Preview - New World : Battle Royale auf MMO-Art
- PC
Huch! Da schaut man mal nicht auf den Kalender, schon sind 18 Monate vergangen, seitdem wir das erste Mal New World spielen durften. Inzwischen hat sich in Amazons MMO einiges getan, daher wurden wir zu einem Schlachtszenario eingeladen, in dem wir eigenhändig ausprobieren durften, wie viel Spaß der virtuelle MMO-Krieg bereitet. Fünfzig gegen fünfzig – da geht es heftig zur Sache!
Sollte der Name New World euer Gedächtnis verlassen haben, dann sei kurz noch einmal angerissen, dass es sich dabei um ein MMO handelt, das im 17. Jahrhundert spielt. Man übernimmt die Rolle eines Siedlers, der auf einer unentdeckten Insel landet. Diese will erschlossen und besiedelt werden, was aber nicht gerade friedlich vonstattengeht, da sich drei Hauptparteien und mehrere Unterfraktionen zugleich um die Länder und Ressourcen der Insel streiten.
New World betont dabei zwei Hauptaspekte. Einerseits geht es um eine Spielumgebung, deren Veränderungen auf jedem Server dauerhaft gespeichert werden. Abgebaute Ressourcen müssen beispielsweise erst Nachwachsen und haben für alle Spieler eines Servers den gleichen aktuellen Zustand. Das zweite Hauptaugenmerk liegt in der Kriegsführung, mit der Fraktionen Teile der Landkarte für sich beanspruchen können. Dabei geht es um die Besetzung und die Verteidigung von Forts, die eine Art Steuerzentrale für Soldaten und Ressourcen darstellen, ähnlich wie im Sezessionskrieg in Amerika. Aber eines nach dem anderen.
Nach dem Krieg ist vor dem Krieg
Die Entwickler der Amazon Game Studios hatten im Februar 2019 wahrlich nicht zu viel versprochen. Alles, was im Rahmen des damaligen Vorschau-Events in Aussicht gestellt wurde, ist umgesetzt worden, einschließlich der ansehnlichen grafischen Gestaltung. Damals war aber auch viel von Kriegsführung und Konflikten zwischen Fraktionen die Rede. Selbst erstellte Gruppen, die nach langer Vorbereitung um Territorien kämpfen, Forts erobern und so die Dominanz über ein rohstoffreiches Gebiet erhalten. Was man halt so macht, wenn man mit Tausenden anderen Menschen auf einer unentdeckten Insel gestrandet ist.
So ein Szenario durften wir am 24. August selbst ausprobieren. Aufgrund der Corona-Bestimmungen natürlich in einer rein virtuellen Konferenz, wodurch direkte Kommunikation mit Verbündeten nur umständlich möglich war. Hätte sowieso nicht viel gebracht, wir saßen ja alle mit unseren brandneuen Level 60-Charakteren im selben Boot. Von Tuten und Blasen keinen Schimmer, aber einen Krieg gewinnen wollen. Na, das konnte ja heiter werden.
Wurde es auch. Geschätzte 50 europäische Pressevertreter spawnten neben ebenso vielen Teammitgliedern der Amazon Game Studios in einem gemütlichen virtuellen Kaff auf dem europäischen Beta-Server. Während Admins und Entwickler mühselig versuchten, Ordnung zu schaffen, allen das Nötigste in Bezug auf ihre Charaktere zu erklären und Nachzügler einzuweisen, frönte der Presse-Mob dem Schabernack. Wir stellten uns in Reihe, führten Tanz-Emotes aus, fluteten den sowieso schon überfüllten zentralen Platz der Stadt mit Zaubersprüchen (bevorzugt gigantische Feuerbälle) und schaukelten unsere Ei…nhänderschwerte.
Wir amüsierten uns schon vor der Schlacht prächtig und genossen das grafisch schön gestaltete Umfeld, während wir nach und nach lernten, Skill-Punkte in Perks für unsere Waffen zu verwandeln. Da gab es einiges zu tun: Gleich drei Tötungswerkzeuge darf jeder Charakter gleichzeitig tragen und zu jedem beliebigen Zeitpunkt mit drei wirkungsvollen Spezialattacken zum Einsatz bringen. Welche Spezialattacken bereitstehen, ließ sich anhand der in zwanzig Level unterteilten Perks bestimmen.
