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Test - Pillars of Eternity : Rassiges Rollenspiel-Revival

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Taktisch hochgradig fordernd

Damit kommen wir langsam zum Kampf. Pillars of Eternity bietet vier Schwierigkeitsgrade, wobei der härteste ein Modus ist, in dem es nur einen Spielstand gibt, der gelöscht wird, sobald ihr sterbt. Hardcore-Modus also. Gekämpft wird grundsätzlich in Echtzeit, wobei ihr jederzeit die Möglichkeit habt, das Spiel zu pausieren, zu verlangsamen oder zu beschleunigen (wobei letzteres nur beim Durchqueren bereits besuchter Gebiete wirklich sinnvoll ist). Die Kämpfe sind bereits ab dem normalen Schwierigkeitsgrad enorm fordernd und taktisch ausgelegt. Schon bei den ersten Kämpfen werden euch klar die Grenzen aufgezeigt – der berüchtigte Bär aus einer Höhle ziemlich zu Beginn des Spieles macht da schon bei Twitter seine Runde. Schnellspeichern wird schnell zum besten Freund.

Gerade größere Gegnergruppen mit gemischten Angriffstypen machen euch das Leben schwer. Wohl dem, der eine vernünftige Formation für seine Gruppe erstellt hat. Und natürlich eine gut gemischte, homogene Truppe in den Kampf schickt. Oft lohnt es sich zudem, enge Stellen der Level auszunutzen, damit eure hoffentlich gut gerüsteten Nahkämpfer den Weg versperren, während dahinter Heiler und Fernkämpfer agieren. Erfreulich ist, dass ihr jede Menge Optionen dafür habt, das Spiel automatisch anzuhalten, beispielsweise wenn Gegner in Sicht kommen, der Kampf beginnt, ein Gruppenmitglied bewusstlos wird und vieles mehr.

Bei den Kämpfen ist viel Mikro-Management gefragt, denn abgesehen von den Standardattacken agiert keiner eurer Begleiter selbstständig. Alle Zauber und Spezialfähigkeiten müsst ihr von Hand vorgeben, wozu natürlich die besagte Pausefunktion bestens geeignet ist. Auch mehrere Befehle hintereinander können verkettet werden. Das ist sinnvoll, zumal es zwischen den Charakteren, ihren Fertigkeiten und auch der Position nicht selten Synergien gibt, die es auszunutzen gilt. Auch sind Gegner gegen unterschiedliche Schadensarten unterschiedlich anfällig, was allerdings ebenso für eure Begleiter gilt. So lohnt es sich zum Beispiel häufig, Nahkämpfer „wegzutanken“, um vorher in Ruhe Magier oder Fernkämpfer auszuschalten. Zudem gibt es eine ganze Masse an Flächenfähigkeiten von Auras über Heilung bis hin zu Buffs und Debuffs.

Übung macht den Meister

Eins ist aber sicher: Einfach nur einen Gegner markieren und alle eure Leute draufhetzen, funktioniert nicht. Das bedeutet euren sicheren Tod. Der tritt übrigens nicht sofort ein, denn in Sachen Gesundheit hat sich Obsidian eine feine Nuance ausgedacht. Die Charaktere verlieren zunächst Ausdauer bis hin zur Bewusstlosigkeit. Einmal bewusstlos, sind die fürs Erste raus aus dem Kampf und verlieren einen Teil ihrer Gesundheit. Gewinnt ihr das Gefecht, regeneriert sich die Ausdauer wieder, nicht aber eure Gesundheit. Zudem ermüdet ihr und seid im nächsten Kampf nicht mehr voll leistungsfähig. Erst wenn die Gesundheit komplett auf Null geht, stirbt die Spielfigur. Endgültig. Gesundheit könnt ihr aber recht simpel regenerieren, wenn ihr am Lagerfeuer nächtigt (begrenzt durch Camping-Material), ein Zimmer in einer Taverne mietet oder in eurer Festung schlaft.

