Test - Boomerang X : Geil: Devolver haut wieder verrückten Shit raus
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Ein Bumerang? Oder eher ein Fidget-Spinner mit Klingen an den Flügeln? Mögen sich die Philosophen darüber streiten, wichtig ist eh nur, was das Ding kann, nämlich den Blutdruck hochjazzen, mit einem Gameplay irgendwo zwischen Doom und Ghostrunner. Also First-Person-Action par excellence.
Das ist doch kein Bumerang! Das ist ein Fidget-Spinner, Marke extrascharf! Er erinnert mich an einige legendäre Waffen der Filmgeschichte. Zum Beispiel an das Fünf-Klingen-Schwert „Glade“ aus dem 80er Actionstreifen Krull. Oder an diese absurde Szene aus einem uralten Jet-Li-Klassiker, in der ein paar Kung-Fu-Haudegen kleine Shuriken in die Luft werfen, um im nächsten Moment auf ihnen balancierend durch die Luft zu fliegen.
Völlig gleich, wie man das Ding nun nennt, es hat seine Vorzüge. Einmal aus der Ego-Perspektive geworfen, kommt es nach gewisser Zeit in die eigene Hand zurückgeflogen. Auf Knopfdruck sogar sofort. Unterwegs schlitzt es bösen Albtraum-Tieren den Wanst auf, was eine zuvorkommende Eigenschaft ist, wenn eben diese in Scharen anrücken und drohen, einem das Lebenslicht auszupusten.
Bizarr, aber adrenalinschwanger
Ist schon eine seltsame Insel, auf der mein Avatar und ich gestrandet sind. Ach was, das gesamte Spiel ist bizarr. Warum der schiffbrüchige Held aussieht wie eine Mumie? Was das für Viecher sind? Wozu die Kampfarenen, zu denen ich stationsweise laufe, eigentlich da sind, wenn mal nicht gekämpft wird? Fragen, die nicht alle beantwortet werden, obwohl eine gigantische Raupe nach einem längeren Intro beinahe alles ausplappert, was es über diesen seltsamen Ort zu wissen gibt. Ich komme mir bisweilen vor wie die Wunderland-Alice auf einem schlechten LSD-Trip. Wirre Cel-Shading-Farben, abstrakte Bauten, turmhohe Monster, sprechende Raupen und bodenlose Abgründe, in die ich fallen soll, um neue Gebiete zu erreichen … Wow, irgendjemand muss mir etwas in den Tee getan haben.
So abgedreht das alles erscheinen mag, so spaßig ist die Tour durch jene linear angelegten Katakomben, die mich von einem Upgrade zum Nächsten führen. Am Anfang vermag ich mit meinem Helden nicht mehr, als den Bumerang zu werfen. Kurze Zeit später lerne ich, dass die magische Beziehung zwischen ihm und seiner neuen Waffe in beide Richtungen funktioniert. Das Gerät kommt immer in seine Hand zurück, aber es geht auch umgekehrt: der Held kann sich blitzschnell zum Bumerang ziehen lassen. Und zwar zu jedem beliebigen Zeitpunkt.
Mein erster Gedanke: Oh toll, ich kann den Bumerang dorthin werfen, wo ich hingelangen möchte – etwa auf die andere Seite eines Abgrunds oder auf eine höher gelegene Plattform. Ein paar Minuten später macht es dann Klick wie bei Neo in der Matrix: Warum überhaupt noch irgendwo aufsetzen, wenn ich die Waffe immer wieder aufs Neue werfen und mich zu ihr ziehen lassen kann? Spätestens zu dem Zeitpunkt, an dem mir das Spiel offenbart, ich könne beim Aufladen der Wurfkraft die Zeit verlangsamen, bin ich von der Schwerkraft erlöst. Ich fliege fast ausschließlich durch die Kampfarenen. Werfen, anvisieren, fliegen, und wieder von vorne. Das macht irre viel Spaß, solange man nicht durch Projektile und Hindernisse düst. Etwa Giftblasen oder unverhofft ausgelöste Umweltfallen wie zum Beispiel Wasserfälle.
