Test - Beat Slayer : Test: Was, wenn Hi-Fi Rush ein Rogue-like wäre?
- PC
Mooooment mal! Prügeln im Takt der Musik? Roboter, denen man nach immer größer werdenden Treffer-Kombos effektiver das Blech aus der Rübe zimmert? Kecke Attitüde (um nicht zu sagen große Schnauze) trotz mächtiger Handicaps? Das ist doch Hi-Fi Rush! Nee, ist es nicht. Das Spielsystem von Beat Slayer liest sich vielleicht ähnlich wie das des Bethesda-Überraschungshits, aber bei diesem Rogue-like liegt das Gewicht ganz woanders. Das macht es nicht weniger interessant. Für ein Spiel mit derart starkem Musikbezug fehlt jedoch eine wichtige Komponente.
Dit soll meen jeliebtet Berlin sein, wa. Dit globste ja wohl selba nich. Berlin, dit is Straßenjöhren, Prenzlau-Punks, Nobel-Transen, Dönerbuden-Besitzer und Anzug-Schnösel, die alle zusamm‘ im selben Straßencafé hocken und fünfe jerade sein lassen, ohne sich jejenseitig uffe Ketten zu jehn. Dit is Urinjestank, Technobeats und Rolex-Klimbim unta na‘ Bahnunterführung, Lamborghinis und die letzten hochjetunten Trabbis aufm Ku’damm vorm Nobel-Kaufhaus KaDeWe. Gras-Ticka, Sektschlürfa, Beatboxa und Cello-Virtuosen zusammenjefercht auffa Hausparty inna Küche eena Zwee-Zimma-Altbauwohnung am Zipfel der Sonnenallee. Nix davon, aber auch jarnüscht seh ick in Beat Slayer. Ach wat! Alta ey, sojar Joe, die olle Flitzpiepe anna Bar von dem komischen Hauptquartier, klingt wie en Schwabe, der uff Teufel komm raus vasucht, wie en Kreuzberja Urjewächs zu quatsch’n, vastehste. Also wenn dit die balina Kultur vonna Zukunft is, dann wird dat hier sowat von zappendusta. Ick klopp da glei‘ mit!
Huch, verzeiht bitte diesen kurzen Ausrutscher in das einheimische Dialekt-Kauderwelsch, das ich mir als Zugezogener eigentlich genauso sparen sollte wie der genannte Barmann am Tresen, auch wenn ich inzwischen über ein Vierteljahrhundert in dieser außergewöhnlichen Stadt lebe. Das Verlangen, ein wenig vom liebenswert groben Berliner Charme zu versprühen, nimmt Überhand, wenn man sich über Stunden durch ein Rogue-like prügelt, das vorgibt, in Berlin zu spielen, aber abseits des Fernsehturms und des Schilds einer U-Bahnstation im Ladebildschirm rein gar nichts auf die Mattscheibe bringt, das auch nur entfernt an die Hauptstadt erinnert. Beat Slayer könnte genauso gut in Stuttgart oder Helsinki spielen – anhand der Spielgrafik wäre kein Unterschied festzunageln.
Pastellfarbene Zukunft
Schon bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass das Spiel aus der Feder eines kleinen Berliner Entwicklerstudios namens ByteRockers‘ Games stammt. Deren Büro befindet sich keine acht Kilometer von meiner Wohnung entfernt, aber wenn ich sehe, wie generisch Parkflächen, Straßen und selbst der kleine Levelabschnitt am Bahnsteig einer U-Bahnstation gestaltet wurden, könnten es genauso gut achthundert Kilometer sein.
Am Grafikstil wäre gar nicht mal was auszusetzen. Schöne Comicelemente wie etwa ein schraffierter Schatten für die Hauptfigur, dicke Zeichenränder und ein interessanter Mix aus bleichen Pastellfarben und kontrastreichen Grautönen schmeicheln dem Auge, auch wenn die Farbpalette im ersten Moment ein wenig ausgewaschen wirkt. Beat Slayer setzt sich mithilfe dieser Stilmittel mühelos von vielen anderen Rogue-likes ab, die eine ähnliche isometrische Vogelperspektive nutzen. Lediglich ein paar Merkmale aus dem echten Berlin wären wünschenswert gewesen, wenn das Spiel mit aller Gewalt darauf pocht, hier stattzufinden – wenn auch nicht in der Gegenwart, sondern in einer dystopischen Zukunft.
In dieser Zukunft unterjocht ein Fiesling namens Dietrich die Bevölkerung mithilfe eines computergesteuerten Radiosignals, das jeden hörig macht, der es vernimmt. Nur eine kleine Handvoll Rebellen widersetzt sich dem Einfluss, indem sie sich per Kopfhörer einen eigenen Soundtrack in die Ohrmuscheln gießen. Eine junge Frau namens Mia führt die Gruppe an, denn sie möchte nicht nur Dietrich zur Strecke bringen, um ihren Bruder zu retten, sondern gleich eine Revolution anzetteln. Da ist es höchst ungünstig, dass sämtliche Parks, Straßen und sonstige Schauplätze auf dem Weg zum Fernsehturm von aggressiven Robotern bevölkert werden, die jeden Anflug von Widerstand gewaltsam im Keim ersticken.
