Preview - System Shock : Vorschau: Nach sechs Jahren Entwicklung ist das Remake fast fertig
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Sechs Jahre befindet sich das Remake von System Shock mittlerweile schon in Arbeit. Als kleines Kickstarter-Indie-Projekt gestartet, musste die Entwicklung mehrere Rückschläge und einen kompletten Engine-Wechsel verkraften. Mittlerweile weilt das Spiel unter den Fittichen von Publisher Plaion (ehemals Koch Media) und wird dort auf die Fertigstellung für den Release Ende des Jahres vorbereitet. Auf der Gamescom konnten wir den legendären Einstieg selbst anspielen.
Doch Moment! Es ist zwar schon einige Jahre her - genauer gesagt fast 30 - dass ich das Original von System Shock gespielt habe. Meine Erinnerung ist also gelinde gesagt leicht getrübt. Doch das, was ich da auf der Gamescom spiele, kommt mir so gar nicht bekannt vor. Keine Sorge, versichert mir der nette Entwickler neben mir, das läge daran, dass der Einstieg mit der Reise des Hauptcharakters von der Erde zur Raumstation Citadel im Original von 1994 noch als vorgerendertes Intro erzählt wurde. Für das Remake habe man die Szene interaktiv gestaltet, als spielbares Intro quasi.
Der Einstieg mit dem Flug einer Drohne durch die Häuserschluchten einer Blade-Runner-artigen Metropole ähnelt nun ein wenig an den ikonischen Anfang von Bioshock, eines der zahlreichen Spiele, die maßgeblich von System Shock beeinflusst wurden. Abgesehen davon, so der Entwickler, habe man sich aber so nah wie möglich am Original orientiert und nur wenige Änderungen vorgenommen. Im Gegenteil habe man einige Pläne zur Ver-(schlimm-)besserung sogar während der Entwicklung wieder verworfen, weil sich zeigte, dass man sich mit jeder modischen Quality-of-Life-Funktion lediglich vom Spielgefühl des Klassikers entfernte.
Allenfalls Kleinigkeiten seien geändert worden. So wurde etwa die Zahl der Waffen reduziert, da diese das Spiel nur unnötig verkompliziert hatten. Das ständig überquellende Inventar allerdings gibt es immer noch. Es sei einfach Teil der Erfahrung, so der Entwickler schmunzelnd, die zum ständigen Abwägen von nützlichen und sinnlosen Gegenständen zwingen soll.
So zeitgemäß wie nie
Aber warum auch viel ändern? Im Rückblick betrachtet muss man ganz und gar erstaunt feststellen, wie weit System Shock bei seiner Erstveröffentlichung seiner Zeit voraus war und heute so zeitgemäß wie nie wirkt: das Sandbox-Spielsystem, das verschiedenste Möglichkeiten zwischen ballern, schleichen und hacken ließ, das heute gängige, damals außergewöhnliche Leveldesign nach Metroidvania-Vorbild, das nicht nur den schlauchigen Weg nach vorne, sondern auch Umwege und Backtracking kannte, die Rätsel, die Rollenspiel-Facetten und die vielschichtige Story um die mordlüsterne KI Shodan – alles, was heutzutage groß in Mode ist, hatte System Shock schon damals. Vor 30 Jahren.
Entwickler Night Dive Studios bereitet diesen Klassiker in einer Weise auf, die es fit für die Gegenwart macht, dem Original aber so nah wie möglich verhaftet bleibt. Eine protzige Generalüberholung wie die hochbudgetierten Vorzeige-Remakes von Resident Evil oder Final Fantasy VII sollte daher niemand erwarten. System Shock 2022 ist trotz aller Modernisierungen immer noch ein Produkt mit erkennbaren Indie-Ambitionen.
Wie clever die Entwickler diesen Zwiespalt auflösen, zeigt sich als erstes in dem grafischen Stil, den sie für ihr Remake gewählt haben. Sie versuchen erst gar nicht, mit den Highend-Technologien aktueller AAA-Shooter in Wettbewerb zu treten. Auch verfallen sie nicht der Versuchung, System Shock in Richtung düsteren Horror zu frisieren, sondern inszenieren ihn genauso bunt und farbenfroh wie das Original – was heutzutage fast schon bizarr unwirklich wirkt. In die Texturen der Wände, Tischplatten und Computerkonsolen schleichen sich immer wieder grobe Pixel ein, die anfangs nur flüchtig wahrgenommen werden und den Eindruck erwecken, als spiele einem das Unterbewusstsein mit der eigenen Erinnerung an das Original einen Streich.
Kein Wunder, wird man doch als Spieler des 94er-Klassikers im Sekundentakt mit Déja-Vù-Erlebnissen überschüttet: die Kryokammern, die als Speicherpunkte dienen, die ersten Zombies, die in den engen Gängen ungelenk mit dem Knüppel niedergerungen werden müssen, selbst das HUD, das die Entwickler fast unverändert aus dem Original übernommen haben, weckt sofort verträumte Erinnerungen. Die Steuerung, die damals völlig genreuntypisch ein frei bewegliches Fadenkreuz aufwies (wer erinnert sich noch?), wurde glücklicherweise an heutige Standards angepasst. Mit Grauen erinnere ich mich auch an den Cyberspace, quasi eine Spielwelt innerhalb der Spielwelt, mit der ich damals ums Verrecken nicht klargekommen bin. Der Entwickler neben mir schmunzelt sofort wissend, als ich ihm davon berichte. Man habe ein paar Anpassungen vorgenommen, zwinkert er mir zu.
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