Oh ja, das Kämpfen. Trotz meiner neuen Fertigkeiten ist das angesichts stark begrenzter Trefferpunkte erst einmal kein Zuckerschlecken. Gegner erscheinen zwar in Wellen, kommen aber stets in mächtiger Überzahl, was die Angelegenheit unübersichtlich gestaltet. Kleine Spinnen, Würmer und andere Krabbelviecher begleiten gigantische Frösche, Schmetterlinge und weiteres Getier. Zum Glück muss ich nicht alle erledigen. Es genügt, die gelb markierten Anführer zu erwischen, um eine Welle abzuschließen. Dennoch verliere ich die ein oder andere Runde aufgrund der Hektik, was zur Folge hat, dass ich die aktuelle Arena von vorne starten muss – immer wieder bei der ersten Welle.
Uff! Das frisst ganz schön am Geduldsfaden, etwa wenn man beim letzten Gegner der siebten Welle abkratzt. Lässt sich manchmal kaum verhindern, denn die grob verteilten Aufladepunkte für meine wenigen Hitpoints verlangen, dass ich zum Heilen einen Moment stehen bleibe. Da komme ich mir regelmäßig vor wie auf dem Präsentierteller. Frust kommt aber nur selten auf, denn jede Wiederholung lehrt neue Feinheiten. Vor allem wenn es ums Umgehen der Schutzmechanismen einiger Gegner geht.
Die meisten von ihnen vertragen nur einen Treffer, aber je weiter das Spiel voranschreitet, desto heftiger werden ihre Verteidigungsmethoden. Manche sind weitestgehend gegen die Klingen des Bumerangs immun und lassen sich nur durch einen gezielten Wurf auf ihre rot markierte Schwachstelle (zum Beispiel auf dem Rücken) beseitigen. Andere verlassen sich auf einen Schutzschild, der von kleinen Sidekicks generiert wird. Die besonders heftigen – meist besonders großen Tiere, die zehn Meter und mehr in den Himmel ragen - offerieren mehrere Schwachstellen, die nacheinander anvisiert werden müssen.
Ein heftiges, aber kurzes Vergnügen
Sobald man den Bogen bei Boomerang X raus hat, spielt es sich fast von selbst. Zusätzliche Spezialwaffen, die nach Kombotreffern verwendet werden können, würzen den Spielaufbau. Alles in allem haben Devolver und das Entwicklerstudio DANG! also eine sehr schmackhafte Action-Schlachtplatte geschaffen, die im Reich der Indie-Spiele mal wieder aus der Masse heraussticht. Zumindest, wenn man sich mit zwei gehörigen Schwächen abfinden kann. Erstens: Das Spiel hat keinerlei zweite Ebene. Es gibt weder Rätsel noch Erkundung. Abseits kleiner Laufpassagen mit faszinierenden Wegpunkten stürmt man von Arena zu Arena. Deren Gestaltung samt Gegnervorkommen ist abwechslungsreich, aber letztendlich geht es doch immer nur um denselben Spielablauf.
Was den zweiten Schwachpunkt offenbart: Wer sich einmal eingegroovt hat, spielt Boomerang X in vier bis fünf Stunden durch. Es sind wahnsinnig unterhaltsame vier bis fünf Stunden, mit satter Action, präziser Steuerung und allem, was man sonst einem Ego-Shooter als Pflichtprogramm auferlegen würde. Aber danach bleibt nichts mehr. Es gibt keinen Grund, von vorne zu beginnen oder anderweitig das Spiel auszukosten.
Das ist nicht nur eine Frage des grundsätzlichen Spieldesigns, sondern auch eine der Balance in den Fertigkeiten. Die Zeitlupenfunktion beim Aufladen des Wurfs lässt einem alle Zeit der Welt zum Zielen und Ausrichten. Ob in der Luft oder am Boden – man kann alle Gegner austricksen. Für den Anfang eine angenehme Sache, da einige Feinde fiese Angriffsmethoden entwickeln und die Anzahl der Hitpoints stark begrenzt ist. Aber irgendwann bemerkt man, wie übervorteilt man durch dieses Feature ist. Die Spieldesigner hätten meiner Meinung nach die Zeitlupe durch einen zusätzlichen Talentbaum oder ein Pickup eingrenzen müssen. Genau an diesem Punkt hätten ein paar Rätsel oder Herausforderungen, in denen man sich Upgrades für das Talent verdient, die Sache abrunden können. Stattdessen wandert man von Halle zu Halle und sammelt einfach nur neue Fertigkeiten ein. Schade, denn mit dem Spielprinzip hätte man noch viel mehr verwirklichen können.
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