Dadurch wurde uns klar, was die Entwickler meinten, als sie versicherten, es gäbe in New World keine festen Klassen. Man kann sich nach eigenem Gutdünken spezialisieren, aber es bestehen keine Talent-Einbahnstraßen. Daher darf ein Heiler ebenso gut einen Kriegshammer schwingen wie einen Zauberstab. Investiert man Skill-Punkte in den Heilungszweig, kann man Trefferpunkte der eigenen Leute auffrischen, wenn nicht, dann eben nicht.
Diese Maßnahme dürfte eine pragmatischer Natur sein, denn wenn es in anderen MMOs eines gibt, das den Start eines Raids regelmäßig verzögert, dann ist es die Suche nach der richtigen Gruppenbesetzung. Damage Dealer, Tank, zweite Reihe und Heiler? In New World kein Thema. Wäre schließlich mühselig, 50 gleichmäßig vertretene Klassen in ein gruppenbasiertes PvP-Gemetzel zu bekommen, und im PvE-Anteil beschwert sich wahrscheinlich auch niemand darüber.
Das große Gemetzel
Die Organisatoren hatten jedem Teilnehmer schon vor dem Event mitgeteilt, ob er bei dieser Vorführung als Aggressor oder als Verteidiger spielen würde. Wir gehörten zu den Verteidigern, die innerhalb der Fortmauern starten würden. Bevor die Schlacht begann, mussten wir uns allerdings auf einem schwarzen Brett, das in der Stadt aushing, als Freiwillige eintragen.
Einhergehend mit der Liste bestimmt ein fester Zeitpunkt, wann die Schlacht startet. Jeder, der sich in die Liste einträgt, wird nämlich automatisch in das fest abgeriegelte Kriegsgebiet versetzt, das kein anderer betreten kann. Das ist organisatorisch sicher sinnvoll, aber es macht auch einen leicht befremdlichen Eindruck, die Namen von Freund und Feind fein säuberlich in bürokratischer Genauigkeit aufgelistet zu sehen. Das Ganze wirkt leider ein wenig konstruiert, zumal auf diese Weise Wendungen à la Herr der Ringe verhindert werden. In New World wird kein Verbündeter im letzten Moment zur Hilfe eilen, um das Blatt zu wenden.
Das dürfte umso einschneidender sein, je öfter das Privatleben dazwischenfunkt. Wie viele eingetragene Kämpfer kommen zu spät auf den Server? Wie viele verpassen den Termin komplett, weil sie etwas anderes erledigen müssen, das nicht warten kann? Ein wenig mehr Flexibilität würde dem System sicher nicht schaden. Wie gut es aufgeht, wird aber erst die endgültige Fassung unter Volllast bei Alltagsbetrieb zeigen.
Vieles in New World wird wohl mit dem Erfahrungswert der Spieler verknüpft sein. Man warnte uns vorab, dass die Schlacht um das Fort womöglich etwas chaotisch verlaufen könnte, weil wir alle noch nicht wüssten, welche Prioritäten wir zu setzen hätten. Es geht nämlich nicht einfach um das beliebige Stürmen des Forts. Angreifer müssen innerhalb eines Zeitlimits von 30 Minuten zuerst drei Basispunkte in Form von Flaggen attackieren, die um das Fort verteilt wurden. Anschließend versuchen sie, die Tore des Forts aufzubrechen und die Flagge im Zentrum des Forts niederzureißen, was schwierig ist, wenn auf dessen Mauern schwere Kanonen und andere Belagerungswaffen stehen, zumal die Verteidiger zeitgleich Reparaturen an den Toren veranlassen.
Die Aggressoren müssen also strategisch koordiniert agieren, ihre eigenen Belagerungsanlagen strategisch positionieren und mehrere Angriffspunkte gezielt ansteuern, um die Kräfte der Verteidiger an verschiedenen Stellen zu binden. Dort, wo die Kette der Verteidiger am schwächsten ist, gelingt der Durchbruch. Stützen sich hingegen alle nach Belieben auf die möglichen Ziele, wird wenig erreicht.
