Preview - Vampire: The Masquerade – Swansong : Disco Elysium mit Vampiren
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Während das einstmals sehnlich erwartete Rollenspiel Vampire: Bloodlines 2 in der Versenkung verschwunden scheint und unklar ist, ob es jemals unbeschadet wieder daraus auftaucht, setzt sich mit Vampire: The Masquerade – Swansong ein Spiel an seine Stelle, das weitaus mehr als einen Lückenbüßer, vielmehr ein (noch) heimliches Highlight des Jahres darstellt.
Vampire: The Masquerade – Swansong stammt aus der Feder von Entwickler Big Bad Wolf, der für das richtungsweisende The Council bekannt – oder wohl eher: leider nicht bekannt – ist. Denn außerhalb seines Ursprungslandes Frankreich flog der innovative Mix aus klassischem Adventure, Telltale-artigem Interactive Movie und Rollenspiel so tief unterm Radar, als hätte er Tarnkappen montiert. Dabei nahm das Spiel bereits anderthalb Jahre vor Disco Elysium dessen bahnbrechendes Spielkonzept zu großen Teilen vorweg: Genau wie in dem Überraschungshit von Zaum schlägt unter der Oberfläche von The Council das Herz eines echten Rollenspieles, das alle Entscheidungen und Dialogoptionen anhand von Skill-Checks an euren Charakterwerten prüft und die Geschichte derartig in unterschiedlichste Bahnen lenkt.
Swansong ist die konsequente Weiterentwicklung dessen, was die Entwickler mit The Council begonnen haben – und nun ins vielschichtige Universum von Vampire: The Masquerade übertragen. Wir konnten uns einen umfangreichen Einblick verschaffen und zwei Stunden Probe spielen.
Disco Elysium mit Vampiren
Boston wird zu großen Teilen von der Vampir-Sekte der Camarilla beherrscht. Doch ein Anschlag durch mysteriöse Attentäter bringt das Kräftegleichgewicht in der Stadt ins Wanken. Darum entsendet der Vampir-Prinz persönlich einen seiner Getreuen, um die Verantwortlichen aufzuspüren und zur Strecke zu bringen: entweder die weltgewandte Emem, die Menschen mit Worten zu manipulieren weiß und über zahlreiche Kontakte in verschiedenste gesellschaftliche Schichten verfügt; die verschlagene Leysha, die sich vorübergehend unsichtbar machen kann und Konflikte mit messerscharfem Verstand löst; oder Galeb, den wir in unserer Anspielrunde verkörpern und der über eine besondere Gabe zur Einschüchterung und Manipulation von Sterblichen verfügt.
Bereits die Wahl für einen der drei unterschiedlichen Charaktere wirkt sich bedeutend auf das Spielgeschehen und vor allem die Spielweise aus. Denn je nachdem über welche Fähigkeiten, Eigenschaften und Talente eure Spielfigur verfügt, eröffnen sich neue Optionen und verschließen sich andere. Fast jede Aktion in Vampire: Swansong ist an einen Skill-Check gekoppelt, der die Durchführbarkeit an euren Charakterwerten misst.
Habt ihr euren Helden zum geschickten Rhetoriker geschult, redet er sich aus brisanten Situationen heraus oder entlockt seinem Gegenüber im Gespräch Informationen, an die ein weniger schöngeistiger Charakter nicht gelangt. Jener würde dazu vielleicht die Macht der Einschüchterung nutzen, durch die er subtile Drohungen auszusprechen weiß, indem er für einen nur unbewusst wahrnehmbaren Augenblick die spitzen Fangzähne blitzen und die blutgierigen Augen funkeln lässt.
Oder er greift auf eine der übersinnlichen Vampir-Kräfte zurück, die aber eure Blutreserven anzapfen, die dann wieder aufgefüllt werden müssen, indem ihr eure Reißzähne in die Halsschlagader eines Sterblichen rammt – was jedes Mal die Gefahr birgt, dabei entdeckt zu werden und die namensgebende „Maskerade“ zu verletzen, die die Existenz von Vampiren vor den Menschen verheimlicht.
