Test - Star Wars: Dark Forces Remaster : Überraschung: Mit diesem Shooter-Klassiker hatte ich heute mehr Spaß als vor 30 Jahren
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Dark Forces erschien im Jahr 1995. Damals hießen Shooter noch „Doom-Klone“. Und als genau solcher wurde Dark Forces damals wahrgenommen: als eine Art Doom mit Star-Wars-Skin. Im Schatten seiner aufsehenerregenderen Nachfolger Jedi Knight und Jedi Outcast ist der erste Teil der Reihe um den Söldner und späteren Jedi-Ritter Kyle Katarn schon fast ein bisschen in Vergessenheit geraten, insbesondere hierzulande, wo das Spiel, wie jeder Shooter der damaligen Zeit, kurz nach Veröffentlichung direkt indiziert wurde und im Gegensatz zu Doom & Co. nicht so leicht raubkopiert werden konnte, weil er auf CD-ROM und nicht auf Diskette erschien.
30 Jahre später erscheint nun ein Remaster von Dark Forces. Uff, war mein erster Gedanke, als ich davon hörte, warum denn das? Pure Geldmacherei, schien mir die einzig denkbare Erklärung. Dark Forces war 1995 ein durchaus unterhaltsamer Shooter, aber kein außergewöhnlicher, der zudem unter einigen höchst kruden Spieldesign-Entscheidungen litt. Zumindest habe ich es so damals wahrgenommen und bis heute in Erinnerung. Ich habe Dark Forces seinerzeit zigmal durchgespielt – auch zusammen mit Freunden, um zu zeigen: „Boah, schaut euch das an! Ein Shooter in Star Wars!“ Doch erst heute beim erneuten Durchspielen habe ich erstaunt festgestellt, wie wegweisend, außergewöhnlich und überraschend modern dieses Spiel doch in Wirklichkeit war.
Vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Ära der Spielegeschichte
„Ein Shooter in Star Wars“ – dieser Ausruf liefert uns einleitend das Stichwort, um die Faszination an Dark Forces seinerzeit nachempfinden zu können. Das Tutorial des Spiels war wahrscheinlich einer der größten Geniestreiche in Sachen Fan-Service, den es jemals gab. Darin stiehlt man nämlich als Söldner Kyle Katarn im Auftrag der Rebellen die Todessternpläne. Und auch wenn diese Szene im weiteren Handlungsverlauf keine Bewandtnis mehr hat und mittlerweile durch den Film Rogue One mit dem Star-Wars-Kanon kollidiert, vermittelte sie doch die geballte Macht von Videospielen als Unterhaltungsmedium: sich selbst plötzlich als wichtiger Protagonist dieser weit, weit entfernten Galaxis fühlen zu dürfen, deren Faszinosum man sonst nur passiv in den Filmen beiwohnte.
Nach dem Tutorial vollzieht das Spiel einen Zeitsprung irgendwo zwischen Krieg der Sterne und Das Imperium schlägt zurück und entrollt eine Geschichte, wie sie typisch für die Star-Wars-Spiele dieser Zeit war – auch etwa Rebel Assault 2 oder die X-Wing- und TIE-Fighter-Spiele fußen auf ähnlichen Plot-Prämissen: Nach der Zerstörung des Todessterns konzentriert das Imperium seine Bemühungen auf ein neues Geheimprojekt, das diesmal aber ganz wirklich und endgültig die Auslöschung der Rebellion zur Folge haben soll. In diesem Fall ist es der sogenannte Dark Trooper: eine neue Art von Sturmtruppler mit massiver High-Tech-Panzerung, Riesenwumme und Raketenrucksack – dem im Übrigen der jüngste Film, Episode 9: Der Aufstieg Skywalkers, mit seinem fliegenden Sturmtruppen-Typ eine Hommage gewidmet hat.
Und dieses Projekt soll nun natürlich sabotiert werden. Also bereist ihr verschiedene Planeten der Star-Wars-Galaxis auf der Suche nach den Bauplänen der neuen Superwaffe und zieht dann los, um nach und nach ihre einzelnen Produktionsstätten zu zerstören. Die Geschichte ist erfrischend eigenständig, aber natürlich auch zutiefst durchtränkt vom Fan-Service, der dem Spiel erst seinen eigentlichen Sinn verleiht und der hier höchst geschickt, weil nicht penetrant in Erscheinung tritt.
