Test - Assassin‘s Creed Valhalla : Das erste Assassin‘s Creed für Next-Gen
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Mit Assassin‘s Creed Valhalla erscheint einer der ersten großen Blockbuster-Titel auf der neuen Konsolengeneration, aber auch noch für die alte. Wir haben uns das Open-World-Epos daher ausführlich auf Xbox Series X, PC und PS4 Pro angeschaut.
Größer könnte der Kontrast wohl kaum ausfallen: Nach den Ausflügen in die sonnigen Mittelmeer-Regionen Ägypten und Griechenland in den Vorgängern Origins und Odyssey, versetzt euch Valhalla ins raue und klimatisch eher triste England. Zuvor verbringt ihr aber die ersten acht bis zwölf Stunden noch im eisigen Heimatland der Wikinger: in Norwegen.
Wir befinden uns im 9. Jahrhundert n.Ch. Die Stämme der Wikinger befinden sich untereinander in einem endlos scheinenden, blutigen Konflikt, dem Eivors Familie durch einen Verrat auf heimtückische Weise zum Opfer fällt. Daher sucht sie bzw. er das Heil in der „neuen Welt“ jenseits des Meeres: England, in dem selbst Jahrhunderte nach der Besatzung durch die Römer ein Machtvakuum herrscht, das Invasoren aus ganz Europa auszufüllen gedenken.
Die Bruderschaft der Assassinen existiert zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Stattdessen nimmt die Geschichte von Valhalla den Faden vom Ende von Assassin‘s Creed Origins und dessen ersten DLC The Hidden Ones auf, in dem Bayek mit der Organisation der „Verborgenen“ den Grundstein für den späteren Attentäter-Geheimbund legte. Eivor erhält nämlich Unterstützung und Training von zwei Mitgliedern jener Verborgenen aus dem fernen Orient, die sich dadurch erhoffen, ihren Einfluss in der bekannten Welt in den Norden hin auszudehnen und neue Verbündete für ihren ewigen Kampf gegen den „Orden“, die späteren Templer, zu gewinnen.
In der Rolle von Eivor errichtet ihr eine Wikinger-Siedlung im Zentrum des Landes und beginnt mit eurer Mission der schrittweisen Kolonisierung und Eroberung von Englaland, das in dieser Schreibweise kein Tippfehler, sondern der norwegische Name für den Osten Großbritanniens darstellt und somit die Spielwiese für Assassin‘s Creed Valhalla bildet. Hierfür geht ihr unsichere Bündnisse mit anderen Invasoren oder opportunistischen Einheimischen ein und folgt nebenher dem Ruf des Schicksals durch Gott Odin bzw. der mysteriösen Vorgänger-Zivilisation, der euch schließlich sogar bis nach Amerika und ins Wikinger-Götterreich Asgard führt.
Hey hey Next-Gen, hey Next-Gen hey
Einem Monster an Umfang wie Assassin‘s Creed Valhalla nähert man sich am schnellsten, indem man die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den Vorgängern aufzählt und herausarbeitet. Der augenscheinlichste ist natürlich wie immer der Schauplatz, der diesmal nicht mehr von Wüsten, Olivenhainen und malerischen Inseln, sondern von schroffen Felsen, saftigen Wiesen, knorrigen Bäumen, majestätischen Bergen und düsteren Moorlandschaften geprägt ist und damit wie geschaffen ist für den technischen Generationensprung auf Xbox Series X|S und PS5.
Der Nebel, der aus dem Moor aufsteigt, die zaghaften Sonnenstrahlen, die sich durch das braune Laub der Herbstbäume Bahn brechen, die Rauchschwaden brennender Hütten, die übers Schlachtfeld wehen, und natürlich nicht zu vergessen die atemberaubenden Panoramen über die Weite der norwegischen Fjorde, über grasbewachsene Hügel bis zu den schneebedeckten Bergen am Horizont: Ubisoft nutzt die Hardware-Überlegenheit der nächsten Generation (in unserem Test eine Xbox Series X) vor allem für atmosphärische Details durch geschickt gesetzte Lichtstimmung und beeindruckende Raucheffekte.