Please don’t stop the music
Achtundzwanzig streng abgesteckte Level liegen zwischen dem Rebellenhauptquartier und dem Fernsehturm, in welchem Dietrich über die Stadt herrscht. Eine schier unüberwindbare Distanz, wäre da nicht Mias fantastisches Rhythmusgefühl, das ihr im Nahkampf gegen die Blechbirnen ungeahnte Kräfte verleiht. Denn je öfter sie exakt im Takt der Musik aus ihren Kopfhörern zuschlägt, desto heftiger der Schaden, den sie austeilt.
Nun ja, genau genommen nimmt ihre Schlagkraft zu, sobald sie nach mehr als 20 taktgenau platzierten Treffern in den sogenannten Tanzrausch verfällt. Und das Ganze auf Schläge allein zu beziehen, wäre genauso falsch. Es können auch 20 Ausweichmanöver, Tritte oder Ultimate-Angriffe sein. Völlig egal, Hauptsache die Aktionen finden im Takt der Musik statt und bleiben dabei innerhalb eines zeitlichen Toleranzwerts.
Beat Slayer wäre kein gutes Rogue-like, wenn es dabei gleich mit ausgeglichenen Verhältnissen zugehen würde. Oh nein, learning by dying gehört in diesem Genre zum guten Ton, und so lernt auch Mia die wichtigsten Kampflektionen schrittweise durch Versagen. Wann und in welchem Rhythmus schlagen die Gegner zu? Nach wie vielen Sekunden muss man einem Bombenhagel ausweichen? Wann ist es sinnvoll, Gegner mit einem Tritt nach hinten zu stoßen, beziehungsweise sie zu betäuben?
Alles Lernwerte in einem fließenden Prozess, bei dem jeder neue Anlauf durch das Sammeln von Erfahrungspunkten belohnt wird. Für XP dürft ihr der Heldin im Hauptquartier wiederum neue Kampftechniken, Extraleben, Statusupgrades oder schlicht mehr Hitpoints kaufen.
Reicht das nicht? Dann verschafft euch temporäre Statusupgrades mithilfe eines Drinks von der Bar (und ertragt dabei das Pseudo-Berlinerisch von Joe, dem möchtegern-hippen Barmann), trainiert eure Moves mit einem Roboter oder lasst euch von einem DJ-Opa mit Rauschebart in die Hintergründe der musikalischen Geistesmanipulation einweisen, um die Geschichte besser zu verstehen. Stilistisch ist das alles nett anzusehen, versprüht immerhin das Mindestmaß an dystopischem Resistance-Trotz und setzt – wie es zurzeit Mode ist – auf ein Ensemble aus starken weiblichen Hauptfiguren, die selbstbewusst ihre Frau stehen.
Viel mehr gibt es allerdings nicht zu tun, sofern ihr nicht wieder zum Gegnervermöbeln durch die Straßen zieht. Das beschäftigt durchaus eine Weile, schließlich muss man das Spiel insgesamt fünf Mal lösen, um sowohl Mias Bruder zu retten als auch die Computer des Oberbösewichts Dietrich zu vernichten, wodurch das wahre Ende des Spiels zutagekommt.
Klingt ein wenig nach sinnloser Streckung und stellt sich leider als einer der Schwachpunkte von Beat Slayer heraus, denn so spaßig der Kampf in seinen Grundregeln sein mag, er bietet leider zu wenig Finesse oder spielerische Abwechslung für fünf komplette Durchläufe in 28 Spielstufen. Da ist zu wenig Taktik, in die man sich hineinwursteln könnte. Variation kommt höchstens durch die wählbaren Pfade zustande, die man in den Ladebildschirmen vor dem Betreten eines neuen Levels aussuchen darf. Dabei legt man fest, ob man lieber ein Level betritt, bei dem man vermehrt Erfahrungspunkte abstaubt, oder ob man eine strategisch nützliche Heilungsquelle vorzieht. Ansonsten geht es nur um rhythmisches Buttonmashen, das selbst mit zwei zusätzlichen freispielbaren Waffen wenig Abwechslung bietet.
Hat man einmal den rhythmischen Ablauf verinnerlicht, spielt es fast keine Rolle, mit welcher Angriffsmethode man Gegner über den Haufen kloppt, irgendwie bekommt man sie immer klein, solange man den Angriffen der Roboter entkommt.
>> Und nochmal von vorne! Die 10 besten Rogue-likes <<
Dummerweise ist im chaotischen Gewusel genau dieser Faktor kaum zu erkennen, weil es an Treffer-Feedback fehlt. Egal ob man selbst austeilt oder ob Mia eine reingezimmert bekommt - grafisch und haptisch wünscht man sich deutlichere Signale für Erfolge und Fehlversuche im laufenden Kampf. Nicht selten fällt die Heldin einfach auf die Knie und stirbt, obwohl man der Meinung war, sie fehlerlos durchgebracht zu haben. Ein Auge muss ständig an der Lebensleiste kleben.
Am ehesten fehlt allerdings ein musikalischer Anker. Sicher, so ein Indie-Game kann keinen lizenzierten Soundtrack auffahren, aber die Beats dürften trotzdem gerne wuchtiger und eingängiger sein. Dem Soundtrack fehlt es an Profil, an Mitwipp- oder Mitpfeif-Faktor zugunsten des Prügel-Rauschs. Denn wenn der Beat einzig und allein zum Timing-Werkzeug verkommt, verliert so ein musikalisches Stilmittel schnell an Daseinsberechtigung.
Kommentarezum Artikel