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Special - Proteus : <strike>Kunst</strike>spiel

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Täglich beschäftigen wir uns mit Videospielen und glauben die strikte Definition dieses Mediums zu kennen. Laut Wikipedia ist ein Computerspiel „ [...] ein Computerprogramm, das einem oder mehreren Benutzern ermöglicht, interaktiv ein durch implementierte Regeln beschriebenes Spiel zu spielen.“ Hört sich zunächst relativ eindeutig an, oder? Beziehen wir jedoch unkonventionelle Titel wie Journey oder Dear Esther mit ein, wirkt die Wikipedia-Definition überholt. Gerade Dear Esther stellte Regeln gängiger Videospiele auf den Kopf und kreierte kurzerhand seine eigenen. Proteus geht einen ähnlichen Weg und hinterlässt euch nichts als eine verwundbare Spielwelt. Kein Ziel. Kein Charakteraufbau. Keine Geschichte. Es stellt sich die Frage, ob dies noch einem gängigen Videospiel entspricht. Wir stellen jedoch eine Gegenfrage: Wenn nicht, wen interessiert es?

Was ist denn nun Proteus? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir den Titel anhand unserer Eindrücke näher skizzieren. Auf den ersten Blick erscheint es als ein Open-World-Spiel. Ihr öffnet eure Augen inmitten des Meeres, während sich in der Ferne eine Insel im dichten Nebel abzeichnet. Die komplette Spielwelt ist in einem Pixel-Look gehalten, wodurch der Eindruck entstehen könnte, dass es sich hierbei um einen Titel für den Commodore 64 handelt. Was sich zunächst wie ein ernüchternder Fakt anhört, entpuppt sich als ungemein charmanter Grafikstil. Während unserer ersten Minuten in Proteus wurden unsere Sinne von fantastischen Farbkombinationen nahezu überflutet. Zudem besticht die Pixelwelt mit vielen kleinen und charmanten Details: umherschwirrende Bienen, kleine Eichhörnchen oder im Wind tanzende Blumen.

Meister der Verwandlung

Das Besondere an Proteus ist zunächst die interessante Akustik. Jedes Element dieser Welt, seien es die Blumen, ein Frosch oder der Regen, zeichnet ein besonderer Klang aus. Während des Erkundens verschmelzen die einzigartigen Klänge jener Elemente mit dem grundlegenden Ton, sodass ihr jede Minute einen neuen Klangteppich hört. Demselben Prinzip folgt die Gestaltung der Insel. Mit jedem Durchlauf verändert das Land sein Aussehen. Damit wollten die zwei Entwickler Ed Key und David Kanaga jedem Spieldurchlauf eine einzigartige Note verleihen. Hiermit erklärt sich auch die Namensgebung für den Titel: Proteus war in der griechischen Mythologie nicht nur als Sohn des Meeresgotts Poseidon bekannt, sondern auch als Meister der Verwandlung.

Während eures Durchlaufs werdet ihr alle vier Jahreszeiten erleben. Im Frühling nehmt ihr zunächst von diversen farbenfrohen Bäumen Notiz. Der Sommer bekräftigt den Eindruck und wartet mit einer dichteren Vegetation auf. Die Jahreszeitenwechsel sind interessant inszeniert und haben einen mystischen Ton. Darauf näher einzugehen, würde jedoch der Magie dahinter nicht gerecht werden. Die erste Herbstnacht beispielsweise werden wir so schnell nicht vergessen, offenbarte sie doch erstmals den rauen Charakter der Insel, die sich bisher lediglich als ein Garten Eden präsentierte. Der Winter führt diesen Weg konsequent fort und erinnert mit seiner Schönheit und zugleich beklemmenden Stimmung nahezu an ein Horror-Adventure.

Proteus - Der etwas andere Videotest
Unser Indie-Spiel der Woche nimmt euch mit auf eine rätselhafte Insel, auf der die normalen Regeln eines Spiels außer Kraft gesetzt werden.

Ihr durchwandert eine farbenfrohe Pixelinsel und verändert Jahreszeiten, doch wozu? Wo befindet sich das eigentliche Ziel? Auch wenn ihr nach knapp einer Stunde die Credits über den Bildschirm flimmern seht, werdet ihr keine Antwort auf diese Fragen finden. In Proteus gelten keine gängigen Konventionen mehr. Ihr müsst euch selbst erfinden und mit der Tatsache klarkommen, dass ihr nicht das Spiel spielt, sondern das Spiel euch. Die Offensive wird nie von euch ausgehen. Vielmehr gibt das Spiel den Ton an und nimmt die Rolle des aktiven Parts ein. Doch reicht dieser Umstand, um ein „Spiel“ zu rechtfertigen?

Innovation und Evolution

Designer Ed Key hatte auch seine Zweifel, wie er bei den Kollegen von Gamasutra zugab: „Während der letzten Monate in der Proteus-Entwicklung kamen wieder diese Zweifel auf. Als wir dem Ende unserer Arbeiten entgegensahen, dachte ich 'ist das wirklich genug?' Ich bin jedoch froh es nicht getan zu haben [keine zusätzlichen Inhalte hinzugefügt, Anm. d. Red.] – weil du nicht zwangsläufig die Qualität des Erlebnisses verbesserst, wenn du einfache Punkte abhakst“, so Key. Wir sind über diesen Umstand und den aufgebrachten Mut ebenfalls erfreut. Es ist wichtig, dass solche Titel wie Proteus existieren, da diese das Spektrum unseres Lieblingsmediums erweitern. Wo wären wir, wenn die Spielesphäre nur noch aus Call-of-Duty- und Battlefield-Ablegern bestünde? Wir brauchen stetige Innovation und Evolution.

Titel wie Proteus füllen diese Lücke und widersetzen sich der Innovationsarmut, zu der dieses Medium gerne tendiert. Somit bleibt weiterhin die Kernfrage, ob Proteus ein Spiel im klassischen Sinne darstellt. Der Titel selbst gibt darauf keine Antwort - ganz wie sein antiker Namensvetter. Proteus hatte laut der antiken Mythologie die Gabe, Prophezeiungen zu machen. Er sträubte sich jedoch, sein Wissen kundzugeben, und wich mit seinen Verwandlungen Fragen stets aus. Doch selbst wenn es eine Antwort auf unsere Frage geben würde - wen interessiert sie schon?

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