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Test - Beyond Good & Evil - 20th Anniversary Edition : Test: Das gehört in ein Museum!

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Duke Nukem, Shenmue, Half-Life - es gibt so manche Spieleserien, bei denen die Wartezeit auf einen angekündigten Nachfolger nur noch durch Humor und begleitende Langzeit-Therapie zu ertragen ist. Während zumindest Anhänger des Dukes und Shenmue-Fans mittlerweile wieder befreit durchatmen können, ist die Zeit des Bangens um Beyond Good & Evil leider noch nicht vorbei.

Erst kürzlich versicherte Ubisoft allerdings, dass es jetzt dann doch irgendwann demnächst vielleicht nochmal was mit dem zweiten Teil werden soll. Immerhin gibt es zur Feier des 20. Jubiläums des Originals ein HD-Remaster, um die Wartezeit ein wenig zu verkürzen – und die Erinnerung an ihn aufzufrischen. Der perfekte Zeitpunkt also, um zu klären, warum Beyond Good & Evil nicht längst in Vergessenheit geraten ist und ob ein zwei Jahrzehnte altes Spiel heute noch Spaß machen kann.

Denn 20 Jahre sind eine verdammt lange Zeit, ganz besonders in der schnelllebigen Spielegeschichte. 2003 toben im Kino gerade die wilden Kerle, Alexander Klaws gewinnt DSDS und Nintendo feiert den Erfolg seines Gamecube-Hits Mario Kart: Double Dash. Genau in diese Hochzeit der Popkultur platzt Ubisoft mit seinem Action-Adventure Beyond Good & Evil, und es kommt wie es kommen muss: Trotz Weihnachtsgeschäft liegen die Kopien wie Blei in den Regalen.

Entwickler Michel Ancel, der zuvor mit Rayman zur Legende geworden war, gab dafür erstmal den Kunden die Schuld, die angeblich nur bereits etablierte Marken wollten, gleichzeitig war die Marketing-Abteilung von Ubisoft zu der Zeit mehr mit Prince of Persia: The Sands of Time beschäftigt und schenkte dem Neuling nur unzureichend Beachtung.

Beyond Good & Evil erfuhr also einen denkbar schlechten Start und ein Schicksal, das gemeinhin gern mit dem Etikett „Kritikerliebling“ versehen wird: von der Fachpresse gefeiert, von Kunden verschmäht. Erst in den darauffolgenden Jahren werden die Spieler nach und nach auf den Titel aufmerksam und mit der Zeit entwickelt sich das Spiel vom Geheimtipp zu einem kleinen Kulttitel. Aber warum?

Nur die mit Schwarten kommen in den Garten

Ob es an der mitreißenden Story lag, die zum Schluss doch noch Spieler angezogen hat, ist wohl eher fraglich. Protagonistin Jade ist freie Reporterin und betreibt zusammen mit ihrem Onkel Pey’j (gesprochen: Päitsch), einem anthropomorphen Schwein, ein Waisenhaus in einem alten Leuchtturm. An hinterbliebenen Kindern mangelt es leider nicht, denn Jades Heimatplanet Hyllis befindet sich bereits seit längerer Zeit im Krieg mit den DomZ, aggressiven Aliens, die aus unbekannten Gründen regelmäßig Hyllianer entführen.

Nur die Alpha-Abteilung, eine Art Militärpolizei, ist noch in der Lage, das Volk vor den Aliens zu schützen. Als Jades Waisenhaus bei einem DomZ-Angriff beinahe zerstört wird, weil sie sich die Kosten für den Schutzschild nicht mehr leisten kann, nimmt sie einen neuen Job als Fotografin an und stolpert dabei über eine riesige Verschwörung. Anscheinend sind die Soldaten der Alpha-Abteilung gar nicht die strahlenden Helden, für die sie sich ausgeben. Also schließt sich Jade dem Widerstand an, um die miesen Machenschaften aufzudecken und die Bewohner von Hyllis mit ihren Bildern und Reportagen zum Aufstand zu bewegen.

Das klingt vielleicht ganz spannend, aber leider lässt sich jeder vermeintliche Plottwist bereits viele Kilometer gegen den Wind riechen. Schon nach zehn Minuten ist klar, wo die Reise hingehen soll und wer mit wem heimlich gemeinsame Sache macht. Einzig im Finale gibt es zwei grandiose Cliffhanger, die maßgeblich dazu beitragen, dass Fans seit 20 Jahren bangend ihrer Auflösung harren.

