Special - Meta Quest 3 : Hands-on: Das ist also mit diesem Metaverse gemeint
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Wenn Meta ausgesuchte Pressevertreter zu streng geheimen Vorführungen nach London einlädt, dann gibt es etwas Spektakuläres zu sehen. Nach dem offiziellen Connect-Stream ist die Katze endlich aus dem Sack: Meta Quest 3 soll der VR-Szene neue Impulse vermitteln. Der Fokus liegt dabei auf Mixed Reality. Wie gut das Konzept aufgeht, durften wir anhand mehrerer Demos eigenhändig ausprobieren.
Trotz redlicher Bemühungen mehrerer Parteien kommt das Thema Virtual Reality derzeit nicht so recht aus dem Knick. Selbst um Sonys PSVR 2 ist es nach dem Launch verdächtig still geworden, obwohl dessen technischer Ansatz bemerkenswert erscheint. Ein HDR-fähiger OLED-Screen, Augen-Tracking, Foveated Rendering, haptisches Headset-Feedback und weitere Sperenzchen konnten die Masse der PS5-Besitzer nicht zum Kauf überreden.
Im Vergleich dazu wirkt die technische Seite des brandneuen Meta-Quest-3-Headsets geradezu konservativ. Pancake-Linsen, 4K+ -Auflösung, stufenlos einstellbarer Augenabstand und ähnliche Features gehören bei der Konkurrenz von Pico und Co. inzwischen zum Standard. Auf den ersten Blick scheint es, als hole Quest 3 lediglich in Bereichen auf, welche die in die Jahre gekommene Quest 2 nicht nachrüsten konnte. Die zusätzliche Erwähnung seitens der Entwickler, man wolle Mixed-Reality-Anwendungen in den Fokus rücken, war für Gamer dementsprechend enttäuschend.
Welch ein voreiliger Schluss! Einige der neuen Eigenschaften von Quest 3 arbeiten nämlich so geschickt zusammen, dass Metas Headset das bis dato immersivste Spielerlebnis von allen VR-Brillen liefert. Was auf dem Papier zurückhaltend rüberkam, offenbarte sich beim Probespiel als durchdachtes Konzept.
Stärker, kleiner, raffinierter
Schon beim Aufsetzen des erstaunlich schlanken Geräts setzt ein Aha-Effekt ein: Der Pass-Through-Modus ist farbig. Klar, das gab’s auch schon bei Pico 4, HTC Vive XR Elite und natürlich auch der Quest Pro. Aber nicht in derselben Qualität!
Zwei hochauflösende Kameras arbeiten mit einem Tiefensensor zusammen, um das bislang schärfste und plastischste Pass-Through-Bild zu generieren, das uns bislang untergekommen ist. Abseits gewisser Farben, die uns einen Tick zu dunkel vorkamen, ließ sich dieser Modus kaum noch vom normalen Blickfeld mit den bloßen Augen unterscheiden.
Der neue 110-Grad-Blickwinkel, das superdichte Pixel-Netz des Screens (bei 2064 x 2208 Pixel je Auge) und vor allem die physische Nähe zu den Pancake-Linsen ließ uns jede Erinnerung an die typische Taucherbrillen-Optik anderer VR-Lösungen vergessen. Das Bild wirkte so lebensecht und plastisch, dass wir Gegenstände berühren und in die Hocke gehen konnten, ohne jemals aufgrund verfälschter Tiefenwahrnehmung das Gleichgewicht zu verlieren.
Screen-Door-Effekt? Pixelige Kanten? Nichts davon fiel auf. Bei intensiver Suche hätten wir garantiert ein wenig Aliasing gefunden, das liegt schließlich in der Natur eines Bildschirms. Aber bei normaler Betrachtung war nichts davon zu sehen, sodass wir vollkommen in der Illusion versinken konnten, normal in das Vorführzimmer zu schauen. Lediglich wenn Menschen und andere bewegliche Objekte im Zimmer umherwanderten, konnten wir einen leichten Warping-Effekt an dessen Rändern sehen, der das 3D-Bild leicht verzerrte.
