Special - Der Aufstieg von Telltale Games : Das HBO der Videospiele
Allerdings waren nicht nur die Autoren für den schlagartigen Durchbruch des Zombie-Adventures verantwortlich. Mit The Walking Dead hat der Entwickler die bisherige Ausrichtung seiner Adventure-Philosophie komplett auf den Kopf gestellt. Waren in bisherigen Titeln die Anteile der Rätselpassagen und der Handlung relativ gleich gewichtet, wurden die Kopfnüsse für die Geschichte rund um Lee und Clementine nahezu vollständig wegrationalisiert. Demnach sollten die Handlung und die Charaktere im Mittelpunkt stehen. Somit hat Telltale Games nichts anderes gemacht, als das Prinzip von Fernsehproduktionen für das Medium Videospiel anzupassen. Als spielerisches Mittel wurden dem Spieler relevante Entscheidungen überlassen, die maßgeblichen Einfluss auf den Verlauf der Geschichte hatten.
Der Spieler wurde zunächst mit den Charakteren und dem Schauplatz vertraut gemacht. Die Handlung wurde hierbei grundsätzlich mit Konversationen vorangetrieben. An bestimmten Schlüsselstellen wurde die Handlungsmacht jedoch völlig an den Spieler abgegeben, sodass dieser streckenweise über Leben und Tod entscheiden konnte. So hat Telltale die Vorteile dieses Mediums kurzerhand genutzt, um sie mit den Elementen einer Ferneshserie zu vermischen. So konnten Spieler nicht nur Empathie für Charaktere und Schauplatz aufbauen, sondern auch den Verlauf der Geschichte auf Basis ihrer Empathie selbst bestimmen. Damit ging die Gleichung auf. Es hat sich ein regelrechter Mitteilungsboom um das Spiel entwickelt. Jeder wollte über seine Entscheidungen sprechen und sich mit anderen „Leidensgenossen“ austauschen.
Walking-Dead-First-Person-Shooter? Nope.
Telltale möchte angesichts der positiven Resonanz weiter an diesem Konzept festhalten. „Wir haben die Mission, interaktive Geschichten mit dem Konzept einer Fernsehserie zu vermischen und die Spieler so interagieren zu lassen, wie es in klassischen Spielen nicht möglich ist“, so Steve Allison, Telltales Senior Vice President, bei den Kollegen von Polygon. Um diese Philosophie weiter verfolgen zu können, möchte der Entwickler weiter unkonventionell bleiben: „[…] Wir möchten mit Marken arbeiten, deren Essenz man schwer in ein klassisches Videospiel übertragen kann. Wir haben kein Interesse, den nächsten Walking-Dead-First-Person-Shooter zu entwickeln“.
Der Hunger nach mehr scheint sich zu lohnen. Wie die Adventure-Schmiede kürzlich bekannt gab, habe man mit dem amerikanischen TV-Sender HBO eine langjährige Kooperation abgeschlossen, in der Telltale Games die Rechte für ein vollwertiges Spiel im Game-of-Thrones-Universum erhält. Des Weiteren arbeitet das Studio an der zweiten Staffel von The Walking Dead, Tales From the Borderlands und The Wolf Among Us. Darüber hinaus habe man bereits Interesse an einer Versoftung der James-Bond-Reihe angemeldet. Telltale Games hat sich eine Nische geschaffen und das interaktive Geschichtenerzählen auf eine neue Stufe gebracht. Ein interaktives HBO.
Kommentarezum Artikel