Auch die Last-Gen-Version von Valhalla (in unserem Test auf einer PS4 Pro) sieht immer dann am schicksten aus, wenn die Szenerie von Licht geflutet ist, das die Luft zum Glühen bringt und von Haut und schimmernden Oberflächen reflektiert. Sobald solcherlei Effekte aber fehlen, wirkt die Umgebung wie schon in den Vorgängern etwas matt und künstlich. Grob über den Daumen gepeilt entspricht die grafische Qualität auf der Last-Gen weitgehend der von Odyssey. Doch auch über die merklich hübschere Next-Gen-Fassung muss festgehalten werden, dass Open-World-Spiele wie etwa Ghost of Tsushima und vor allem Red Dead Redemption 2 bereits auf der ollen PS4 besser aussahen und insbesondere auch in der Inszenierung von Lichtstimmung und Charakteranimationen dem neuesten Assassin‘s-Creed-Teil immer noch überlegen sind. Sehr angenehm fallen dank SSD die deutlich kürzeren Ladezeiten aus, an deren quälende Länge man sich in Odyssey nur ungern erinnert und die auf der Xbox Series X zwar immer noch nicht völlig verschwinden, mit gerade mal fünf Sekunden im Schnitt aber geradezu eine Wohltat darstellen.
Gameplay: mal mehr, mal weniger, mal gleich, mal anders
Spielerisch geht Valhalla den Weg weiter, den Origins und Odyssey zuletzt vorgegeben haben: Viele Dinge wurden exakt übernommen, einige gestrichen, dafür sind andere hinzugekommen und manche wurden stark abgeändert. Während Odyssey jedoch in erster Linie eine konsequente Fortführung der durch Origin begonnenen Neuausrichtung darstellte und dieses in erster Linie durch mehr Inhalte und zusätzliche Spielmechaniken aufblähte, setzt Valhalla an neuralgischen Stellen bewusst alternative spielerische Schwerpunkte, um ein insgesamt etwas anderes Spielgefühl zu vermitteln.
Das Erste, das Spielern der Vorgänger auffallen dürfte, ist, dass sie nicht vom ersten Moment an von Fragezeichen auf der Karte überwältigt werden. Es gibt keine Unmengen an Nilpferdnestern, Soldatenlager und Festungen, also „Orte“, die „abgeschlossen“ werden müssen, indem man sie in tretmühlenartiger Routine um Schatztruhen und Anführer erleichtert. Stattdessen ließ sich Ubisoft einen Hauch von Zelda: Breath of the Wild inspirieren, das dem Spieler mehr Selbständigkeit beim Erkunden der Spielwelt zutraute und abverlangte.
Nichtsdestotrotz bleibt Valhalla natürlich durch und durch Assassin‘s Creed. Statt Fragezeichen markiert euch das Spiel diesmal durch verschiedenfarbige Punkte auf der Karte, was an Ort und Stelle zu erwarten ist: eine seltene Schatztruhe mit wertvollen Schmiedematerialien für die Waffen, ein Sammelobjekt, das neue Fähigkeiten freischaltet oder beim Aufbau der Siedlung vonnöten ist, oder eine Nebenquest.
An Letzteren zeigt sich ebenfalls sehr augenscheinlich der Einfluss von Zelda und dessen Mut zur Eigenverantwortung des Spielers: Denn während euer Questlog in Odyssey bereits innerhalb weniger Minuten auf die Ausmaße des Telefonbuchs von Berlin angewachsen war und dadurch einen seelischen Druck erzeugte, der geradezu Schmerzen bereitete, werden Nebenaufgaben in Valhalla nicht einmal im Questlog festgehalten. Statt sie zu horten und wie eine Sisyphus-Arbeit abzuhaken, während sie wie die Köpfe der Hydra im gleichen Tempo nachwachsen, erledigt ihr sie (ähnlich wie in Ghost of Tsushima) direkt vor Ort.