Da ist man anfangs in einer imperialen Basis mit ihren ikonischen schwarz-roten Schaltpulten, durchstreift eine Kanalisation, in der das Monster aus der Schrottpresse lauert, von dem man aus dem Film nur den Auswuchs mit dem Teleskop-Auge kennt, oder wird später von Jabba dem Hutten höchstpersönlich gefangen und in seine Rancor-Grube geworfen. Weitere Gastauftritte von Mon Mothma, General Madine und natürlich Darth Vader sorgten für regelmäßige Verzückung der Fans, die damals bereits jahrelang vergeblich auf die von George Lucas versprochenen Sequel- und Prequel-Trilogien gewartet hatten und sich allmählich mit dem Gedanken abfinden mussten, dass diese wohl niemals realisiert werden würden. Doch plötzlich gab es Videospiele, die adäquaten Ersatz dafür zu leisten versprachen.
Unerwartet das ist, und nicht bedauerlich
Womit wir beim ersten Punkt angelangt wären, der Dark Forces einzigartig machte und seinerzeit viel zu wenig wertgeschätzt wurde, vermutlich weil man ihn fälschlicherweise als selbstverständlich ansah. Während sich die Shooter der damaligen Zeit nicht mal ansatzweise um eine Story scherten – im Falle von Doom erzählt man sich gar die Legende, dass zunächst das Spiel fast fertig programmiert wurde, bevor die Entwickler begannen, sich Gedanken um die knappe und daher weitgehend belanglose Rahmenhandlung zu machen –, nahm sie in Dark Forces einen essenziellen Bestandteil der Erfahrung ein.
Woraus sich direkt die nächste Besonderheit ergibt, diesmal das Look & Feel betreffend: Denn während man in Doom, Quake & Co. im Grunde stets immer gleich aussehende Labyrinthe ablief, war jedes der 14 Kapitel in Dark Forces mit ihren ca. 10 Stunden Spieldauer vollkommen anders: Das eine spielte an Bord eines imperialen Sternzerstörers, ein anderer in einer Minenkolonie, einem Vulkanplaneten, im stürmischen Gebirge oder einem Schmuggleraußenposten – wie es in Videospielen heutzutage üblich ist, für 1995 aber als ganz und gar ungewöhnlich gelten darf.
Damit einher ging auch ein einzigartig abwechslungsreiches Gameplay: In Doom, Quake & Co. ging es meist recht simpel gestrickt darum, den Weg zu finden, Schlüsselkarten einzusammeln und damit Tore und Abkürzungen zu öffnen – und sich ansonsten den Weg dorthin freizuballern. Doch den Entwicklern bei Lucas Arts war das nicht genug. Sie orientierten sich viel eher an der vollen spielerischen Bandbreite, die Videospiele seinerzeit anzubieten hatten, vor allem auch in den benachbarten Genres der 2D-Action-Adventures und Jump-n-Runs.
Natürlich wird auch in Dark Forces die meiste Zeit geballert, aber das Geschehen wird stets aufgelockert durch kleinere Rätsel wie das Herunterlassen einer Brücke auf die andere Seite eines Reaktorschachts, die durch das Betätigen unterschiedlicher Hebel in korrekter Weise ausgefahren werden muss. Oder Sprungpassagen über schmale Felsnadeln im Gebirge, die eben nicht nur das Dauerfeuer, sondern auch die Geschicklichkeit auf die Probe stellten.
Womit wir beim nervigen Teil des Spiels angelangt wären, der vermutlich unter anderem dafür verantwortlich ist, dass Dark Forces heutzutage eben nicht im selben Atemzug mit den Klassikern dieser Ära genannt wird – Doom, Quake, Unreal, Duke Nukem, Wolfenstein. (Der Hauptgrund dürfte der fehlende Multiplayer-Modus sein, der den genannten Spiele maßgeblich zu ihrem Erfolg verhalf.) Denn bei seiner Inspiration aus genrefernen Spielegattungen borgte sich Dark Forces auch manche Mechanik, die aus gutem Grund nie wieder in einem Spiel dieser Art Verwendung fand.
