Special - Gewaltkommentar : Wieso es ohne Gewalt nicht geht
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Ein kurzer Blick auf die Forschung
Machen wir es kurz: Studien zum Thema Gewaltkonsum und dessen Auswirkungen auf die Psyche gibt es haufenweise. Die einen postulieren einen Zusammenhang, die anderen behaupten das Gegenteil. Das Forschungsfeld ist extrem unübersichtlich und absolut kontrovers. Fakt ist aber, dass Kinder bis zum 7. Lebensjahr noch nicht so recht in der Lage sind, Fiktion und Realität zu trennen. Diese Tatsache ist insbesondere für Eltern wichtig. Auch scheint es einen Zusammenhang zwischen moralischer Erziehung und Status zu geben. Gut behütete Kinder konsumieren Gewalt aufgrund ihres Interesses für den Gegenstand – Battlefield etwa als Ersatz für eine Hackordnung im Klassenraum, die Gewalt ist eher nebensächlich. Unzufriedene, aggressive Kinder, sollen sich eher für die möglichst realistische Gewaltdarstellung interessieren.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass Erziehungswissenschaftler sich größtenteils einig darüber sind, dass ab dem fünften Lebensjahr eines Kindes in etwa feststeht, wie das Kind sich emotional weiterentwickeln wird. Das Aggressionspotenzial stammt also, liebe Eltern, aus dem Elternhaus und den Kindergartentagen! Was danach wen beeinflusst, ist bis heute ungeklärt. Eine mehrdimensionale Wechselwirkung erscheint hier als sinnvolle Annahme.
Wieso reizt uns Gewalt so dermaßen?
Auch hier ist das Forschungsfeld unübersichtlich und kontrovers. Manche sagen, weil wir den Reiz des Neuen suchen, als Antrieb dienen Mechanismen der Evolution. Es gehe darum, Tabus zu brechen – Grüße an Hitchcock. Andere meinen, es müsse etwas erlebt werden, das wir so im Alltag nicht kennen. Von Angsttherapie bis Sensationslust sind alle Positionen vertreten.
„Amokläufer las Macbeth!“
Schockschwerenot, lasst uns das Buch verbrennen. Und erinnern wir uns an Herrn Breivik, der soll einige große Schriftsteller in seinem Manifest zitiert haben. Was ich damit sagen will? Ursachen und Motivationen sind mehrdimensional und kaum auf ein Werk oder Spiel oder was auch immer zurückzuführen! Ich habe "Macbeth" auch gelesen und Counter-Strike gespielt und den „Genozidexpress" in Sid Meiers Civilization mehr als einmal befahren. Ich weiß aber damit umzugehen. Cäsars „De Bello Gallico“ wird in jedem Lateinunterricht gelesen, dabei könnte es auch schlicht „Mein Kampf" heißen oder „Wie ich die Scheißbelgen (unter anderem) bis auf den letzten Mann, die letzte Frau und das letzte Kind ausgerottet habe und dabei Spaß hatte“. Ich bin sicher, dass noch viele Generationen Cäsars Genozid übersetzen werden, ohne dass dabei thematisiert wird, dass es ein solcher war. Trotzdem stigmatisiert niemand den Lateinlehrer als kriminellen Demagogen, der CS-Spieler muss aber gerne mal als „gestört“ herhalten. Schräge Welt.
Was nun?
Hirn einschalten, konsumieren, reflektieren, Feedback geben und annehmen und wieder von vorne! Stillstand ist schlecht, dachte man sich auch beim FC Bayern, als man Jürgen Klinsmann als Trainer verpflichtete – nicht gerade ein positives Beispiel, aber im Kern richtig. Es nützt nichts, in die Vergangenheit zu schauen und alte Werte zu glorifizieren, genauso wenig helfen voreilige Verbote, Stigmatisierungen, wenig durchdachte Regeln und Sündenböcke. Gewalt scheint uns irgendwie zu begeistern, das ist nun mal so. Die einen sind extrem, die anderen gemäßigt, manche sind Grenzgänger – die ganze Palette der Gesellschaft. Entscheidend ist der offene Dialog im Gegensatz zum passiven Hinnehmen und Konsumieren irgendwelcher Inhalte. Reflexion und Feedback sind das A und O. Solange wir darüber sprechen, ist alles in bester Ordnung. Und liebe Eltern: Schaut bitte ein bisschen genauer hin.
Dieser Artikel entstand aus der Beobachtung heraus, dass Diskussionen über Gewalt in den Medien meist recht einfach gestrickt daherkommen. Deswegen sind einige Passagen bewusst provokativ und sollen zum Nachdenken einladen. Auch Elternratgeber sind häufig erschreckend stupide und wenig ansprechend gestaltet. Dem Thema wird viel zu viel Popularität und viel zu wenig offener Diskurs gewidmet. Gehandelt wird immer erst, wenn irgendetwas Furchtbares passiert ist. Und dann sind die Medienberichte häufig ein schlechter Witz.
Schon ein großer Deutscher Dichter ließ in seinem Werk „Torquato Tasso“ verlauten: „Erlaubt ist, was gefällt!“, woraufhin die Frau antwortet, erlaubt sei, was sich ziemt.
Heute würden EA und Hollywood wohl eher „fack ju göhte“ sagen, aber im Prinzip hat Goethe die Mediendiskussion irgendwie kommen sehen.
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