Nebenquests: Zelda trifft Monty Python
Tatsächlich bilden die Nebenquests den heimlichen Star von Assassin‘s Creed Valhalla. In der Regel sind sie relativ kurz, heißen deswegen auch gar nicht „Nebenquests“, sondern ähnlich wie die Random-Events in Red Dead 2 „Welten-Ereignisse“, und sie erschöpfen sich so gut wie nie im generischen Muster von „Bring mir dies“ und „Besiege das“. Auch liefern sie euch nicht das Ziel eurer Bemühungen als Questmarker auf dem Silbertablett – stattdessen müsst ihr schon der Beschreibung des Auftraggebers genau lauschen, um zu erfahren, was zu tun ist, und müsst eigenständig die Umgebung nach Hinweisen auf die Lösung absuchen. Häufig könnt ihr die Aufgabe sogar auf unterschiedliche Weise lösen, müsst euch beispielsweise entscheiden, ob ihr einen armen Irren von seinem Leid und dem Wahn, in den er sich fantasiert, erlösen wollt oder ihn auf den Boden der Tatsachen seiner armseligen Existenz zurückholt, wo er fortan desillusioniert in der bitteren Realität weiterleben muss.
Vor allem aber fallen die Nebenquests fast ausnahmslos herrlich albern und skurril aus und bringen damit etwas erfrischend Neues ins Assassin‘s-Creed-Universum, das es in dieser Form zuvor noch nie gab: Humor. Da bittet euch ein verheiratetes Pärchen, bei dem es nicht mehr so im Ehebett klappen will, darum, ihr Haus zu verwüsten, weil nur die Fantasie, es auf einem tosenden Schlachtfeld zu treiben, ihre Libido wieder in Gang bringt. Weil er seinen Schweißgeruch als Gift gegen Feinde einsetzt, hat sich ein Familienvater seit Monaten nicht mehr gewaschen und durch seinen Gestank sein Haus unbewohnbar gemacht, weswegen ihr ihn zu einem unfreiwilligen Bad in den Teich befördern müsst. Da sind zwei Tölpel zu blöd, für einen Versicherungsbetrug das eigene Haus anzuzünden, und ein irrer Einsiedler erklärt sich eigenmächtig zum König von England, ohne zu merken, dass es sich bei der Insel, auf der er gestrandet ist, nicht um England handelt, sondern lediglich um einen etwas größeren Felsen im Fluss.
Was in der Zusammenfassung möglicherweise zotig und im ansonsten rauen Wikingerszenario deplatziert klingen mag, fügt sich allerdings hervorragend in diese Welt ein, die geprägt ist von brutaler Gewalt und herber Entbehrung, vor deren Hintergrund jedem das Schicksal droht, sein Seelenheil zu verlieren, wodurch der schwarze Humor noch während des Lachens einen geradezu melancholisch tragischen Unterton erhält. In gewisser Weise zeichnet Valhalla dadurch quasi die Geburtsstunde des typisch britischen Humors nach.
Durch diesen mehrdeutigen Charakter gewinnen die Nebenaufgaben massiv an Unterhaltungswert, verlieren durch ihre simplere Beschaffenheit aber im Umkehrschluss an Tiefe. Es gibt keine Detektiv-Ermittlungen mehr, kaum wiederkehrende Nebenfiguren und Questlines, die die Geschichte vertiefen. Stattdessen stehen sie wie Flickwerk in unzusammenhängende Einzelteile zergliedert etwas abseitig nebeneinander. Durch den Verzicht auf einen Eintrag im Questlog fühlen sie sich aber weitaus weniger nach bloßem „Abarbeiten“ an, wie es für manches Assassin‘s Creed in der Vergangenheit symptomatisch war.
Wikinger-Alltag: Rauben und Brandschatzen
Ebenfalls zu diesem weniger vom Zwang der „Checkliste“ getriebenen Spielgefühl trägt der Verzicht auf generische Lager und Festungen bei, die noch im Vorgänger als „Orte abgeschlossen“ werden mussten. Stattdessen geht ihr als Wikingerheld auf Raubzüge, in denen Dörfer geplündert, Städte in Brand gesetzt und Burgen erobert werden – und das meist nicht alleine heimlich, still und leise, sondern tosend und tobend an der Spitze und im Verbund mit eurer gesamten Wikinger-Mannschaft.
