Test - Anger Foot : Test: Ein heftiger Tritt in den Arsch
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Um eines direkt klarzustellen: Anger Foot ist knüppelhart! Ob auf die gute oder schlechte Weise, hängt mit eurem persönlichen Schmerzempfinden zusammen. Wenn ihr Hotline Miami mit verbundenen Augen und Elden Ring auf der Tanzmatte durchspielt, habt ihr eure helle Freude. Steht ihr hingegen so gar nicht auf Trial-and-Error, dann sucht ihr trotz vieler Hilfestellungen euer Glück lieber woanders.
Das Kernprinzip der First-Person-Action ist schnell erklärt: Ihr rast in einem Affenzahn durch verschachtelte Levels und verteilt dabei mehr Tritte als Bruce „Bäm“ Lee. Abgesehen von gepanzerten Unholden und Bossen kippen zwar alle nach einer Fuß-Ohrfeige aus den Latschen, doch ihr selbst haltet ebenfalls nicht viel aus. Nach spätestens drei Treffern ist Sense; ein Schrotflintentreffer aus nächster Nähe knipst euch direkt die Lichter aus. Praktischerweise lassen Feinde auch Waffen wie Pistolen, Schrotflinten oder Gummi-Pömpel fallen, mit denen ihr die bösen Jungs zu euch heranzieht. Die Munition ist allerdings begrenzt, also nutzt die zur Verfügung stehenden Objekte weise.
Ich kann Farben hören!
Im Kern lässt sich Anger Foot also als Hotline Miami in 3D bezeichnen – nur halt mit etwas mehr Inhalt für Fußfetischisten. Auch beim Fokus auf die Musik zeigen sich gewisse Parallelen, allerdings fährt das Topdown-Vorbild von Dennaton vergleichsweise sanfte Klänge auf. Bei Anger Foot knallen in einer Tour brutale Techno-Beats aus den Boxen oder Kopfhörern, die selbst einige Berghain-DJs zurück in den Darkroom treiben dürften.
Das Bass-Gewitter dröhnt aber nicht unkontrolliert aus dem Wiedergabegerät der Wahl, es passt sich dynamisch an das Geschehen auf dem Bildschirm an. In den wenigen Sekunden, in denen tatsächlich mal keine Gegner durch die Gegend fliegen, dröhnt der Sound nur gedämpft vor sich hin. Tretet ihr die nächste Tür ein und entfesselt den Zorn der Quadratlatsche, kickt auch der Bass rein und treibt euch (hoffentlich) zu neuen Bestleistungen an.
Das sorgt im Umkehrschluss aber auch dafür, dass ihr nach einer Stunde Anger Foot vermutlich fertiger seid als nach einer gleich langen Session im Gym. Der intensive Mix aus knallbunter Optik, brutalem Sound und Kicks in Hochgeschwindigkeit erweist sich als echte Belastungsprobe für Hirn, Herz und Hände. Dabei lässt sich Anger Foot sehr gut mit dem Controller steuern, doch meine Performance profitierte vor allem in späteren Levels massiv von der Kombination aus Maus und Tastatur.
Solltet ihr mit egal welcher Eingabemethode überhaupt kein Land mehr sehen, seid ihr zum Glück nicht verloren. Denn im Gegensatz zu Hotline Miami gewährt euch Anger Foot einige Erleichterungen. In den Optionen dürft ihr Gegner, Bosse oder beide zahmer einstellen. Sollte das noch immer nicht reichen, macht ihr euch einfach unsterblich. Das steht zwar dem Prinzip der knüppelharten Herausforderung komplett entgegen, aber immerhin ermöglicht das Spiel so jedem den Weg zum Abspann.
Nike Schuhe hast du da!
Bei einem Spiel mit so krassem Fokus auf Füße sollte es nicht überraschen, dass ihr nicht nur barfuß durch die Gegend rennen, sondern auch zahlreiche Schuhe tragen dürft. Die bieten nicht nur einen Style-Vorteil, sondern verfügen über mehr oder weniger nützliche Effekte, die das Spielgefühl bisweilen komplett auf den Kopf stellen.
Timberlands beispielsweise lassen Gegner-Köpfe immens anschwellen und auf High Heels betäuben verschossene Kugeln die Gegner lediglich – geworfene Waffen sind dafür aber tödlich. Mit Crocs reduziert ihr die Schwerkraft auf null und AirMax verlangsamen die Zeit jedes Mal, wenn ihr eine Tür eintretet. Neue Latschen schaltet ihr mit Sternen frei, die ihr durch Herausforderungen in den Levels erhaltet, beispielsweise wenn ihr die Abschnitte besonders schnell absolviert oder nicht zu Schusswaffen greift. Aber auch nach jedem besiegten Boss wächst der Schuhschrank um ein neues Paar an.
Die Obermotze verlangen euch ordentlich etwas ab. Sie alle hauen euch mehrere Phasen und tonnenweise Kugeln, explosive Objekte und mehr um die Ohren. Der Pizzaproll beispielsweise rückt euch mit einem Pizza-Roller auf die Pelle und kleidet sich in einen feinen BDSM-Fetisch-Harnisch. Auf mehr Bosse und Phasen gehe ich bewusst nicht ein, denn die teils großartigen Ideen erlebt ihr am besten selbst.
Eine Stadt, schlimmer als Offenbach
Eine Story erzählt Anger Foot ebenfalls, die ist jedoch so irrelevant wie Deichmann-Schuhe in einer ernsthaften Sneaker-Sammlung. Ihr tretet euch durch Shit City, eine Stadt, in der Verbrechen das Gesetz ist. Darüber mögen Haftbefehl-Fans jetzt laut lachen, aber es ist tatsächlich so, dass selbst die Bullen hier Dreck am Stecken haben. Sprüht ihr kein Graffiti an die Wand, kriegt ihr was auf den Deckel und die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt greifen zu teils beknackten Methoden, um die Kriminalität aufrechtzuerhalten.
Beispielsweise traf ich in einem der seltenen ruhigen Abschnitte einen Kerl, der unablässig in einen verdreckten Bach ballerte. Darauf angesprochen entgegnete er, das Rinnsal sei viel zu sauber und er müsse es dringend verschmutzen. Herrlich! Im Leveldesign zeigt sich zudem oft die Liebe des Entwicklungsstudios Free Lives zu harter Techno-Musik. Ihr kämpft euch durch einen Untergrund-Club, in dem die Gegner frappierend an Adidas erinnernde Trainingsanzüge tragen und mehr als einmal sah ich einen Wegweiser in Richtung Thunderdome – eine Verbeugung vor einem der wichtigsten Gabber-Festivals der Welt.
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