Insgesamt ein hochkomplexes System, das einiges an Einarbeitung fordert, aber in den Kämpfen durch Learning-by-doing kräftig die Muskeln spielen lässt. Und wie schon erwähnt: Das Spiel zwingt euch geradezu dazu, euch damit zu beschäftigen. Dafür ist das Erfolgserlebnis umso größer, wenn man den aussichtslos geglaubten Kampf schließlich doch noch mit geschickter Taktik zum Erfolg wendet. Nebenher müsst ihr euch übrigens auch mit Fallen, verschlossenen Türen oder versteckten Objekten herumschlagen. Einiges davon entdeckt ihr im Stealth-Modus, anderes wird angezeigt, wenn ihr kurz die Tab-Taste drückt.

Fazit

Andreas Philipp - Portraitvon Andreas Philipp
Wiederbelebung alter Rollenspieltugenden

Pillars of Eternity ist ganz sicher nicht jedermanns Geschmack und verlangt euch einiges ab. Aufmerksamkeit, um den umfangreichen Texten zu folgen. Geduld, um mit Niederlagen fertig zu werden und neue Taktiken zu erarbeiten. Konzentration, um die enorm fordernden Kämpfe nicht durch einen ungeschickten Fehler zu verlieren. Viel Zeit, denn es ist ein Rollenspiel, das einen so schnell nicht mehr loslässt und zudem zum erneuten Spielen motivieren kann dank der Charakterklassen, Entscheidungen und Quest-Verläufe. Fantasie, denn vieles wird nicht visualisiert, sondern durch Beschreibungen und Texte dargestellt. Und natürlich den Willen, ein Spiel zu spielen, das nicht mit hochmodernen, cineastischen Sequenzen arbeitet, das einen nicht andauernd mit Quest-Markern und Hinweisen an die Hand nimmt. Pillars of Eternity ist wahrlich ein Rollenspiel der alten Schule, vollgestopft mit Inhalt, etwas ungeschliffen an den Kanten, unterhaltsam wie ein Buch und zuweilen taktisch wie ein Strategiespiel. Neben einigen Aspekten, in denen das Spiel sein Potenzial nicht ganz ausreizt, gibt es für mich eigentlich nur einen Störfaktor, nämlich dass der Großteil der Charaktere zwar viel Hintergrund hat, aber irgendwie trotzdem farblos bleibt – vielleicht weil einfach prägnante Figuren wie im Stile von Morte, dem sprechenden Schädel aus Planescape: Torment oder Imoen oder Minsc aus Baldur's Gate fehlen. Für Liebhaber eben jener genannten Spiele ist Obsidians Kickstarter-Projekt aber Pflicht und wie seine Brüder im Geiste (Wasteland 2, Divinity: Original Sin) eine überaus willkommene Wiederbelebung längst vergessen geglaubter Rollenspieltugenden. Und ganz nebenher ein wunderbares Beispiel für die Existenzberechtigung von Crowdfunding-Projekten.

Überblick

Pro

  • komplexes Skill- und Charaktersystem
  • taktisch sehr fordernde Kämpfe mit spannenden Synergien zwischen den Charakteren
  • eigene Festung mit Ausbaumöglichkeiten
  • hübsch gestaltete Umgebungen
  • sehr gutes Questdesign, keine nervigen Grinding-Quests
  • stimmiges Konzept der Spielwelt
  • guter Spielumfang
  • kein oberflächliches Gut-/Böse-System
  • viele tiefgreifende Entscheidungen
  • hoher Wiederspielwert
  • immens viel Lesestoff in Form von Büchern, Manuskripten und Notizen
  • gut gelöstes Inventarsystem
  • vor allem in der englischen Version sprachlich hochwertige Texte und Dialoge

Contra

  • Begleiter sind etwas zu farblos
  • schwache Darstellung der Charaktere
  • zahlreiche kleinere Fehler bei der Übersetzung
  • Potenzial der Festung wird nicht ausgereizt
  • Skill-Beschreibungen zuweilen etwas schwammig
  • Seelenlesen bleibt nur nettes Extra
  • technisch altbacken

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