Letztlich dient die unterm Strich recht konventionell gestrickte Geschichte aber vor allem dem Zweck, ihren schillernden Charakteren die Bühne zu ebnen. Jade selbst ist da als mutige, freundliche, aufopferungsbereite Protagonistin ohne große Ecken und Kanten wahrscheinlich noch am gewöhnlichsten. Doch in Kombination mit Onkel Pey’js infantilem Witz zündet das ungleiche Duo ordentlich. Sein Humor ist zwar nicht ver-sau-t, aber kommt mit einer ordentlichen Portion Selbstironie daher.

Bei jeder Attacke seiner Jet-Boots brüllt er zum Beispiel Kampfschreie wie “Chili con Carne!” oder “Fajiiiitaaaaaas!” und sorgt anschließend für das notwendige Hackfleisch (von Feinden in Freilandhaltung). Oder er brüstet sich damit, dass ohne ihn der ganze Ort zusammenfallen würde, nur um eine Sekunde später einem Deckenventilator ausweichen zu müssen, der herabstürzt. Der Humor lebt von Absurdität und perfekt sitzendem Timing.

Es ist also eher die exzentrische Mischung aus liebenswerten Charakteren, einer ungewöhnlichen Spielwelt mit Aliens und skurrilen Tier-Mensch-Hybriden, sowie der gewissen Prise Humor, die seinerzeit die Faszination von Beyond Good & Evil ausmachte.

Gemischte Genre-Schlachtplatte

Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal war das Spielgenre oder besser gesagt die Genres, denn eigentlich mischt das Spiel mehrere sehr unterschiedliche Genres quer durcheinander, was zumindest seinerzeit noch höchst ungewöhnlich war. Zuvorderst handelt es sich bei Beyond Good & Evil natürlich um ein klassisches Action-Adventure: Ihr steuert Jade, die (fast) immer in Begleitung ihres Schweineonkels oder eines anderen Charakters unterwegs ist, erkundet verschiedene Orte, löst kleinere Rätsel oder prügelt euch mit den Schergen der DomZ bzw. der Alpha-Abteilung. So weit, so gut.

Doch um von einem zum anderen Schauplatz zu gelangen, stellt euch das Spiel recht früh ein Hovercraft zur Verfügung, was zumindest bei mir sofort Flashbacks zum N64-Klassiker Diddy Kong Racing auslöste. Nicht nur, weil man da ebenfalls mit einem Luftkissenboot Rennen fährt, sondern vor allem wegen der halboffenen Spielwelt und ihrer Geheimnisse.

Zwischen den unterschiedlichen Inseln und der stark an Venedig erinnernden Hauptstadt findet ihr nämlich immer wieder kleinere Einbuchtungen oder versteckte Sandstrände mit Zusatzherausforderungen, mit denen ihr eure Kriegskasse aufbessern könnt. Mit jedem neuen Upgrade des Boots will man sofort wieder raus aufs Meer und nachsehen, ob man jetzt vielleicht bisher unerreichbare Gebiete erkunden kann.

Mal abgesehen von den (teilweise storyrelevanten) Rennen, nutzt ihr euer Hovercraft aber vor allem für Shooter-Passagen. Geratet ihr während eures Abenteuers nämlich in einen Angriff der DomZ, müsst ihr euch mit dem Boot verteidigen und in ziemlich epischen Kämpfen gegen Bossgegner antreten. Es kommt später sogar zu richtigen Dogfights mit den Raumschiffen der Aliens, aber warum euer Hovercraft auf einmal fliegen kann, verrate ich an der Stelle mal nicht, um euch einen der wenigen Überraschungsmomente nicht auch noch zu nehmen.

Damit liegen also schonmal Action-Adventure, Rennspiel und Shooter auf dem Genre-Grabbeltisch. Aber für das Sahnehäubchen auf der Genre-Mix-Torte hat mich Beyond Good & Evil noch an eines der beliebtesten Spiele aller Zeiten erinnert: Zelda: Ocarina of Time.

Nicht an seine großartige Story oder die spielerischen Stärken des Klassikers, sondern an diese vollkommen unnötigen und extrem nervigen Schleichpassagen im Garten von Schloß Hyrule. Im Gegensatz zu Link, der nur kurz durch den Garten bummeln muss, um einen Blick auf seine geliebte Zelda (und Erzfeind Ganondorf) zu werfen und sich dabei nicht von den Wachen erwischen lassen darf, schleicht sich Jade über lange Strecken durch die Basen der Feinde von einem Raum zum anderen.