Assassin‘s Creed Valhalla spielt sich dadurch über weite Strecken deutlich actionlastiger als seine Vorgänger. Schleichen ist zwar nach wie vor in vielen Situationen die klügere und taktisch versiertere Option, die kargeren und weniger ausgefuchst entworfenen Dörfer und Burgen eignen sich dafür aber um einiges weniger als die verschachtelten Sandbox-Festungen voller Verstecke und geheimer Durchgänge in Odyssey. Zudem stehen die Wachen häufig zu eng beieinander und entdecken euch daher sofort beim kleinsten Verdacht. Kurzum: schleichen in Valhalla, nee. Denn das Kämpfen ist diesmal noch übermächtiger als in den ohnehin dafür gescholtenen Vorgängern. Während es Bayek oder Kassandra bei Alarm schnell mit einer tödlichen Überzahl an Feinden zu tun bekamen, metzelt ihr euch als Eivor selbst auf den höheren Schwierigkeitsgraden wie eine Ein-Mann/Frau-Armee völlig problemlos durch Dutzende Gegner gleichzeitig. Dass das so flott funktioniert, liegt auch daran, dass das Kampfsystem endlich ausgereift wirkt und nicht mehr mitunter so plump wie noch in Odyssey.
Häufig zieht ihr ohnehin nicht alleine in die Schlacht, sondern führt eure Wikingerrecken in Massenschlachten, die die noch etwas unausgegorenen Gebietskämpfe in Odyssey stark weiterdenken. Womöglich ließen sich die Entwickler bei Ubisoft Montreal dafür von den Eroberungsschlachten in Mittelerde: Schatten des Krieges inspirieren, denn genau wie dort nehmt ihr die gegnerische Festung in mehreren Phasen ein: Zuerst dezimiert ihr das feindliche Heer im Kampf auf offenem Feld, erklimmt dann die Mauer, um das Burgtor von Innen zu öffnen, oder brecht es mit dem Rammbock auf. So kämpft ihr euch Schritt für Schritt zum Zentrum vor, erledigt auf dem Weg dorthin noch den einen oder anderen besonders starken Leibwächter oder General und steht schlussendlich womöglich sogar einem Boss gegenüber.
Diese bilden, wie schon in den Vorgängern, die zweifellos knackigsten Begegnungen im ganzen Spiel und ebenso seine inszenatorischen Höhepunkten, weswegen euch zahlreiche optionale davon gewissermaßen als „Sammelobjekte“ erwarten: wilde Tiere, garstige Hexen, blutrünstige Krieger und auch wieder patrouillierende Söldner, die diesmal deutlich mehr Bosskampf-Charakter haben. Und selbstverständlich auch wieder phantastische Kreaturen aus der nordischen Mythologie, über die wir an dieser Stelle aus Spoilergründen kein weiteres Wort verlieren wollen, die uns aber zu einem ebenso umstrittenen wie unausweichlichen Thema in jedem Assassin‘s Creed führen: Sammelobjekte.
Sammelobjekte und Betätigungen: Es gibt viel zu tun
Es gibt sie in jedem Teil der Serie, mal mehr, mal weniger, mal nützlich, mal nur als weitgehend sinnlose Beschäftigungstherapie. In Valhalla fallen sie in die Kategorie: Es gibt sie wieder deutlich mehr als in Odyssey und Origins, jedes einzelne davon ist aber prinzipiell nützlich, weil sie benötigt werden: zum Verbessern der Ausrüstung, zum Sockeln der Waffen, zum Ausbauen der Siedlung, zum Erlernen von Spezialfähigkeiten und zum Auffinden der Attentatsziele des Ordens, die es auch wieder in gleicher Form wie im Vorgänger ihren Weg in den Nachfolger gefunden haben.
Schmiedematerialien zum Aufwerten von Waffen und Rüstung sammelt ihr nicht mehr massenweise nebenbei beim Durchwandern der Spielwelt, sondern müsst dafür die zahlreichen Truhen plündern. Spezialangriffe lernt ihr nur noch zum Teil durch das Investieren von Erfahrungspunkten, sondern erwerbt sie auch durch das Lesen von geheimen Schriften, die ihr erstmal aufspüren müsst.
Das Schöne an den Sammelobjekten ist, dass sie nicht wie in den Vorgängern meist in gelangweilter Beliebigkeit über der Spielwelt ausgekippt wurden, wo sie nur noch aufgelesen werden müssen, sondern häufig mit einem kleinen Rätsel verbunden sind, das das Erkunden der Umgebung erfordert und die Wahrnehmung dafür schärft. So müsst ihr etwa das Vorhängeschloss einer verschlossenen Tür von der anderen Seite durchs offene Fenster von Innen mit einem Pfeil abschießen, um sie öffnen zu können. Oder ihr müsst im Schuppen nebenan einen unterirdischen Durchgang aufspüren, um auf Umwegen ins Kellergeschoss zu gelangen.