Das ist eine exzellente Voraussetzung für Mixed-Reality-Grafiken, wie sie sowohl in Spielen als auch in Metaverse-Anwendungen zur Geltung kommen sollen. Denn in Mixed Reality verschmilzt künstlich generierte Grafik mit der echten Welt. So werden sogenannte Augments zukünftig den Blick in die eigene Wohnung unterhaltsamer machen. Beispielweise lebendige Bilder wie bei Harry Potter, wechselnde Tapeten, interaktive Action-Figuren und Büsten … sowas eben. Oder wie wäre es mit einem virtuellen 90-Zoll-Fernseher, auf dem ihr schon bald per Xbox Cloud Streaming Halo spielt oder die nächste Fußball-Weltmeisterschaft schaut?
Neue Anwendungsbereiche für Alltag und Freizeit
Eine wegweisende Zukunftsvision: So wie man heutzutage Brillen virtuell anprobieren kann, wenn man sie im Netz kauft, wird man zukünftig Möbel vor dem Kauf in der Wohnung platzieren können. Oder schlicht schauen, ob der neue Fernseher an die Wand passt, ob ein Kleidungsstück den richtigen Schnitt hat und so weiter. Kommunikation mit Freunden, die nicht anwesend sein können, wird über virtuelle Avatare möglich. Sie werden nicht in der Luft schweben, sondern in eurer Wohnung sitzen. All das ist nur dann möglich, wenn Mixed Reality zuverlässig funktioniert und glaubwürdig erscheint.
Dass Quest 3 diese Voraussetzung erfüllt, bewiesen mehrere Anwendungen. Angefangen mit der (auf Wunsch) automatischen Vermessung des Zimmers. Vorbei die Zeit, in der man per Controller Linien ziehen musste. Quest 3 analysiert sämtliche Möbel, Flächen und Wände, indem es beim bloßen Anschauen ein 3D-Gitter zeichnet. Das funktionierte ausgezeichnet, ließ aber noch Potenzial für kleine Verbesserungen. Etwa bei unförmigen Objekten wie Pflanzen, bei denen der Tiefensensor leicht über die Maße hinausschoss.
Der Clou: Im exakt vermessen Raum können eure Möbel aktiver Teil jeglicher Anwendung werden. Ihr wollt euer Sofa als Deckung in einem Sci-Fi-Ballerspiel nutzen? Kein Problem!
Ob das alles in den heimischen vier Wänden genauso gut funktioniert wie bei der Vorführung, können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht einschätzen. Zu gerne wüssten wir, ob die Vermessung des Raums von Unordnung beeinflusst wird, etwa durch herumliegende Kleidung. Erkennt das Headset meine Katze als Lebewesen oder gilt sie auch als Zimmerdeko, wenn sie bei der Vermessung durchs Zimmer huscht? Solche Fragen wären noch in ausführlichen Hardware-Tests zu klären, sobald sie offiziell zu haben ist.
In der Realität verankert
Dass Meta und Reality Labs allerdings Unmengen an Ressourcen in die Entwicklung gesteckt haben müssen, wurde uns beim Betrachten virtueller Objekte klar. So starteten wir beispielsweise ein Mehrspieler-Game namens BAM, bei dem wir kleine Roboter über ein virtuelles Spielfeld dirigierten. Das Spielfeld war felsenfest in der realen Welt verankert, völlig gleich, von welcher Seite aus wir es betrachteten. Es wackelte nicht, es verschob sich nicht, es schwebte im Raum als wäre es echt. Es ließ sich aber auch mit einfachen Gesten vergrößern, verkleinern oder drehen.
In anderen Spielen durften wir Löcher in die Wand des Zimmers schießen (First Encounters) oder Löcher per Telekinese vergrößern (Stranger Things), sodass Kreaturen aus den Wänden strömen konnten. Diese Löcher waren nicht schwarz. Sie wirkten wie Dimensionsportale, die mit der echten Welt verschmelzen.