Insbesondere in diesen Abschnitten merkt man dann endgültig und überdeutlich, dass das Spiel bereits 20 Jahre auf dem Buckel hat. Sehr oft werdet ihr (eben genau wie bei Ocarina of Time) entdeckt, obwohl ihr unmöglich im Sichtfeld der Wachen sein könnt. Gegen Ende besteht sogar ein ganzer Dungeon ausschließlich aus einer Stealth-Passage nach der anderen, was meine Frusttoleranz schlussendlich an ihre Schmerzgrenze trieb. Und ich schwöre, dass es nicht nur am mangelnden Skill meinerseits lag!

Jade und die Jagd nach dem hochauflösenden Schnitzel

Angesichts seines fortgeschrittenen Alters steht beim HD-Remaster natürlich vor allem die technische Überarbeitung im Fokus der kritischen Aufmerksamkeit. Allerdings fallen die Änderungen im Vergleich zum Original eher überschaubar aus. Jades Abenteuer lassen sich jetzt in 4K genießen, Grafik-Connaisseure könnten sich jedoch daran stören, dass die Framerate bei 60 FPS abgeriegelt ist. Der Comic-Stil an sich ist aber zum Glück recht zeitlos. Ansonsten fällt hauptsächlich die intensivere, teilweise jetzt sogar dynamische Beleuchtung auf. Manche Lichtquellen und vor allem die Sonne werfen nun authentische Schatten. Ein nettes Upgrade.

Abgesehen von den grafischen Verbesserungen bietet die 20th Anniversary Edition noch ein bisschen Fan-Service in Form von Konzeptzeichnungen, alten Interviews und Hintergründen zur Entwicklung des Spiels. Als kleines Goodie wurde sogar noch eine kurze, neue Questreihe bzw. Schatzsuche hinzugefügt. Die beschäftigt einen zwar nicht allzu lange, trumpft am Ende aber mit ein paar Andeutungen zu Jades Jugend auf und schlägt damit eine Brücke zu den Ereignissen im angekündigten zweiten Teil.

Falls das aber euer hauptsächlicher Anreiz ist, mit dem Kauf des HD-Remaster zu liebäugeln, dann dürftet ihr vermutlich enttäuscht werden. Die Andeutungen fallen alle sehr vage aus und schüren nur bedingt die Neugier auf ihre Auflösung.

Beyond Good & Evil - 20th Anniversary Edition Launch Trailer

In der neuen Woche wird Ubisoft die 20th Anniversary Edition von Beyond Good & Evil für aktuelle Plattformen veröffentlichen.

Greift zu, wenn...

ihr gute Erinnerungen an das Original habt, die ihr nochmal auffrischen wollt.

Spart es euch, wenn...

ihr Retro-Spielen so gar nichts abgewinnen könnt.

Fazit

Sebastian Ruppert - Portraitvon Sebastian Ruppert
Eine Zeitreise in die Gaming-Vergangenheit und ein Fest für Nostalgiker

Die 20th Anniversary Edition ist ein gut kuratiertes Museum der Videospielgeschichte. Zum einen natürlich durch den ganzen Extrakram in Form von Videos und Konzeptzeichnungen, aber natürlich auch durch das Spiel selbst.

Die fummelige Steuerung wurde zwar leicht modernisiert, aber dennoch fühlt sich Jade teilweise an, als würde man einen Panzer steuern, und manch fragwürdige Gamedesign-Entscheidung wie ausufernde Schleichpassagen lässt sich nur damit erklären, dass die Spielzeit noch etwas gestreckt werden sollte. Aber so war das damals nun mal.

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Der Charme von Beyond Good & Evil liegt aber zum Glück nicht in schicker Grafik oder einer besonders präzisen Steuerung, sondern in der ungewöhnlichen Welt und ihren Charakteren. Der Humor von Jade und Pey’j ist genauso zeitlos wie wilde Verschwörungstheorien, in denen “die da oben” mit Aliens gemeinsame Sache machen.

Nostalgiker dürfen also gerne nochmal in (Kindheits-)Erinnerungen schwelgen und vor dem Bildschirm laut fluchen, dass Spiele früher noch viel besser waren. Alle anderen machen sich entweder auf ein etwas holpriges Retro-Erlebnis gefasst oder warten einfach auf den zweiten Teil. Der soll ja jetzt dann doch irgendwann demnächst vielleicht nochmal kommen …

Überblick

Pro

  • großartige Charaktere
  • charmantes Design
  • Humor
  • Soundtrack mit Ohrwurm-Garantie
  • abwechslungsreiches Gameplay

Contra

  • vorhersehbare Story
  • altbackene Steuerung
  • Retro-Macken

Awards

  • Design
    • PC
  • Sound
    • PC

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