Test - Final Fantasy 15 : Vier Kerle, ein Auto und die weite Welt von Eos
- PS4
Leider kommt die Kamera kaum hinterher. Eure Aufgabe besteht hauptsächlich im Festhalten des Kreisknopfs auf dem Controller (oder dem B-Knopf auf der Xbox One) und dem Warten auf kleine Indikatorsymbole, die die Möglichkeit eines Konters oder eines Ausweichmanövers ankündigen. Wer gegen wen kämpft, wird inzwischen nebensächlich. Wald und Flur versperren sowieso die freie Sicht auf den Verlauf der Schlacht, sofern man nicht auf den Wartemodus zurückgreift, der das Bild regelmäßig einfriert und taktische Übersicht gewährt.
Der Wartemodus ergibt gerade beim Einstieg in das Kampfsystem viel Sinn, nervt aber im Verlauf des Spiels immer öfter, weil selbst kleinste Aktionen unterbrochen werden. Es wäre sinnvoller gewesen, wenn Square Enix die Schlachten etwas gedrosselt hätte. Die vorliegenden Lösungen mit oder ohne Pausen sind zu extrem. Noch kritischer steht es um den Einsatz von Magie, denn es gibt nur drei elementare Zauberkräfte, die allesamt großflächigen Schaden zufügen – auch der eigenen Mannschaft. Es lohnt sich also nur dann, einen Zauber zu sprechen, wenn kein anderes Party-Mitglied in der Nähe des anvisierten Feindes steht, und das ist so gut wie nie der Fall. Wer das ignoriert, tötet im schlimmsten Fall die eigene Party.
Bedauerlich, denn einerseits benötigen Zauber immer eine Ruhepause (Online-Rollenspieler kennen das als sogenannten Cool-down), wodurch ein vermasselter Zauberspruch gleich doppelt bestraft wird. Andererseits würde ungemein viel strategisches Potenzial in den Zaubern stecken, wenn sie nur etwas flexibler und weniger riskant wären. Noctis saugt nämlich elementare Kräfte aus Quellen und kann anschließend bestimmen, wie viele Anteile davon in drei anwendbaren Zaubersprüchen gebündelt werden sollen. Das wäre ein tolles taktisches Element gewesen, wenn die Designer von Square Enix nicht darauf bestanden hätten, den Einsatz übermäßig zu begrenzen und eigenen Party-Mitgliedern zu schaden.
Die Faszination einer lebendigen Welt
Final Fantasy XV fühlt sich ungewohnt an und vernachlässigt vieles von dem, was bei früheren Teilen der Serie im Vordergrund stand. Es dauert gefühlte Ewigkeiten, bis man zum ersten Mal durch eine epische Schlacht mitgerissen wird und das Ausmaß der Handlung samt allen Wendungen begreift. Es können locker zehn Stunden vergehen, bevor irgendetwas auch nur entfernt so sehr mitreißt, dass es einem Final Fantasy würdig ist. Das heißt aber nicht, dass alles im Argen läge. Eine der besten Motivationsgrundlagen ist die freie Welt, in der man sich bewegt, und die vermag so manches Loch zu füllen, das die Handlung hinterlässt.
Es sind Noctis Begleiter mitsamt ihren Hobbys sowie die Bewohner der Siedlungen und ihre ulkigen Geschäfte, die euch näher an das Leben des einfachen Mannes in Eos heranbringen. Hier sucht ein Redakteur nach besonders schönen Fotos für seine Zeitschrift, dort versucht sich einer seiner Kollegen als Juwelier und schickt euch auf Edelsteinhatz. Anderswo hofft ein Bauer, dass ihr seinem verletzten und verirrten Chocobo auf die Beine helfen könnt.
Obwohl der Zielpunkt einer Quest immer auf der Karte angegeben wird, ist es gelegentlich verzwickt, ihn zu erreichen oder Feinde, die den Weg versperren, plattzumachen. Unterwegs schießen eure Freunde Fotos, lernen leckere Gerichte zu kochen, die der Party mächtige Buffs verschaffen, oder reißen einfach ein paar jugendlich blöde Witze. Eos lebt. Die Welt hat nicht so viel Eigenleben vorzuweisen wie Los Santos in GTA, aber sie versprüht genug Charme, um eine ganze Weile bei Laune zu halten.
Etwas simpler gestrickt, aber in der Regel erheblich lukrativer, sind Jagdaufträge. Das Schlachten gefährlicher Monster, die nicht selten bei Nacht besonders viel Schaden anrichten, wird mit barer Münze und Erfahrungspunkten belohnt. Außerdem lernt man auf den kurzen Trips zu den Ungetümen die Gegend besser kennen – inklusive Refugien, wo man sein Zelt aufschlagen und magische Ressourcen absorbieren kann. Das ist mitunter praktisch, weil Erfahrungspunkte nur beim Schlafengehen in einen Levelaufstieg münden.
Um Nebenquests und Jagdaufträge kommt ihr nicht herum, andernfalls ziehen euch gefährliche Kampfroboter und gut gerüstete Magitech-Soldaten in den Hauptquests die Hammelbeine lang. Die Faszination an der lebendigen Umwelt, ihren versteckten Schätzen, ihrem Tageszyklus inklusive Wetter und der mannigfaltigen Fauna hat nur einen gewaltigen Nachteil: Sie entzieht der sowieso schon recht spärlichen zentralen Handlung noch mehr an Gewichtung.
Der neue Ansatz gleicht einem Tauschgeschäft: Freiheit gegen Spannung, Selbstständigkeit gegen roter Faden – und in gewisser Weise auch JRPG-Tradition gegen westliche Einflüsse. Veränderungen sind nicht zwingend schlecht. Final Fantasy brauchte nach all den Jahren unbedingt eine Frischzellenkur. Nur: Musste sie unbedingt so radikal ins Gegenteil umschwenken? Im Titelbild verspricht Square Enix, es gehe um ein Final Fantasy für Kenner und Neueinsteiger. Schwer nachzuvollziehen. Abseits der Soundtracks aus vergangenen Tagen, denen man während der zeitfressenden Fahrten im Auto lauschen kann, erinnert so gut wie nichts an die Abenteuer früherer Final Fantasys.
Nebenbei: Getestet wurde auf einer Playstation 4 Pro. Dadurch standen zwei Grafikmodi zur Wahl. Abseits der gesteigerten internen Auflösung entspricht der Basismodus dem Grafikstandard der normalen PS4 und wird in Zukunft durch eine 60-fps-Option ergänzt. Der zweite Grafikmodus fährt schärfere Texturen und eine feinere Beleuchtung zugunsten der allgemeinen Bildqualität auf.
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