Auch diese Idee ist sicher nicht neu. Aber die Umsetzung wirkte noch nie so glaubhaft. Die Grafik war klar als künstliche Komponente zu erkennen, weil sie keinen fotorealistischen Touch hatte, und doch teilte sie dieselbe Glaubhaftigkeit wie ein Theaterrequisit.
Verdammt scharfe VR-Erlebnisse
Voll-immersive VR-Games kamen in der Präsentation nicht zu kurz, allerdings nutzten die Entwickler diese Zeit mit ihnen vornehmlich zum Flexen der rohen Hardware-Power. Mithilfe des neuen Snapdragon XR2 Gen2-Chips, der doppelt so viel Rechenkraft auf dem Kasten hat wie der Chip der Vorgängermodelle, ist Quest 3 nämlich in der Lage, höher aufgelöste Texturen, bessere Beleuchtungseffekte und generell mehr grafischen Wumms zu generieren.
Anhand einer speziellen Red Matter 2 Demo demonstrierten sie uns direkte Vergleiche mit der Qualität, die Quest 2 auffahren könnte. Der Unterschied erschien uns nicht nur aufgrund der (auf Quest-2-Niveau simulierten) Pixeldichte gewaltig. Schattendetails, Physik und Beleuchtung waren in der Quest-3-Fassung meilenweit voraus.
Bei Segas Musikspiel Samba de Amigo lernten wir hingegen den Formfaktor der neuen Controller zu schätzen. Sie ähneln stark den Quest-Pro-Controllern, haben also keinen Tracking-Bügel mehr. Egal wie nah beieinander wir unsere virtuellen Maracas im Takt der Musik schüttelten, wir liefen nie Gefahr, sie aneinanderstoßen zu lassen. Wer große Pranken hat, wird sich allerdings Griff-Erweiterungen leisten müssen, denn sie waren recht klein.
Den besten Eindruck hinterließ Assassin’s Creed: Nexus. Die lang erwartete Adaption der Ubisoft-Marke ließ uns so immersiv in das virtuelle Venedig eintauchen, dass wir beim Klettern über Gebäudefassaden mehrmals das Gleichgewicht verloren. Wir konnten uns stets auffangen, stürzten also nie auf den Boden, aber es ist bemerkenswert, wie sich der Verstand angesichts der Schärfe der Grafik und der Tiefenwahrnehmung der Höhenillusion ergibt. Dieses Kunststück vermochte nicht einmal Horizon: Call of the Mountain.
Der Preis ist nicht ohne
Für uns steht damit fest, dass Meta am 10. Oktober das bislang immersivste und in vielerlei Hinsicht ausgereifteste VR-Headset auf den Mark bringt. Die technischen Daten von Quest 3 mögen auf dem Papier wenig beeindrucken, aber was sie in der Praxis vermitteln, hat einen weit stärkeren Einfluss auf das Spielerlebnis, als es ein OLED-Screen je haben könnte.
Schade nur, dass der Akku wieder nur zwei bis drei Stunden durchhält und sämtliche Kopfbänder und andere Accessoires von Drittherstellern inkompatibel sind. Auch wenn Quest 3 von vornherein bequemer sitzt als sein Vorgänger, grenzt der Ausschluss von altem Zubehör an eine Umweltsünde. Immerhin: Quest-2-Spiele und Anwendungen bleiben weiterhin nutzbar. Sie sollen selbst dann besser aussehen, wenn die Entwickler ihre Spiele nicht an Quest 3 anpassen. Auch eine kabellose Verbindung zum PC für den Genuss von VR-Games über Steam gehört weiterhin zu den Standardfunktionen.
Vorbestellen darf man Quest 3 schon jetzt. Mindestens 549 Euro für die Version mit 128 GB internem Speicher kostet der Spaß. Das ist ein Haufen Kohle, aber immer noch weit günstiger als die ganzen Pro-Headsets, die Quest 3 in den meisten Kategorien locker aussticht. Einen ausführlichen Test der verfügbaren Hardware und Software liefern wir euch, sobald wir sie in den Händen halten.
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