Test - Black Mirror : Horror-Klassiker für eine neue Generation
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Jenseits von Telltale oder Point-n-Click ist ein Ort. Dort treffen wir uns
Dem Fokus auf Atmosphäre und Geschichte greift ein erfrischend zeitgemäßes Spieldesign unter die Arme: kaum klassische Kombinationsrätsel, kein andauerndes Wälzen des Inventarinhalts, keine bis obenhin mit Hotspots vollgestopften Locations, kein erzählerischer Leerlauf. Fans klassischer Point-n-Click-Adventures könnten über eine derartige Entschlackung enttäuscht sein. Ich bin ehrlich gesagt ganz froh darüber. Black Mirror konzentriert sich aufs Wesentliche, gerät nicht ständig in Sackgassen, sondern hält die Zügel straff und lässt trotzdem laufen. Ich fand es jedenfalls sehr befreiend, dass mir das unablässige Anklicken sinnloser Hotspots und Unmengen überflüssiger Dialogzeilen wie die folgende erspart blieb. Schau an Tür. „Das ist eine Tür.“ Weniger ist eben manchmal mehr.
Black Mirror findet anstelle des klassischen Point-n-Click einen ziemlich gelungenen Kompromiss aus dem zügigen Erzählfluss der Telltale-Spiele und nichtsdestotrotz fordernder Rätsel, ohne das eine für das andere zu verraten. Die Ziele sind stets klar definiert und nur wenige Handgriffe davon entfernt, den nächsten Storyhappen auszulösen. Die Rätsel verzetteln sich nicht im Kleinklein endloser Inventartaschen und Kombiniere-alles-mit-allem, sondern halten die Geschichte stets in der Spur.
Zumindest in der Theorie. Denn in der Praxis sind die Rätsel leider häufig leidlich originell. Gleich zu Beginn erwartet uns eine Matheaufgabe wie aus einem Schulbuch der 7. Klasse, dann müssen wir die Zinken eines Schlüssels drehen und wenden, bis er ins zugehörige Schloss passt. Sogar das Zusammenpuzzeln eines zerrissenen Zettels wurde wieder aus der Mottenkiste für fantasieloses Rätseldesign hervorgekramt. Und dann gibt es noch diese nervigen Reaktionstests während Davids Visionen, in denen man sekundengenau einen bestimmten Punkt anvisieren muss – oder stirbt. Die Flüche, die ich dabei zeitweise ausgesprochen habe, dürfte die Familie Gordon noch jahrhundertelang verfolgen.
Der Fluch des Ladebildschirms
Etliche Aufgaben sind zudem simple Hol-und-bring-Aufgaben, bei der man die richtige Person im Schloss suchen und mit ihr reden muss. Und das bringt mich nicht nur zum nächsten Thema, sondern direkt zur Weißglut. Diese häufigen und langen Ladezeiten! Normalerweise würde ich bei einem Spiel dieser Art dazu raten, darüber hinwegzusehen. Wir haben es hier nicht mit einer bis zum Anschlag durchgepolishten Triple-A-Produktion zu tun, Unity ist nicht die potenteste Engine und für seine Ladezeiten berüchtigt, und am Ende zählt in einem Test die Qualität des Spiels und nicht die eigene Ungeduld.
Aber Black Mirror spannt den Geduldsfaden des Spielers nach einer Weile bis zum Zerreißen an. Jeder noch so kleine Raum wird 10 bis 15 Sekunden lang in den Speicher geladen. Da man viel und häufig im Schloss unterwegs ist, oftmals von einem Ende zum anderen und wieder zurückmarschiert, verbringt man mitunter mehr Zeit im Ladebildschirm als im eigentlichen Spiel. 15 Sekunden warten, drei Sekunden zur nächsten Tür gehen, wieder 15 Sekunden warten, fünf Sekunden den Gang entlang, 15 Sekunden warten … und so weiter bis in alle Ewigkeit. Man muss als Spieler schon viel Leidensfähigkeit mitbringen, um davon nicht irgendwann sehr genervt zu sein. Eine Übersichtskarte zum Schnellreisen oder weiträumiger konzipierte Areale wären in dieser Hinsicht vermutlich die glücklicheren Designentscheidungen gewesen.
Auch, aber nicht nur deswegen geht Black Mirror im letzten Drittel der recht knappen sechs Stunden Spieldauer zunehmend die Luft aus. Wo der Anfang noch eine atmosphärisch dichte Gruselgeschichte ins Rollen brachte, gerät die Erzählweise gegen Ende immer mehr ins Schlingern. Als emotionale Höhepunkte gedachte Szenen wie der Tod einer sympathischen Nebenfigur verpuffen aufgrund ihrer spröden Inszenierung in Teilnahmslosigkeit. Die Verwicklungen der Charaktere untereinander und ihr launisches Verhalten werden immer konfuser, bis ich irgendwann nicht mehr gespannt mitfieberte, sondern nur noch achselzuckend zur Kenntnis nahm, was geschah.
Wenn Black Mirror auf seine Zielgerade einbiegt, werden insbesondere Spieler des Originals verwirrt sein, wie deutlich enger es seinen Rahmen absteckt. Konnte man im ersten Teil noch etliche Schauplätze im Umland und das nahegelegene Dorf aufsuchen, so beschränkt sich das Reboot auf die unmittelbare Gegend um das Schloss. Sponn der Vorgänger regelrecht eine Familienchronik über Generationen hinweg, besitzt die 2017er-Neufassung eher die Ausmaße einer Kurzgeschichte.
Schlimm ist das grundsätzlich nicht, verstärkt aber den Beigeschmack, es letztlich doch nur mit einer Geschichte auf Groschenroman-Niveau zu tun zu haben. Zumal das Ende – wie gesagt unter Fans ein Highlight des Originals – verhältnismäßig unspektakulär wirkt, wirr erzählt und holprig inszeniert ist. Das gut gemeinte Vorhaben, neue Spieler und Fans des Originals gleichermaßen glücklich zu machen, geht auf diese Weise nur eingeschränkt auf: Die Generation von heute dürfte sich zunehmend an den offensichtlichen Mängeln stören, während die Abenteurer von ehedem sich in die verklärte gute alte Zeit zurücksehnen.
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