Man verfügte nämlich, wie in 2D-Actionspielen damals üblich, über drei Leben, die im Falle des Bildschirmtodes an den letzten Checkpoint zurück versetzten bzw. schließlich ins Game Over mündeten, wenn sie aufgebraucht waren. Zwar konnte man unterwegs Extraleben sammeln, wenn man die Level aufmerksam erkundete und versteckte Geheimräume fand, doch wenn sie dann gegen Ende des Spiels in den schwereren Leveln weniger wurden, konnte das schon unnötig nervig werden.
Ein Remake, wie es sachkundiger nicht sein kann
Leider hat das Remaster sich dieser zweifelhaften Spielmechanik nicht angenommen. Ist aber auch egal, denn sonderlich schwer ist Dark Forces ohnehin nicht, erst recht nicht mehr im Remaster, in dem die moderne Maus- bzw. Controller-Steuerung einiges erleichtert, was im Original reichlich frickelig ausfiel. Dieses ist nämlich so alt, dass – man mag sich heute kaum mehr daran erinnern – noch nicht per WASD, sondern noch mit den Pfeiltasten gespielt wurde, auf deren klobige Handhabung der Spielablauf zugeschnitten war. Während man damals noch regelmäßig Schreikrämpfe erlitt beim fummeligen Versuch, die in zackigen Bahnen umherzischende Sonde zu treffen, die auch Luke beim Training auf dem rasenden Falken fast zur Verzweiflung brachte, stellt sie mit modernen Eingabegeräten kaum mehr eine ernstzunehmende Bedrohung dar.
Abgesehen davon ist das Remaster aber absolut exzellent umgesetzt. Kein Wunder, zeichnen sich mit den Nightdive Studios wahre Könner verantwortlich, die erst kürzlich mit der meisterlichen Vintage-Neuinterpretation von Quake 2 (Test) für Aufsehen sorgten. Dem Remaster von Dark Forces ließen sie die gleiche Liebe und Sorgfalt zuteil werden. Das Spiel entstammt einer Zeit, als 3D-Grafik noch nicht durch spezielle Grafik-Chips beschleunigt und schöner gewaschen wurde. Pixelige Texturen, die im Copy & Paste klar erkennbarer Kachelmuster an die Wände geklatscht sind, sowie Objekte und Gegner, die nicht dreidimensional ausmodelliert waren, sondern als flache Bitmaps wie Pappaufsteller durch die Gegend schlurften, waren noch an der Tagesordnung.
Dark Forces Remaster bleibt diesem Look vollständig treu, wurde aber aufwändig und liebevoll an die hohen Auflösungen und Bildwiederholraten aktueller PCs und Konsolen hochskaliert, sodass es zwar durchweg retro, aber eben nicht antiquiert wirkt. Speziell die Zwischensequenzen erstrahlen nun in dezent modernisierter Pracht, und während des Geschehens dudelt der unermüdlich fiepsige General-MIDI-Sound seine Variationen bekannter Soundtrack-Themen aus den Filmen ab. Etliche neue Einstellungen zur Barrierefreiheit sorgen dafür, dass jeder die nostalgische Erfahrung an seine persönliche Vorliebe anpassen kann: als knackige Herausforderung oder gemütliche Studienreise in die Frühzeit eines Genres.
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Womit wir bei der Frage angelangt wären, für wen dieses Remaster nun letztlich gedacht ist. Zweifellos richtet es sich vor allem an Spieler, die seinerzeit das Original gerne gespielt haben und mit dieser kompetenten Neuauflage einen Ausflug in die eigene Jugend unternehmen wollen. Auch leidenschaftliche Star-Wars-Fans erhalten damit einen Klassiker, mit dem man in dieser Form reuelos ein Stück Spielegeschichte nachholen und im Gegensatz zu manch anderem, schlechter gealterten Spiel (Tomb Raider I-III, hüstel hüstel) auch durchaus Spaß haben kann. Aber einen aktuellen AAA-Shooter kann und will dieses Museumsstück natürlich nicht ersetzen.
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