Womöglich war das der ausschlaggebende Punkt für die gelungene Verteidigung unseres Forts. Nicht, dass wir mehr Ahnung gehabt hätten, wo und wie unsere Aufteilung Früchte trägt. Wir hatten beispielsweise völlig unterschätzt, wie viel Munition wir für die Kanonen auf den Mauern benötigen würden, sodass sich die meisten Verteidiger mit vollem Körpereinsatz in das Getümmel stürzten.
Aber als unsere Gegner gen Schluss meinten, sie müssten allesamt durch ein einziges Tor preschen, nahmen wir sie in die Zange. Das war ein Mords Gemetzel, zeitweise mit unüberschaubarem Tohuwabohu. Feuerbälle, Schutzschild-Blasen, dichter Rauch und Kampfgeschrei überall. Ja, es war chaotisch, aber spaßig war es definitiv ebenso. Mit ein wenig Koordination und Erfahrung kann es eigentlich nur besser werden, sofern das System so gut ausbalanciert ist, wie man uns versprach.
Eines steht jedenfalls fest: Die Technik hinter dem Spiel ist ausgereift. Da alle Aktionen mitsamt ihrer physischen Auswirkung serverseitig ausgeführt werden und nicht beim Client, gab es nie Diskrepanzen zwischen den gezeigten Attacken und ihren Auswirkungen. Das betrifft auch die Treffererkennung, die vollständig physikbasiert ist und sich nicht auf den Abgleich von Timing-Werten verlässt. Sowohl Angriffe als auch aktive Ausweichmanöver (etwa durch Abrollen per Druck auf die Leertaste) werden also ähnlich vollzogen wie bei Offline-Actionspielen.
Das verleiht dem Kampfsystem eine Geschicklichkeitskomponente, die man in MMOs selten antrifft. Langsame Attacken müssen dementsprechend besser koordiniert werden. Lags hielten sich in unserer Testsitzung trotz etlicher auf einmal getätigter Aktionen in Grenzen, was bedeutet, dass man schwere Angriffe und Ausweichmanöver zuverlässig timen kann.
Die Beta ist aktiv
Bleibt zu hoffen, dass auch der Rest des Spiels die hochgesteckten Erwartungen der MMO-Profis erfüllt. Vor allem das neudeutsch „Socializing“ genannte Pflegen von stressfreien Nebentätigkeiten stellt bei neuen MMOs nicht selten das Zünglein an der Waage dar. Als wir im anschließenden Interview danach fragten, bekamen wir keine handfesten Beispiele genannt. Es hieß, man habe viele Tätigkeiten in Petto, von denen ein Großteil der Sicherung besetzter Gebiete und der Vorbereitung auf eine Schlacht dienlich seien. Mitunter ließen sich Fortmauern verstärken und Belagerungswaffen nach Gutdünken verteilen.
Vermutlich gehört das umfangreiche Crafting-System mit seinen 16 Handwerksklassen dazu. Es setzt wenige Erfahrungslevel voraus, bis man alle Rezepte erlernen kann, nämlich gerade mal 60 von insgesamt 500. Alles darüber hinaus definiert Meisterungs- und Perfektionierungs-Level. Zudem ist ein kompletter Handels-Kreislauf mit Vertretern anderer Handwerkszünfte in dieses System eingebunden.
Trotzdem wäre es gut, wenn es auch Nebenbeschäftigungen gäbe, die nichts Zählbares zur Gemeinschaft oder zum Kriegsgeschehen beitragen, denn genau das sind die Faktoren, die Spieler dazu bringen, sich mal ein, zwei Stunden zur reinen Entspannung einzuloggen. Wir müssen bei solchen Dingen immer wieder an Herr der Ringe Online denken. In diesem MMO-Dauerbrenner gibt es ganze Sippen, die sich nur noch dem Theaterspiel und dem Musizieren verschrieben haben, nachdem sie sämtliche Raids zigmal abgeklappert hatten und begannen, sich innerhalb der Schlachtregeln zu langweilen. Man sollte nie vergessen, warum man noch immer von Rollenspielen spricht und nicht von taktischen Schlachtsimulatoren.
Wie gut der MMO-Alltag abschneidet, wird sich schon bald herauskristallisieren. Am 25..August rollte die geschlossene Betaphase an, die den Entwicklern gewiss noch einige Hinweise auf verbesserungswürdige Einzelheiten vermitteln wird. Vor 2021 ist nicht mit einer Veröffentlichung des Endproduktes zu rechnen.
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