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Special - Charakterfrage : Emotionale Bindung, aber wie?

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Andere Charaktere sind ebenfalls ein gutes Element zum Aufbau einer Persönlichkeit und vor allem einer emotionalen Bindung. Nicht zuletzt darum sind Buddy-Spiele so erfolgreich. Okay, man darf nun nicht unbedingt Titel wie Kane & Lynch oder Army of Two als Beispiel heranziehen, denn die gehören zu oben genannten „Erlebnisspielen“. Meist werden im Zusammenhang mit anderen Charakteren Aspekte wie Entscheidungen, Verantwortung und Instinkte angesprochen. Ein enorm populäres Beispiel für eine wunderbare Verquickung verschiedener Elemente ist The Walking Dead von Telltale.

Unsere Hauptfigur, der des Mordes beschuldigte Lee, ist anfänglich im Grunde eine farblose Gestalt. Die saugt den Spieler aber mehr und mehr in sich auf, indem sie uns vor Entscheidungen mit zum Teil bitteren Konsequenzen stellt. Wir entscheiden über Leben und Tod, müssen die Ergebnisse unserer Entscheidungen ertragen und werden dadurch enorm emotional gefesselt. Hinzu kommt, dass unser Beschützerinstinkt angesprochen wird, indem wir uns um ein mehr oder minder hilfloses Mädchen kümmern müssen, das glaubwürdig auf unsere Taten reagiert. Quasi also das Doppelpack an emotionaler Einbindung.

Und so entwickelt Lee mit der Zeit tatsächlich eine Persönlichkeit. Oder besser gesagt: Er wird vom Spieler durch dessen Entscheidungen und durch die Reaktionen der anderen Charaktere mit Leben gefüllt. Ein Paradebeispiel, wie man alles richtig machen kann. Heavy Rain war ebenfalls ein gutes Beispiel dafür mit weitgehend normalen Figuren, die durch ihre Nachvollziehbarkeit für eine starke Bindung sorgten. Die Charaktere selbst blieben oberflächlich, aber die Verständlichkeit der Motive sorgte hier für die Bindung zum Spieler.

Wie sich Handlung und Nebencharaktere ebenfalls gut verbinden lassen, zeigt BioShock: Infinite. Booker De Witt eine Persönlichkeit zu verleihen, ist gar nicht so einfach, zumal seine rabiaten Aktionen im Spiel es ein wenig schwer machen, eine emotionale Bindung aufzubauen. Ohnehin erfahren wir erst im Verlauf der Handlung ein bisschen was über seine Person und versinken zunächst in dieser abgefahrenen Spielwelt, die genügend Ablenkung bietet, um schlussendlich den Katalysator einzubringen, der dem Spiel und Booker erst Leben verleiht: Elizabeth.

Ken Levine hat es geschafft, mit ihr einen ungemein liebenswerten Sidekick einzubauen, der eigentlich komplett ausreicht, um Booker mit Motivation und Bindung zu versorgen. Man verliebt sich förmlich in das Mädchen, man würde alles tun, um es zu schützen, man zuckt zusammen, wenn es unsere Taten kritisiert. Bei mir war es in dem Moment um mich geschehen, als Lizzy am Strand zu tanzen begann und ihre Freude die blutigen Ereignisse für einen Moment vergessen ließen.

Gute Sidekicks beleben ein Spiel ungemein und sorgen für eine Bindung. Zudem eignen sie sich prima dazu, durch Dialoge Hintergründe über die Spielfigur einfließen zu lassen, aber auch Aktionen des Spielers zu bewerten und zu hinterfragen. Man denke an die wunderbare Beziehung zwischen Monkey und Trip in Enslaved, bei der die anfängliche Ablehnung durch die gemeinsamen Abenteuer zu tiefer Zuneigung wird. Oder natürlich der Horrortrip von Joel und Ellie in The Last Of Us, der speziell im Falle von Joel eine enorme Charakterentwicklung mit viel Sinn für Psychologie zeigt. Schon Primal mit Jen und Scree zeigte, wie gut ein Hauptcharakter mit Sidekick funktionieren kann, um Persönlichkeit und emotionale Bindung zum Spiel und zur Figur aufzubauen.

BioWare stopft uns meist sogar richtig voll mit Sidekicks und die zahllosen Dialoge mit ihnen sorgen unter anderem dafür, dass die Hauptfiguren der Spiele Farbe bekommen. Mal ehrlich, Commander Shepard aus Mass Effect ist als Videospielfigur eigentlich eine ziemlich tumbe Nuss. Doch er wird zur Persönlichkeit, indem der Spieler selbst durch die Dialoge und das Verhalten zu den Begleitern, durch Entscheidungen und oftmals auch die Verantwortung für die ganze Crew diese anfänglich leere Hülle füllt. Hier lernen wir zum Teil gleich die ganze Geschichte der Nebencharaktere kennen, und auch das sorgt für enorme Bindung trotz im Grunde recht blasser Hauptfigur.

Natürlich ist das nicht in allen Spielgenres erforderlich. Sportspiele oder Shooter brauchen nicht unbedingt Emotionen, da stehen ganz andere Dinge im Vordergrund. Erzählerische Spiele leben jedoch von glaubwürdigen, nachvollziehbaren Charakteren und es täte jedem Entwickler gut, sich mal ein bisschen mehr mit der menschlichen Psyche zu beschäftigen, statt lediglich Abziehbilder aus der Klischeeschublade an den Start zu bringen. Es gibt so viele Mittel und Wege, Spiele lebendiger und emotionaler zu gestalten - und wie schon vor längerer Zeit gesagt: Die Spielewelt ist durchaus reif dafür. Wer nicht in der Lage ist, gute Hauptfiguren zu gestalten, findet durch Motive, Entscheidungen, Sidekicks und andere Tricks reichlich Mittel und Wege, dennoch emotional fesselnde Spiele zu gestalten.

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