Was in der Theorie spaßig klingt, erweist sich in der Praxis als wenig reizvoll. Schuld haben daran hauptsächlich die hässlichen Bretterbuden-Arenen und die sehr kurzen Runden, bei denen man seine Gegner selten zu Gesicht bekommt.
Klasse sind die Optionen unter dem Menüpunkt „Schnelles Spiel Filter“: Hier kann man nicht nur die Hardcore-Modi finden und auswählen, ob man Matches für TDM, „Abschuss bestätigt“ oder „Suchen & Zerstören“ spielen will. Über die neue (irreführend betitelte) Option Tempo sucht man nämlich nicht nach einer speziellen Spielgeschwindigkeit (die ist immer gleich), stattdessen wird darüber geregelt, wie hoch die Spielerzahl angepasst an die jeweilige Karte ist. Wer die Kategorie taktisch wählt, kann mit verhältnismäßig ruhigen Matches rechnen - wer „Blitz“ selektiert, der wird in wahnwitzig actiongeladene Partien mit Kills im Sekundentakt geworfen.
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