Wie jeder sich anhand dieser Beschreibung vorstellen kann, hat dies, wie so ziemlich alles und immer in Assassin‘s Creed, seine Vor- und Nachteile. Auf der einen Seite verschafft jedes gefundene Sammelobjekt ein kleines Glücksgefühl, weil man weiß, dass man in irgendeiner Hinsicht ein kleines Stückchen weitergekommen ist. Auf derselben Seite sorgen sie immer wieder für kleine Aha-Momente und ständige Lust am Erkunden, weil sie äußerst abwechslungsreich und unterhaltsam ausfallen und weniger zur lästigen Routine werden wie in der Vergangenheit. Auf der anderen Seite erschöpfen sie sich zeitweise in Masse und Beliebigkeit, wie es dieser Art von gigantomanischen Spielen zwangsweise widerfährt, auch weil sich die Muster dahinter häufig wiederholen und manchen davon das letzte Quäntchen Raffinesse fehlt. Da euch das Spiel zudem jederzeit anzeigt, wie viele Sammelobjekte, Nebenquests und Schatztruhen euch pro Region noch fehlen, bis diese „abgeschlossen“ sind, feiert der Leidensdruck des „Oh Gott, noch so viel zu tun“ regelmäßig ein unrühmliches Comeback.
Es gibt verhexte Orte, die von einem Fluch befreit werden müssen, Steinkreise, bei denen Runen aus der richtigen Perspektive betrachtet werden müssen , um ihr Muster zu offenbaren wie in dem legendär coolen Abschnitt von Hellblade: Senua‘s Sacrifice, und Plattform-Puzzles, die sich Ubisoft offenbar beim demnächst erscheinenden hauseigenen Immortals: Fenyx Rising abgeschaut hat. Es gibt antike römische Artefakte, die euer Steinmetz zum Ausbauen der Siedlung benötigt, die Händler brauchen seltene Opale für besondere Items, die Jäger Jagdtrophäen und der Angler kostbare Fische.
Ja, auch das Angeln erhält nun, in ähnlicher Form wie in Far Cry 5, Einzug in Assassin‘s Creed, genauso wie etliche andere Minispiele: ein Wettsaufen, bei dem ihr im richtigen Quicktime-Rhythmus aufpassen müsst, euch nicht zu verschlucken oder durch zu viel Alkohol ins Torkeln zu geraten. Besonders gewitzt sind auch die Beleidigungsduelle nach Monkey-Island-Vorbild, in denen ihr euren Duellanten durch Witz und Schlagfertigkeit besiegen müsst, indem ihr die richtige Antwort nach Semantik und Versmaß auswählt. Regelrecht verliebt habe ich mich in das Würfelspiel Orlog, das gerne als eines der cleversten und motivierendsten Minigames seit Gwent in die Spielegeschichte eingehen darf.
Aufbauspiel: Siedlung statt Schiff
An anderer Stelle hat Ubisoft den Rotstift angesetzt und Spielkonzepte entschlackt oder gestrichen: So wird der Spieler nicht mehr wie im Vorgänger nach Diablo-Muster im Minutentakt mit neuen Waffen und Rüstungen bombardiert. Stattdessen findet ihr nur wenige, dafür sehr spezialisierte Rüstungs-Sets, die jeweils einen bestimmten Spielstil unterstützen und das ganze Spiel über nach und nach verbessert und erweitert statt ersetzt werden.
Komplett entfernt wurden hingegen Seeschlachten. Zwar ist auch Eivor regelmäßig per Boot unterwegs, allerdings nicht mehr auf hoher See, sondern nur auf den Flüssen des Festlands gewissermaßen als Wasserstraßen, um die Entfernungen zwischen den Städten schneller zurücklegen zu können. Entsprechend ist es nicht mehr möglich, das Schiff aufzurüsten oder mit besseren Crewmitgliedern zu bemannen. Zwar lassen sich auch wieder illustre Wikingerhelden für Team Eivor rekrutieren, doch diese haben rein kosmetischen Charakter und können in eurer Siedlung online mit anderen Spielern getauscht werden.