Gestatten, Dracula Holmes
In dem frühen Kapitel, das wir im Rahmen dieses Previews anspielen durften, treffen wir an einem Tatort in einem Luxusappartement ein, nachdem wir vom Vampir-Prinzen entsandt wurden, dem Massaker im Camarilla-Hauptquartier auf den Grund zu gehen. Im Fahrstuhl treffen wir auf einen FBI-Beamten, dessen Identität wir mal eben annehmen und uns Augenblicke später bei seinen Kollegen süffisant als mysteriöser „Agent Smith“ vorstellen. Dem Hausherr wurde mit chirurgischer Präzision der Kopf vom Leib getrennt. Also beginnen wir mit den Ermittlungen bzw. wahren zumindest den Anschein, dies zu tun, denn statt an der Identität des Mörders sind wir natürlich eher an den Zusammenhängen mit unseren eigenen heimlichen Nachforschungen interessiert.
Für flüchtige Momente lässt Vampire: Swansong Ähnlichkeiten mit Detektivspielen wie der Sherlock-Holmes-Reihe durchblicken: Wir verhören Zeugen wie den Butler und die Beamten von der Spurensicherung, inspizieren den Tatort, durchstöbern Handynachrichten und Computer-Dateien und nehmen die Leiche auf der Suche nach Spuren genauestens in Augenschein. Swansong ist kein reines Rollenspiel, wie es Bloodlines 2 zu werden versprach, sondern teilt seine DNA mindestens im selben Maße mit dem Genre der Abenteuerspiele.
Wer deshalb jedoch ein konventionell gestricktes Adventure-Spiel erwartet, lässt sich von der Oberfläche täuschen: Wichtiger als das Sammeln von Inventargegenständen ist das Ausspielen der individuellen Charaktereigenschaften. „Kämpfe“ werden wie in Disco Elysium rein verbal beziehungsweise auf Basis eurer Werte ausgetragen. Als ein Polizeibeamter Verdacht über unsere wahren Absichten schöpft, geraten wir in die Bredouille und müssen unseren Kopf aus der Schlinge ziehen, bevor unsere Maskerade auffliegt. Jetzt schnell eine Vampir-Fähigkeit aktivieren: Die Augen unseres Charakters Galeb blitzen auf, seine spitzen Eckzähne blecken für einen Augenblick erkennbar hinter den Lippen, mit einer unnatürlich tiefen Stimme redet er dem Beamten ins Gewissen, der nicht mehr weiß, wie ihm geschieht und sich bedingungslos seinem Willen beugt.
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Für den Moment ist die Situation entschärft, doch schon werden weitere Polizisten stutzig. Wir treten den strategischen Rückzug an, bewegen uns vorsichtig Richtung Fahrstuhl. Einen zweiten Polizisten können wir ebenfalls mit unserer Vampir-Präsenz betören, doch ein dritter wird Zeuge davon und zückt sofort die Waffe. Galebs Blutreserven, die er zum Ausführen seiner übernatürlichen Kräfte verbraucht, befinden sich durch die vorherigen Einsätze auf einem bedrohlich niedrigen Niveau.
Sinken sie auf einen kritischen Wert nimmt das „Tier“ von ihm besitzt und er wird zur reißenden Bestie, die nur noch dem unstillbaren Durst nach Blut gehorcht. Was also tun? „Kill her“, blendet das Spiel als Handlungsoption ein und wir wählen sie aus. Blitzschnell schießt Galebs Hand an die Kehle der Polizistin und bricht ihr das Genick. „Kämpfe“ gibt es tatsächlich nicht in Vampire: Swansong. Aber offenbar dennoch jede Menge packend inszenierte Action.
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