Womit wir bei einer weiteren großen Neuerung von Assassin‘s Creed Valhalla angelangt sind: der Siedlung. Sie dient Eivors Clan als Basis für den Feldzug durch England und wächst durch euer Zutun Schritt für Schritt mit neuen und größeren Gebäuden: ein Stall, in dem ihr eure Pferde verwaltet, eine Fischerhütte, wo ihr gefangene Fische gegen Gefälligkeiten eintauschen könnt, eine Jagdloge für den Handel mit Jagdtrophäen, eine Ritualstätte, in der euch die Seherin in die Welt der Götter einweist, Wohnhäuser für eure Stammesgenossen, eine Schmiede für Waffen-Upgrades und ein Hauptquartier für eure Bruderschaft, in der ihr für erledigte Attentatsziele Belohnungen erhaltet.
Die Siedlung dient Valhalla dazu, all die verschiedenen Spielsysteme, die in früheren Teilen von Assassin‘s Creed oftmals als lose Fäden in der Landschaft zerfledderten, wie ein Wollknäuel zu einem runden Ganzen aufzuwickeln. Auf diese Weise ist alles wie die Ornamente in einem Teppich miteinander verwoben: Jedes Sammelobjekt, jede absolvierte Quest, jede Nebenbeschäftigung erfährt einen Sinn, weil es sich irgendwo anders nützlich macht und in verschiedene Belohnungsketten eingegliedert ist. Gleichzeitig spannen sich all diese Systeme auf diese Weise zu einem monströsen Konstrukt auf, unter dessen Gewicht die Einzelteile schwer zu ächzen haben.
Ein bisschen Odyssey, ein bisschen Assassin‘s Creed III
Nicht nur in diesem letzten Punkt lässt Valhalla erstaunlicherweise auffallende Parallelen zu Assassin‘s Creed III erkennen - ausgerechnet der unter Fans wahrscheinlich unbeliebteste Teil der Reihe. Auch dort begann die Vielzahl an Spielsystemen ein Ausmaß zu erreichen, unter dem sie irgendwann zusammenbrechen sollten. Bezeichnenderweise gab es auch dort bereits eine Siedlung zu verwalten. Kurioserweise erstrecken sich die Gemeinsamkeiten sogar auf vollkommen zufällige Nebensächlichkeiten wie die Tatsache, dass diese beiden Teile die einzigen in der gesamten Serienhistorie sind, die über Minispiele verfügen, oder rein optische Ähnlichkeiten in der Landschaft mit ihren kargen Wäldern und dem Waten durch meterhohen Pulverschnee. Und auch die legendären acht Stunden Tutorial, die in Teil 3 deutlich machten, dass sich die Reihe spielerisch verrannt hatte, finden sich in Valhalla in auffallend ähnlicher Form wieder. Kostprobe als Beispiel: Erst nach etwa zehn (!) Stunden lernt Eivor den ikonischen Todessprung der Assassinen, mit dem das Spiel im Grunde erst beginnt. Wenn man sich vor Augen hält, dass Origins und Odyssey im Grunde überhaupt kein Tutorial besaßen und all ihre Spielsysteme geradezu begnadet elegant ganz nebenbei einführten und erklärten, erweckt das die Sorge, die Serie könne sich möglicherweise für die Zukunft wieder in die falsche Richtung entwickeln.
Eine Sorge, die man sich im Moment noch nicht machen muss. Alles, was Valhalla mit Assassin‘s Creed III verbindet, gelingt ihm deutlich besser und wirkt sichtlich ausgereifter. Dennoch fügt sich die Beobachtung nahtlos in den Gesamteindruck des Spiels ein, der sich wie folgt zusammenfassen lässt: Valhalla macht an manchen Stellen etwas mehr als seine Vorgänger, an manchen Stellen etwas weniger, an manchen Stellen einfach nur etwas anders. Es macht zwei Schritte vor, aber gleichzeitig auch wieder zwei zurück, also effektiv einen zur Seite. Es ist eben durch und durch Assassin‘s Creed, Wikinger-Ausgabe.
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